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Ich sehe was, was du nicht sagst

Freude, Wut, Trauer, Angst, Überraschung – menschliche Emotionen bestimmen unser Leben. Auch bei Verkaufsprozessen werden Entscheidungen oft nicht rational, sondern intuitiv, schnell und emotional getroffen. Doch wie lassen sich Verkaufsprozesse optimal gestalten, insbesondere im digitalen Raum und in einer Zeit ohne persönliche Kontakte, Messen und Veranstaltungen? Prof. Dr. Alexander Grohmann von der Hochschule Aalen forscht zum Spannungsfeld von Automatisierung und Emotionalisierung des industriellen Verkaufsprozesses. Ziel ist es, einen Algorithmus zu entwickeln, der Vertriebsmitarbeitende beim digitalen Kundenkontakt unterstützt. Seine Forschungsaktivitäten werden jetzt durch das Programm EXPLOR der Abtsgmünder Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur gefördert.

„Wir wollen das Messbare in den Vertrieb bringen und herausfinden, wie man Emotionen im Verkaufsgespräch am besten erfasst“, bringt Prof. Dr. Alexander Grohmann vom Studiengang International Sales Management and Technology kurz und prägnant sein Forschungsprojekt auf den Punkt. Im „Sales- and Purchasing-Labor der Hochschule Aalen ist er gerade mit einem Versuchsaufbau zum Messen von Gehirnströmen beschäftigt. „Wir machen Gedanken transparenter“, lacht der 39-Jährige. Die Emotionserkennung spiele im Verkaufsgespräch eine tragende Rolle. „Wenn Vertriebler menschliche Emotionen und Stimmungsanalysen berücksichtigen, gewinnen sie ein besseres Gefühl dafür, wie sie mit der Gemütslage potenzieller Kunden interagieren und sich auf einer menschlichen Ebene mit ihnen auseinandersetzen können.“ Mit gesundem Menschenverstand alleine seien Emotionen in ihrer ganzen Komplexität schwer zu erfassen. Künstliche Intelligenz und die neuen Möglichkeiten durch das Trainieren von neuronalen Netzen (sogenanntes „Deep Learning“) hätten enorme Fortschritte beim Erkennen und Verarbeiten von Emotionen gesorgt. „KI kann bei der Emotionserkennung sogar feine Nuancen erkennen, die dem Menschen verborgen sind. So lässt sich beispielsweise die Herzfrequenz einer Person überaus akkurat lediglich auf Basis der Videoaufnahmen des Gesichts zu bestimmen. Hier liegen für das menschliche Auge nicht wahrnehmbare Farbveränderungen der Haut zugrunde“, erklärt Grohmann. „Auch wenn es bereits einige Algorithmen gibt, die gut funktionieren, sind wir hier erst am Anfang der Entwicklung.“ Mit seiner Forschung möchte er zu besseren Verkaufsgesprächen und dadurch zu nachweislich mehr Vertriebserfolg beitragen.

Die Menschen bei der digitalen Transformation mitzunehmen und sie von deren großen Chancen zu überzeugen, ist eine Herzensangelegenheit für Grohmann. „Wir erleben gerade einen unglaublichen Wandel innerhalb kurzer Zeit, dafür brauchen wir nicht nur das Fachwissen, sondern auch das entsprechende Mindset.“ Das möchte er seinen Studierenden auf jeden Fall mitgeben. Eine große „Spielwiese“ ist für ihn hierbei auch das „Sales- and Purchasing-Lab“, das vor knapp zwei Jahren an der Hochschule Aalen an den Start gegangen ist. Gemeinsam mit den Studierenden sowie Kooperationsunternehmen soll das Geheimnis des Vertriebs und Einkaufs 4.0 entschlüsselt werden. „Es ist ein Ort der Begegnung, wo ganz viel Interaktion möglich ist“, sagt Grohmann. Gerade ist er dabei, einen „Executive Sales Club“ zu gründen. In diesem Rahmen können die Studierenden mit Expertinnen und Experten aus der Praxis zu verschiedenen Themen diskutieren. „Die Gestaltungsmöglichkeiten an der Hochschule sind einfach toll. Professor zu sein, ist der beste Job der Welt“, findet der gebürtige Schorndorfer, der die Hochschule Aalen schon vor seiner Berufung bestens kannte – studierte er hier doch Technischen Vertrieb. Anschließend promovierte der mehrfache Stipendiat an der Central University of Technology in Bloemfontein (Südafrika), einer Partnerhochschule der Hochschule Aalen.

Nach seiner Promotion arbeitete Grohmann zunächst bei Kärcher als Assistent der Geschäftsführung und entwickelte später für das Unternehmen digitale Produkte. „Das war eine spannende Zeit. Seither beschäftige ich mich damit, Digitalisierung von der Wissenschaft in die Business-Praxis zu übersetzen. Das hat mich auch dazu bewogen, ein eigenes Unternehmen zu gründen, das sehr erfolgreich digitale Lösungen vorrangig für Unternehmen der herstellenden Industrie entwickelt“, so Grohmann. Aber im Laufe seiner Geschäftsführertätigkeit habe er weniger Zeit für fachlichen Themen gehabt. Als vor zwei Jahren dann ein Anruf aus Aalen kam, ob er sich nicht für ausgeschrieben Professur für Digitalen Vertrieb bewerben wolle, musste er nicht lange überlegen. „Jetzt kann ich mich den ganzen Tag mit Digitalisierung beschäftigen“, strahlt Grohmann.

Und dass er bei seiner Forschung jetzt durch das Programm EXPLOR der Abtsgmünder Stiftung Kessler + Co. für Bildung und Kultur gefördert wird, freut ihn umso mehr: „Das ist genau das Programm, das mir Anschub gibt und der Katalysator ist, weiterzumachen.“ Aber auch wenn Grohmann Experte für digitale Verkaufsprozesse ist, manchmal muss es doch noch analog gehen – zum Beispiel, wenn er mit seinen beiden kleinen Töchtern beim Bio-Metzger ist. „Dann ist der Stallbesuch obligatorisch. Wie die Kühe unseren Einkaufprozess finden, das ist eine andere Frage. Könnte man mal einen Algorithmus dazu entwickeln“, sagt Grohmann und lacht herzlich.

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