Angehende Architekten arbeiten im Ahrtal
Es ist früher Abend an diesem ungemütlichen regnerischen Tag. Mittwoch, der 14. Juli 2021. Am Morgen hatte der Deutsche Wetterdienst vor "extremem Unwetter" mit Dauerregen und Starkregen in weiten Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gewarnt. Jetzt werden Warnstufen ausgerufen, über die Katwarn-App die Bevölkerung gewarnt. Es drohen "schnell ansteigende Wasserstände".
Heute wissen wir, was dann geschah. Die Ahr tritt über die Ufer, nie erlebte Pegelstände werden erreicht, im Ahrtal herrscht Chaos. Überall, wo es möglich ist, versuchen Einsatzkräfte Menschen vor der Flut zu retten. Seit der Katastrophenfall ausgerufen wurde, helfen auch Bundeswehr und Bundespolizei mit. Nicht wenige Menschen verbringen die Nacht auf dem Dach. Beim Jahrhundert- Hochwasser 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen starben allein an der Ahr mindestens 133 Menschen. In ganz Nordrhein-Westfalen gibt es 49 Todesopfer der Hochwasser-Katastrophe.
Mehr als die Hälfte der Opfer stammte aus Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die bei Touristen beliebte Kreisstadt mit zuvor 29.000 Einwohnern wurde massiv zerstört, nahezu jeder war von dem Unglück betroffen. Bis heute sind die tiefen Wunden sichtbar, die Wasser, Schlamm und Treibgut ins Stadtbild gerissen haben.
Inzwischen ist klar, dass im Einzugsgebiet der Ahr allein am 14. Juli mehr Regen gefallen ist als sonst im ganzen Monat. Und aufzuräumen und instand zu setzten, was alles zerstört wurde, wird noch lange dauern. Die Hilfsbereitschaft ist nach wie vor groß.
Und auch eine Abordnung der Hochschule Kaiserslautern bietet Unterstützung und zeigt solidAHRität – das Wortspiel ist gerade auf dem 2. Platz als Wort des Jahres gelandet. Die Hochschule hilft auf eine Art, an die man anfänglich wohl kaum gedacht hatte. Denn bereits mit Start der Arbeiten im Katastrophengebiet wurde unter anderem deutlich, dass in vielen Fällen Bestandspläne als Grundlage für Sanierung und Wiederaufbau fehlen. Deshalb hat der Bund Deutscher Architekten (BDA) bundesweit zu Hilfsmaßnahmen aufgerufen. Prof. Werner Bäuerle vom Studiengang Architektur der Hochschule Kaiserslautern beschloss, Teams aus Studierenden zu bilden, die Bestandspläne im Rahmen einer Bauaufnahme herstellen können. Er motivierte und organisierte eine Gruppe von circa 40 Studierenden aller Semester um zu helfen. Ende November ging es dann für fünf Tage nach Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Kosten inkl. Unterkunft und Busfahrt wurden komplett von der Hochschule getragen.
Der Inhalt der im Keller und Erdgeschoss gelagerten Pläne des Bauarchives wurde durch das Hochwasser komplett zerstört. Somit sind die meisten nicht digitalisierten Planunterlagen, vor allem die der älteren und denkmalgeschützten Häuser, komplett verloren gegangen. Die Studierende haben drei dieser Objekte nun von Grund auf neu vermessen:
Der "Weiße Turm", ein gotisches Turmhaus, dreigeschossiger verputzter Bruchsteinbau, im Kern 14./15. Jahrhundert mit später angebauter barocker ehemaliger Kapelle, heute Museum.
Der "Gasthof Kleinertz", (ehemals Prümer Hof, zweigeschossig mit Walmdach, Erdgeschoss massiv, Obergeschoss Fachwerk, 18. Jahrhundert.). Nach der Flut muss hier die Haustechnik, Gasträume und Lagerräume im Kellergeschoss, Gastraum und Gewerbeküche usw. komplett neu aufgebaut werden.
Das "Alte Rathaus", ehem. Stadtwache, zweigeschossiger Massivbau, Mansarddach, 2. Hälfte 18. Jahrhundert.
Für all diese Gebäude haben die Studierenden entsprechende Planunterlagen (Grundrisse, Schnitte, Ansichten) erstellt. Sämtliche Aufmaßpläne dienen der schnellen Behebung der Schäden zum einen und einer notwendigen Sicherung des Bestands in digitaler Planform für weitere wissenschaftliche Untersuchungen Dritter, möglicherweise aber auch für weitere studentische Projekte im kommenden Semester.
Zusammen mit einer Recherche zur Geschichte der Gebäude, aufgearbeiteten Graphiken zur Statik sowie Farb- und Materialstudien und einer Fotodokumentation wurden Grundrisse, Schnitte, Ansichten an die Stadt Ahrweiler in Form eines Booklets (digital und analog) übergeben. Somit kann ein Teil der Dokumentation des baugeschichtlichen Erbes der Stadt Ahrweiler wieder hergestellt werden.
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