Zeichnen als Selbstgespräch: Mit der Ausstellung „Von der Zeichnung zum Film“ würdigt das Museum Folkwang Federico Fellinis zeichnerisches Werk
Die Zeichnung war für Fellini unverzichtbares Arbeitsmittel bei der Konzeption seiner Filme und half ihm bei der Visualisierung seiner Vorstellungen. So zeichnete er, um sich z.B. über die Ausprägung einer bestimmten Figur klar zu werden, noch bevor entschieden war, wer diese Rolle übernehmen würde; das Zeichnen war wie ein Gespräch mit sich selbst. Die Zeichnungen dienten aber nicht nur Fellini, auch seine Mitarbeiter:innen und die Werkstätten des Filmstudios Cinecittà, wo er die meisten seiner Filme produzieren ließ, nutzten die Arbeiten als Vorlagen bei der Realisierung von Kostümen, Maskenbildern oder Kulissen. In der Ausstellung zeigt sich anhand der Gegenüberstellung der Zeichnungen mit den jeweiligen Filmszenen, wie nahe die filmische Umsetzung der zeichnerischen Vorlage häufig kommt.
Die Zeichnungen und Fotografien stammen aus der Sammlung Jakob und Philipp Keel (Zürich) und umfassen fast den gesamten Zeitraum der Filmproduktion Fellinis, vom Beginn der 1950er Jahre bis in die frühen 1980er Jahre. Insgesamt sind zwölf Filme repräsentiert, mit einem Schwerpunkt auf den Filmen „Amarcord“ (1973), „Il Casanova“ (1976), „La città delle donne“ (1980) und „E la nave va“ (1983). Eine doppelseitige Zeichnung Fellinis zu seinem ‚Casanova‘ aus dem Privatbesitz seines ehemaligen Assistenten Gérald Morin wird erstmals gezeigt. Die Filmplakate in der Schau stammen aus der Sammlung des Deutschen Plakat Museums im Museum Folkwang.
Fellinis vornehmliches Interesse beim Zeichnen galt seinen Filmfiguren. Zwar gibt es Entwürfe zu bestimmten Schauplätzen, etwa zum Speisesaal des „Trimalchio“ in „Satyricon“, zu Maddalenas Lustschloss in „Il Casanova“ oder zu diversen Räumlichkeiten des Ozeandampfers in „E la nave va“. Manchmal entwirft Fellini auch Details der Ausstattung, beispielsweise die feministischen Plakate oder das kolonialistische Wandmosaik in „La città delle donne“. Dennoch sind es vor allem seine Protagonisten, deren Charakter und Erscheinung er sich mit seinen Zeichnungen anzunähern versucht. Zum Zeichnen verwendete er alltägliche Materialien wie Filzstifte, Fineliner und Kugelschreiber, manchmal auch Bleistifte, und meist handelsübliches Schreibpapier. Manche Zeichnungen sind minutiös ausgearbeitet, andere bleiben skizzenhaft mit kurzen Notizen als Erläuterungen; nicht selten notierte er auch Telefonnummern oder andere Informationen auf den Papieren. In einigen Fällen lösen sich die Zeichnungen von der eigentlichen Filmproduktion, wie die burlesken Portraitzeichnungen Anita Ekbergs zeigen, die den Typus der weiblichen Hauptfigur Sylvia aus „La dolce vita“ ins Absurde übersteigern. Fellinis künstlerische Prägung aus seinen früheren Aktivitäten als Karikaturist und Erfinder humoristischer Zeichnungen brachte es mit sich, dass auch seine Filmzeichnungen einen deutlichen Zug ins Karikaturhafte, bisweilen Groteske haben. Es ist dieser spezifische Stil, der die Zeichnungen auch unabhängig von seinen Filmproduktionen zu Schöpfungen eigenen Werts macht.
Federico Fellini zählt zu den bedeutendsten Filmemachern des 20. Jahrhunderts. Vom Neorealismus des italienischen Kinos der Nachkriegsjahre wandte er sich rasch ab und entwickelte eine eigene, subjektive Bildsprache, für die sich später der Begriff „fellinesk“ etablierte: Das Evozieren wirkmächtiger Bilder war für ihn wichtiger als das stringente Erzählen einer Geschichte. Fellinis Filme stießen weltweit auf Interesse und erhielten zahlreiche Auszeichnungen. Im Laufe seines Lebens wurden vier Filme mit einem Oscar in der Kategorie Bester ausländischer Film gewürdigt. 1993, wenige Monate vor seinem Tod, erhielt er den Ehrenoscar für sein Lebenswerk.
„Der eine wirft hastig ein paar Worte, eine Empfindung aufs Papier, und ich zeichne eben, entwerfe die Züge eines Gesichts, Einzelheiten eines Gewands, die Körperhaltungen einer Person, ihren Ausdruck, gewisse anatomische Eigenheiten. Das ist meine Art, mich an den Film, den ich gerade mache, heranzupirschen, dahinterzukommen, was es mit ihm auf sich hat, und ihm verstohlen ins Gesicht zu blicken.“ (Federico Fellini, 1983)
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