Regel statt Ausnahme: Wie Griechenland die Inhaftierung Geflüchteter normalisiert
Der Bericht „Detention as the Default" dokumentiert, dass:
- die Verwaltungshaft viel zu häufig verhängt wird. Im Juni 2021 waren rund 3.000 Migrant*innen inhaftiert.
- sieben von zehn Migrant*innen ohne regulären Aufenthaltstitel in Verwaltungshaft genommen werden und auch dann inhaftiert bleiben, wenn sie einen Asylantrag stellen.
- jede*r fünfte inhaftierte Migrant*in über einen längeren Zeitraum in Polizeizellen festgehalten wird, in denen sie eigentlich nur wenige Stunden bleiben sollten.
- schwangere Frauen, Kinder und schutzbedürftige Personen in Gewahrsam genommen werden. Auf die Inhaftierung von Frauen, Kindern und besonders vulnerablen Personen müsste grundsätzlich komplett verzichtet werden. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Betroffenen keinen angemessenen Zugang zu medizinischer Versorgung und Rechtsbeistand erhalten.
- die Hälfte der inhaftierten Migrant*innen (46 Prozent) länger als sechs Monate in Verwaltungshaft bleiben.
Die Anwendung von Verwaltungshaft als zunehmender de-facto-Standard ist eine Folge jüngster Änderungen der griechischen Asylgesetzgebung. Seit 2019 dürfen Asylbewerber*innen auch zwecks Überprüfung ihrer Identität inhaftiert werden. Gleichzeitig wurde die Pflicht für Behörden abgeschafft, Alternativen zur Haft zu prüfen, und die maximale Dauer der Inhaftierung auf bis zu drei Jahre verlängert. Griechische Gerichte lehnen auf dieser Grundlage Haft-Beschwerden meist ab, auch wenn es sich um besonders schutzbedürftige Personen handelt, wie im Falle einer hochschwangeren Frau.
„Die Verwaltungshaft soll Menschen davon abhalten, in Europa Schutz zu suchen. Deshalb wird sie zur Regel gemacht, statt eine Ausnahme zu bleiben. Das verstößt gegen internationales, europäisches und griechisches Recht, ist moralisch untragbar und zudem teuer“, kritisiert Vasilis Papastergiou, Rechtsexperte des Griechischen Flüchtlingsrats.
Menschenunwürdige Haftbedingungen
Für den Bericht hat der Griechische Flüchtlingsrat (GCR) Betroffene befragt. Ihre Aussagen legen Zeugnis ab von der unmenschlichen Behandlung, der sich Menschen ausgesetzt sehen, die in Europa Schutz suchen. Zum Beispiel Omar*, ein syrischer Staatsangehöriger, der neun Monate inhaftiert war: Die griechischen Behörden nahmen ihn in Gewahrsam, als er einen Asylantrag stellte. Omar sagt: „Wir waren 22 Stunden am Tag in unseren Zellen eingesperrt – kein Mobiltelefon, keine Besuche, ekelhaftes Essen. Oft mussten wir die Wachen anflehen, uns aufzuschließen, um auf die Toilette zu gehen. Und manchmal war nicht einmal das möglich."
„Wir sehen, wie Menschen in der Haft an vermeidbaren Krankheiten sterben oder sich aus purer Verzweiflung das Leben nehmen. Die Inhaftierung von Migrantinnen und Asylbewerbern darf niemals die Regel sein. Die griechischen Behörden dürfen die Menschen nicht dafür bestrafen, dass sie sich ein Leben in Europa aufbauen wollen. Sie müssen Alternativen zur Haft prüfen und nutzen“, fordert Erin McKay, Migrationsexpertin von Oxfam.
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