„Ich möchte gar nicht woanders arbeiten!“
Als Jugendliche hat Ann-Christin Friemel miterlebt, wie ihr Vater in einem niedersächsischen Uniklinikum gestorben ist, umgeben von der Hektik eines medizinischen Großbetriebs. „Das muss auch anders gehen können“, sagte sie sich damals und erlebte diesen anderen Umgang mit Tod und Sterben bei ihrem Ausbildungseinsatz im münsterischen Johannes-Hospiz. Als dann die Palliativstation in der Raphaelsklinik eröffnet wurde, hat sie sich sofort beworben, „Ich wollte von Anfang an dabei sein, mit aufbauen und mitgestalten.“
Auf der Palliativstation gibt es die Zeit für intensive Gespräche, die Menschen brauchen, die sich des nahenden Lebensendes bewusst werden, „Bei uns gibt es noch die Situationen, in denen sich Pflegende und Ärzte mit dem Stuhl an das Bett des Patienten setzen und lange Gespräche führen.“ Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, unter dem Druck des Klinikalltags aber oft unmöglich geworden sind, wie Friemel bedauernd feststellt, „Krankenpflege ist ein toller Beruf, aber die Rahmenbedingungen machen ganz viel kaputt!“
Der Begriff Palliativstation löst oft Ängste aus, dabei geht es nicht um das Sterben sondern darum, Schmerzen und andere Symptome der Krankheit zu lindern oder soziale und psychologische Hilfen anzubieten, um Sorgen zu nehmen und der verbleibenden Zeit mehr Lebensqualität zu geben. „Viele Menschen wundern sich, wenn ich erzähle, dass etwa 70 Prozent unserer Patientinnen und Patienten nach durchschnittlich drei bis vier Wochen wieder entlassen werden“, berichtet die Gesundheits- und Krankenpflegerin, die ihre Station in der Raphaelsklinik, einem Krankenhaus der Alexianer, als Bindeglied zwischen dem vorangegangenen Leben der Patientinnen und Patienten und dem sieht, was danach kommt, zum Beispiel dem Hospiz.
Für ihre Arbeit hat sie nach ihrer Ausbildung spezielle Fort- und Weiterbildungen im Bereich der Palliativpflege absolviert, so wie die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen auf der Station. Trotzdem gehen die Schicksale, die sie täglich begleitet, nicht spurlos an der jungen Frau vorüber. Die sterbende 40-jährige Mutter mit ihren Kindern, der junge Mann, der seine tödliche Krankheit nicht akzeptieren und loslassen konnte, viele berufliche Erlebnisse sind selbst für die erfahrene Gesundheits- und Krankenpflegerin nicht leicht zu verarbeiten, „Das geht ans Gemüt, das kannst du allein nicht tragen“, wie sie sagt. Hier kommt das eingespielte Team der Palliativstation zum Tragen, „Wir unterstützen uns bei der Arbeit gegenseitig, dieser Zusammenhalt ist sehr wichtig! Wir sprechen sehr viel miteinander, auch über unsere Patienten. Außerdem findet vier Mal im Jahr eine Supervision mit der Psychoonkologin statt, die aber auch zwischendurch immer für uns da ist.“
Trotz der belastenden Erlebnisse kann sich Ann-Christin Friemel kaum vorstellen, in einem anderen Bereich als der Palliativpflege zu arbeiten, „höchstens mal ganz kurz, um danach ganz schnell wieder zurückzukehren“, wie sie lachend sagt. Das eingeschworene Stationsteam, die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Pflege und Medizin auf Augenhöhe, das enge Verhältnis zu den Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen und das Bewusstsein, diesen Menschen in einer schwierigen Lebensphase zu helfen und Mut zu machen, sind Dinge, die sie nicht missen möchte. Einen Wunsch hat sie allerdings, dass Ärzte und Patienten frühzeitig an die Palliativversorgung denken und nicht erst, wenn es gar nicht mehr anders geht, „Unsere Möglichkeiten setzen sehr früh an, eigentlich schon in dem Moment, in dem klar ist, dass eine Erkrankung nicht mehr heilbar ist. Wir können so viel machen, aber nur, wenn wir früh genug mit ins Boot geholt werden!“
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