Gedenkveranstaltung für die Opfer des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma in der Gedenkstätte Sachsenhausen
In seiner Ansprache sagte Staatssekretär Benjamin Grimm: „Sich zu erinnern ist die grundlegende Voraussetzung dafür, dass Geschichte sich nicht wiederholt. Nur wenn wir uns die Schrecken der Vergangenheit immer wieder vor Augen rufen, wenn wir der Opfer gedenken und die Erinnerung wachhalten, haben wir die Chance, eine dauerhaft bessere Zukunft zu bauen. Heute, 79 Jahre nach diesem menschenverachtenden Erlass, tun wir alles dafür, in einer offenen und toleranten Gesellschaft zu leben. Dabei haben wir gemeinsam viel erreicht. Unsere Demokratie ist stark und wehrhaft. Und dennoch gibt es noch immer viel zu tun. Sinti und Roma leben heute als offiziell anerkannte Minderheit in Deutschland, aber noch immer sind sie mit Vorurteilen, Demütigungen und zum Teil offener Gewalt konfrontiert. Das ist nicht hinnehmbar. Dieser Zustand, der das Leben von Sinti und Roma tagein, tagaus beeinflusst, darf uns nicht ruhen lassen. Unsere Toleranz und unsere Offenheit enden bei jeder Form von Menschenfeindlichkeit. Alle Menschen, egal welcher Herkunft, welcher Hautfarbe oder welchen Glaubens müssen sich in unserem Land sicher fühlen können.“
Romani Rose mahnte: „Die Bedrohung des Rechtstaates und die Verachtung demokratischer Werte zeigt sich auch in Fackelaufmärschen vor den Wohnhäusern von Politikerinnen und Politikern, wo Parolen skandiert und Andersdenkende bedroht werden, wie jüngst in Sachsen geschehen. An dieser Stelle muss sich unsere Demokratie wehrhaft zeigen und mit allen rechtstaatlichen Mitteln deutlich machen, wo die Grenze zwischen freier Meinungsäußerung und feiger Angstmache verläuft. Die Justiz muss endlich zeigen, dass sie nicht auf dem rechten Auge blind ist und darf solche Vorfälle nicht länger verharmlosen. Sie muss solche Auswüchse in aller Deutlichkeit als das verurteilen, was sie sind: perfide Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat und auf uns alle. Sie sind eine Bedrohung für das Vermächtnis der Opfer, derer wir heute gedenken.“
Axel Drecoll erinnerte an das Schicksal des Sinto Kinophas Schmidt, der zwar mehrere Konzentrationslager überlebte, dessen Diskriminierung aber auch nach 1945 nicht endete: „Über Jahrzehnte gelang es dem schwer kranken NS-Verfolgten nicht, eine Entschädigung für die jahrelange KZ-Haft zu erhalten. In den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften lebten die Stereotype gegen Sinti und Roma fort, sie wurden weiter diskriminiert und benachteiligt. Bis heute ist der Antiziganismus ein weitverbreitetes Phänomen in unserer Gesellschaft. Auch und gerade heute ist daher die Erinnerung an das Leid der Opfer und die Aufarbeitung der brutalen Verbrechen der Nationalsozialisten an den Sinti und Roma eminent wichtig. Wir müssen aufklären und uns bewusst machen, wohin Stigmatisierung und Gewalt gegenüber Minderheiten führen.“
Hintergrund:
Vor 79 Jahren, am 16. Dezember 1942, unterzeichnete Heinrich Himmler den sogenannten „Auschwitz-Erlass“, der die Deportation von Sinti und Roma aus ganz Europa in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau anordnete. Darunter waren auch 10.000 deutsche Sinti und Roma aus dem damaligen Reichsgebiet. Insgesamt wurden im besetzten Europa mehrere Hunderttausend Sinti und Roma in Konzentrationslagern oder durch Einsatzgruppen der SS ermordet. Im Konzentrationslager Sachsenhausen waren mehr als 1.000 Sinti und Roma inhaftiert.
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