AGFW: Gesetzgeber muss AVBFernwärmeV mit Augenmaß novellieren – einseitige Leistungsreduzierung gefährdet langfristig die Versorgungssicherheit
„Soll die Fernwärmeversorgung nach dem Willen der Bundesregierung eine künftig stärkere Rolle zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors spielen und daher erheblich ausgebaut werden, benötigt die Fernwärmewirtschaft dringend Investitionssicherheit“, erklärt AGFW-Geschäftsführer Werner Lutsch. Dazu gehöre auch, dass die bei Abschluss des Versorgungsvertrags zugrunde gelegten Erlöse planbar und berechenbar blieben. „Diese Investitionssicherheit wird jedoch massiv gestört, wenn der Kunde plötzlich und unerwartet während der Vertragslaufzeit die Leistung reduzieren will.“
Dr. Norman Fricke, AGFW-Bereichsleiter Recht & Europa, erklärt die Hintergründe: „Knüpft der verbrauchsunabhängige Preisbestandteil des Wärmeversorgungsvertrags zumeist an den vereinbarten Anschlusswert an (Leistungspreis), erhoffen sich viele Wärmekunden drastische Preissenkungen, zum Teil um bis um die Hälfte.“ Grundlage sei der neugefasste § 3 AVBFernwärmeV, wonach Kunden ohne gesonderten Nachweis die Leistung um bis zu 50 Prozent reduzieren können, darüber hinaus noch stärker, wenn sie ihren Wärmebedarf künftig selbst durch erneuerbare Energien decken wollen. „In der Praxis dürften sich diese Hoffnungen für den Kunden zumeist nicht erfüllen. Denn die Vereinbarung des Anschlusswerts ist kein Selbstzweck. Vielmehr ist er die entscheidende Größe für die Bestimmung derjenigen Leistung, die das Versorgungsunternehmen zur Deckung des Wärmebedarfs des Kunden bereitstellen muss. Liegt der vereinbarte Anschlusswert unter dem tatsächlichen Wärmebedarf, werden die Räume des Kunden nicht ausreichend beheizt. Das gilt umso mehr, je geringer die Außentemperaturen sind. Gerade dann, wenn es draußen sehr kalt ist und der Kunde Wärme am dringendsten benötigt, droht die Gefahr, dass die Wohnung oder die Geschäftsräume kalt bleiben, wenn der Anschlusswert unter den eigentlichen Bedarf des Kunden gesenkt wird“, so Dr. Fricke.
Unabhängig von ihrer praktischen Umsetzung stelle die Neuregelung den Ausbau von Fernwärmesystemen sowie ihren Umbau hin zu einer karbonärmeren Erzeugung der Wärme entscheidend in Frage“, so AGFW-Experte Dr. Fricke. „Fernwärmeversorgungsunternehmen errichten ihre Erzeugungs- und Verteilanlagen in Abhängigkeit von der vom Kunden bestellten Leistung und halten entsprechende Kapazitäten vor. Die dafür anfallenden Investitionskosten erwirtschaften sie über die Dauer des Vertrags gerade durch die verbrauchsunabhängigen Preisbestandteile. Kann der Kunde bereits während der Vertragslaufzeit den Anschlusswert erheblich reduzieren, brechen die Erlöse aus dem Leistungspreis weg. Damit droht die Gefahr, dass die Versorgung unrentabel wird. Mag ein Fernwärmeversorgungsunternehmen in ausgedehnten städtischen Netzen in der Lage sein, diesen Wegfall durch den Anschluss von Neukunden zu kompensieren, so wird dies bei kleineren Fernwärmesystemen (Inselnetze, Quartiersnetzen) immer schwieriger und bei Contracting-Anlagen, die auf die Versorgung eines einzigen Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes zugeschnitten sind, gar unmöglich.“
Leistungsreduzierungen werde der Kunde häufig dann geltend machen, wenn der Wärmeschutz seines Gebäudes durch Dämmung oder andere Maßnahmen verbessert werden könne. Dies führe bereits zu erheblichen Einsparungen bei den Fernwärmekosten, da wegen des verbesserten Wärmeschutzes weniger Wärme bezogen werden müsse und dementsprechend die verbrauchsgebundenen Kosten (Arbeitspreis) sinken. „Bei der Novellierung der AVBFernwärmeV fordern wir mehr Augenmaß des Gesetzgebers“, so Dr. Fricke. „Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite die Dekarbonisierung der deutschen Wärmeversorgung gefordert wird, auf der anderen Seite aber durch einseitige Leistungsreduzierungen die Investitionssicherheit der Unternehmen und damit letztlich auch die Versorgungssicherheit gefährdet wird.“
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