Bauen & Wohnen

So wird’s fürs Klima erträglich!

Bei Diskussionen zum Klimaschutz im Gebäudebereich wird die Energie-effizienz sträflich vernachlässigt. Dabei können die Gebäudeemissionen nur dann drastisch gesenkt werden, wenn unsere Häuser deutlich weniger Energie zum Heizen und Kühlen benötigen. Das Passivhaus Institut stellt seine Lösungsvorschläge für einen klimafreundlichen Gebäudebestand vor. Drei Bausteine sind: Eine wesentlich höhere Energieeffizienz der Gebäude, die Erzeugung von erneuerbarer Energie sowie geänderte politische Rahmenbedingungen. Zu diesen gehört auch, eine mittlere energetische Qualität nicht weiter zu fördern. Diesen Vorschlägen kommt der Beschluss der Bundesregierung entgegen, die Neubauförderung für das Effizienzhaus 55 einzustellen.

Das Passivhaus Institut beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit hoch energieeffizientem Bauen und Sanieren. Mit den Bausteinen könne die nächste Bundesregierung Emissionen im Gebäudebereich deutlich senken, so das Forschungsinstitut. Nur damit werden, den Gebäudebereich betreffend, die Pariser Klimaziele eingehalten. Zu diesem Abkommen haben sich bei der UN-Klima-konferenz 2015 in Paris 197 Nationen verpflichtet, um das Klima zu schützen und die Klimakatastrophe abzuwenden.

Klare Regelung

Eine generelle Regelung zur Minderung von Emissionen hatte im Frühjahr dieses Jahres auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Deutschen Klimaschutzgesetz gefordert. Das bezeichneten die Karlsruher Richter als „in Teilen verfassungswidrig“. „Die Emissionen im Gebäudebereich sind immer noch viel zu hoch. Wir dürfen nicht weiter fossile Energieträger wie Öl, Gas oder Kohle verbrennen, um unsere Gebäude zu beheizen. Die von uns entwickelten Bausteine ermöglichen einen Gebäudebestand, der effektiv das Klima schützt und mit den Pariser Klimazielen vereinbar ist“, erklärt Dr. Jürgen Schnieders vom Passivhaus Institut.

1. Baustein: Energieeffizienz

#EfficiencyFirst! Das Passivhaus Institut zeigt auf, dass bei Neubauten und Modernisierungen vorrangig eine hohe Energieeffizienz des Gebäudes erreicht werden muss. Entscheidend dafür sei ein sehr guter Wärmeschutz der Gebäudehülle. Der werde unter anderem durch eine gute Dämmung erzielt. Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung könnten den Heizwärmebedarf dieses Gebäudes dann zusätzlich deutlich senken. Der Warmwasserbedarf könne durch gut gedämmte Leitungen, effiziente Armaturen und Wärmerückgewinnung reduziert werden. Das Passivhaus Institut empfiehlt hocheffiziente Wärmepumpen, um Heizwärme und Warmwasser zu bereiten.

2. Baustein: Effizienz & Erneuerbare

Für die Energiewende sei es nötig, die Energieeffizienz der Gebäude mit der Erzeugung erneuerbarer Energie zu verbinden, so das Passivhaus Institut weiter. Bei Neubauten und Modernisierungen sollte auf geeigneten Flächen eine möglichst große Photovoltaik-Anlage installiert werden. Mit der PV-Anlage könne dann die Wärmepumpe betrieben werden. Wer jedoch PVAnlagen auf Gebäuden mit nicht gedämmten Dächern installiere, der verschenke ein hohes Einsparpotential an Energie und blockiere die Energiewende. „Daher sollten Hausbesitzer ihr Eigenheim erst mal dämmen. Das lohnt sich auch finanziell“, erläutert Jessica Grove-Smith, Mitinitiatorin der Lösungsvorschläge.

3. Baustein: Politische Rahmenbedingungen

Für erfolgreichen Klimaschutz seien auch die politischen Rahmenbedingungen entscheidend, so Grove-Smith weiter. Das Passivhaus Institut bewertet das Gebäudeenergiegesetz (GEG) als „nicht kompatibel“ mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens und plädiert für ambitioniertere energetische Standards. Diese seien außerdem ökonomisch sinnvoll. Durch finanzielle Förderung könne auch die Motivation der Beteiligten erhöht werden, hoch energieeffizient zu bauen und zu sanieren. „Kontraproduktiv ist es jedoch, wenn eine mittlere Gebäudeeffizienz weiter gefördert wird. Das gilt auch für Wärmeerzeuger, die nicht zukunftsfähig sind“, erläutert Grove-Smith. Das Passivhaus Institut spricht sich daher auch dafür aus, die Förderung für mittlere energetische Qualitäten zu beenden. www.passiv.de >> Presse>>Stellungnahmen

Keine beschleunigte Sanierungswelle

Auf der 25. Internationalen Passivhaustagung im September dieses Jahres erläuterte das Passivhaus Institut, dass es bei Sanierungen mit Blick auf die Gesamtkosten am ökonomischsten sei, den ambitionierten EnerPHit-Standard umzusetzen. Den EnerPHit-Standard hat das Passivhaus Institut für die Modernisierung von Altbauten entwickelt. Wenn ohnehin die Erneuerung von Bauteilen anstehe, dann müssten diese auf einen zukunftsfähigen Standard gebracht werden. Eine beschleunigte Sanierungsoffensive, die schneller als die normalen Erneuerungszyklen erfolge, sei dagegen erheblich teurer. Schwerer wiege noch, dass die dafür kurzfristig benötigten Planer und Handwerker, realistisch betrachtet, nicht verfügbar seien, fasst Dr. Jürgen Schnieders zusammen. Der 30 minütige Vortrag des Passivhaus Instituts ist auf Youtube veröffentlicht.

