Abokonzert 7 GISCHT
Sie begannen ihre großen Karrieren als gefeierte Wunderkinder und bestimmten später die Musikwelt ihrer Zeit durch kongeniale Kreativität. Später wurden sie aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln zu Verfemten und Verfolgten, die vormalige Bewunderung schlug in Ablehnung und Aufführungsverbote um: Während Felix Mendelssohn Bartholdy zu Lebzeiten keine Repressalien zu erdulden hatte und erst später unter dem Schreckensregime der Nationalsozialisten geächtet wurde, traf deren Terror Alexander von Zemlinsky und Erich Wolfgang Korngold auf dem Höhepunkt ihrer Laufbahn. Der eine, Korngold, erkannte rechtzeitig die bedrohlichen Zeichen der Zeit, emigrierte in die USA und startete dort eine zweite große Karriere als Komponist von Filmmusik. Zemlinsky hingegen mochte lange nicht glauben, was er sah, harrte aus in jenem Land, dem er sich so sehr zugehörig fühlte. Schließlich beugte er sich, bereits gebrochen, entwurzelt und all seiner Kreativität beraubt. Nach seiner Emigration nach New York gelang es ihm nicht mehr, dort Fuß zu fassen, er starb 1942.
In seiner allzu selten gespielten Konzertouvertüre »Das Märchen von der schönen Melusine« begibt sich der 24-jährige Felix Mendelssohn Bartholdy auf die Suche nach einem neuen romantischen Ideal, feilt an seiner Expertise als überragender Sinfoniker – und knüpft inhaltlich an ein früheres Werk an: Bereits 1826 hatte er in seiner Ouvertüre zu Shakespeares »Sommernachtstraum« das Aufeinandertreffen der Menschenwelt und einer magischen Sphäre thematisiert. Der alte Volksmärchen-Stoff der Melusine geht noch einen Schritt weiter und führt in das Reich von Tabus, Erotik und der verzweifelten Sehnsucht nach Beseeltheit.
Auch Alexander von Zemlinsky begibt sich genau 70 Jahre später in die geheimnisvolle Dämmerwelt der Wasserwesen. Seine große sinfonische Dichtung »Die Seejungfrau«, ursprünglich als veritable Sinfonie geplant, bezieht sich direkt auf das berühmte Märchen Hans Christian Andersens. Während allerdings Mendelssohns Melusine, eine Menschenfrau, zur Strafe für ein Verbrechen in die seelenlose Welt der Wasserwesen verbannt wird, verhält es sich in Zemlinskys rauschendem Tongemälde genau umgekehrt: Die Meerjungfrau verliebt sich in einen Menschen, gibt dafür die Gabe des Sprechens hin und opfert schließlich zur Rettung des Geliebten vor ihrem eigenen Fluch ihr Leben.
»Nie habe ich einen Unterschied zwischen meiner Filmmusik, den Opern und den konzertanten Werken gemacht. Genau wie für die Oper will ich für den Film dramatische, melodische Musik schaffen, die symphonische Entwicklung und Themenreichtum besitzt«, erklärte Erich Wolfgang Korngold. Dass er auch 1945 von der Spätromantik im Breitwandformat nicht lassen mochte, kann sein Violinkonzert nicht verleugnen: Nicht zu Unrecht hat dieses stilistische Bekenntnis dem Werk auch den Beinamen »Hollywood Concerto« eingebracht. Unter der Leitung des jungen britischen Dirigenten Duncan Ward wagt die »absolut atemberaubende« (Chicago Tribune) Simone Lamsma diesen Parforceritt durch alle technischen Finessen, die auf ihrem Instrument möglich sind.
Mit diesem Konzert leistet das Gürzenich-Orchester einen weiteren Beitrag zu einem seiner diesjährigen Saisonschwerpunkte, der dem Werk Alexander von Zemlinskys gewidmet ist. Zum anderen erinnert damit das Gürzenich-Orchester als das Orchester der Stadt Köln an die große, 1.700 Jahre währende Tradition jüdischen Lebens in der Metropole am Rhein.
GISCHT
ABOKONZERT 7
So 30.01.22 11 Uhr
Mo 31.01.22 20 Uhr
Di 01.02.22 20 Uhr
Kölner Philharmonie
Felix Mendelssohn Bartholdy
Konzertouvertüre »Das Märchen von der schönen Melusine« op. 32
1833
Erich Wolfgang Korngold
Violinkonzert D-Dur op. 35
1945
Alexander von Zemlinsky
»Die Seejungfrau«
1903
Simone Lamsma Violine
Gürzenich-Orchester Köln
Duncan Ward Dirigent
€ 43 / 34 / 27 / 18 / 14 / 9
Karten für das Konzert sind hier erhältlich:
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