Lösungen bereits vorhanden

Wissenschaftlich erprobte Gebäudestandards wie der Passivhaus- Standard und der EnerPHit- Standard sowie verlässliche Werkzeuge zur Energiebilanzierung stünden bereits zur Verfügung. Zudem seien sie kompatibel mit den Klimazielen, erklärt das Forschungsinstitut in Darmstadt. „Tatsache ist, dass hoch energieeffiziente Gebäude das Klima schützen und gleichzeitig ein deutliches Plus an Wohnkomfort und Wohngesundheit bieten. Auf den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes gesehen sind sie zudem kostengünstiger als weniger effiziente Gebäude. Wir müssen hoch effiziente Gebäude einfach nur flächendeckend realisieren“, so Schnieders.

Förderung für Effizienzhaus 55 läuft aus

Das Bundeswirtschaftsministerium gab gerade bekannt, dass die Neubauförderung für das Effizienzhaus 55 zum Februar nächsten Jahres eingestellt wird. Die Bundesregierung wolle nun vorrangig solche Maßnahmen fördern, die möglichst hohe CO₂-Einsparungen generieren und daher vermehrt energetische Sanierungsmaßnahmen fördern. „Jetzt müssen wir auch hier darauf achten, dass ausschließlich hohe energetische Qualitäten umgesetzt werden, denn sonst ist die Chance für den Klimaschutz auf Jahrzehnte hinaus vertan“, kommentiert Jessica Grove-Smith vom Passivhaus Institut diese Ankündigung der Bundesregierung.

Allgemeine Informationen

Urteil des Bundesgerichtshofs zum Deutschen Klimaschutzgesetz
Die Lösungsvorschläge des Passivhaus Instituts zu einem klimafreundlichen Gebäudebestand sind auch eine Reaktion auf das Ende April 2021 veröffentlichte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Deutschen Klimaschutzgesetz. Darin bezeichnen die Karlsruher Richter das Deutsche Klimaschutzgesetz als „in Teilen verfassungswidrig“. Sie fordern, die Regierung müsse klarer regeln, wie Emissionen nach 2030 gemindert werden sollen. Die größtenteils jungen Beschwerdeführenden seien durch die jetzigen Regelungen im Klimaschutzgesetz in ihren Freiheitsrechten verletzt, da die Vorschriften hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030 verschieben, so das Gericht. Den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, so wie es auch das Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 fordert, sei dann nur noch mit immer dringenderen und kurzfristigen Maßnahmen realisierbar.

Passivhäuser
Beim Passivhaus-Konzept wird der für Gebäude typische Wärmeverlust durch Wände, Fenster und Dach drastisch reduziert. Durch die fünf Prinzipien – gute Dämmung, dreifach verglaste Fenster, Vermeidung von Wärmebrücken, luftdichte Gebäudehülle sowie Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung – benötigt ein Passivhaus nur sehr wenig Energie. Passivhäuser können daher auf ein klassisches Heizsystem verzichten. Passiv“ werden die Häuser genannt, da der größte Teil des Wärmebedarfs aus „passiven“ Quellen wie Sonneneinstrahlung sowie Abwärme von Personen und technischen Geräten gedeckt wird.

In einem Passivhaus hält sich die Wärme sehr lange, da sie nur langsam entweicht. Im Sommer (sowie in warmen Klimaten) ist ein Passivhaus ebenfalls im Vorteil: Dann bewirkt u.a. die gute Dämmung, dass die Hitze draußen bleibt. Eine aktive Kühlung ist daher in Wohngebäuden in der Regel nicht nötig. Durch die niedrigen Energiekosten sind die Nebenkosten kalkulierbar – eine Grundlage für bezahlbares Wohnen und sozialen Wohnungsbau. Ein Passivhaus verbraucht bis zu 90 Prozent weniger Heizwärme als ein bestehendes Gebäude und 75 Prozent weniger als ein durchschnittlicher Neubau. Der Passivhaus-Standard erfüllt die Anforderungen der EU an Nearly Zero Energy Buildings (NZEB).

Pionierprojekt
Das weltweit erste Passivhaus errichteten vier private Bauherren, darunter Prof. Wolfgang Feist, vor 30 Jahren in Darmstadt-Kranichstein. Die Reihenhäuser gelten seit dem Einzug der Familien 1991 als Pionierprojekt für den Passivhaus-Standard. Das Pionier-Passivhaus nutzt mit seiner neuen Photovoltaikanlage nun auch erneuerbare Energie und erhielt das Zertifikat zum Passivhaus Plus.

Passivhaus und erneuerbare Energie
Der Passivhaus-Standard und die Erzeugung erneuerbarer Energie direkt am Gebäude sind eine gute Kombination. Für dieses Versorgungskonzept gibt es die Gebäudeklassen „Plus“ und „Premium“.

Passivhäuser
Mittlerweile gibt es Passivhäuser für alle Nutzungsarten: Neben Wohn- und Bürogebäuden existieren auch Kitas und Schulen, Sporthallen, Schwimmbäder und Fabriken als Passivhäuser. In Frankfurt am Main entsteht gerade die weltweit erste Passivhaus-Klinik.

 

Über die Passivhaus Institut GmbH

Das Passivhaus Institut mit Sitz in Darmstadt wurde 1996, also vor 25 Jahren gegründet und ist ein unabhängiges Forschungsinstitut zur hocheffizienten Nutzung von Energie bei Gebäuden. Das von Prof. Wolfgang Feist gegründete Institut belegt eine internationale Spitzenposition bei der Forschung und Entwicklung zum energieeffizienten Bauen und Sanieren. Prof. Feist erhielt u.a. den DBU-Umweltpreis für das Passivhaus-Konzept (2001).

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