Finanzen / Bilanzen

Corporate Spreads auf historischem Tief

Mit der rasanten Erholung der Kapitalmärkte seit Ausbruch der Pandemie ergeben sich neue Risiken für Anleger in Unternehmensanleihen. Welche sind dies genau und wie kann man sich dagegen schützen? Häufig steckt der Teufel auch im Detail.

Wenige haben es zu Beginn der Pandemie für möglich gehalten mit welcher Geschwindigkeit die Kapitalmärkte die Krise hinter sich gelassen haben. Gestützt von Fiskal- und Geldpolitik konnten die Aktienmärkte in vielen Regionen neue Höchststände erklimmen und Corporates Spreads fielen auf Niveaus nahe ihren historischen Tiefständen. Im Vergleich zur Finanzmarktkrise 2008/09 und Eurokrise 2011/12 war die Erholung somit deutlich schneller und ausgeprägter. Trotz der bleibenden Unsicherheit über den weiteren Pandemieverlauf ist die Entwicklung aber auch fundamental gerechtfertigt. Niedrige Unternehmensausfälle und steigende Unternehmensgewinne in 2021 sorgten für ein besseres Bonitätsklima für Unternehmensanleihen.

LBO Risiko

Aber die gute Lage an den Finanzmärkten hat auch Schattenseiten für manche Anleger. Was Aktionäre oft mit hohen Kurssprüngen quittieren, kann Gläubigern schlaflose Nächte bereiten: das Gerücht oder die Bekanntgabe einer fremdfinanzierten Übernahme, sog.  Leveraged Buyouts oder LBOs. Besonders betroffen sind aktuell ehemalige Staatsunternehmen oder andere eng regulierte Emittenten, deren Aktienkurs in der Vergangenheit nicht an der allgemeinen Marktentwicklung partizipieren konnten, oder deren Zerschlagung einen höheren Wert versprechen als der gesamtheitlich bewertete Konzern.

Klassische Unternehmenskäufer sind Private Equity (PE)- Unternehmen wie KKR und CVC, aber auch branchenähnliche Unternehmen (sog. Trade Buyer) zeigen häufig Interesse an einem Zusammenschluss. Problematisch wird es für die Gläubiger dann, wenn sich die Bonität im Zuge einer Übernahme zu verschlechtern droht, was wiederum den Marktwert der Schuldtitel belastet. Dies geschieht immer dann, wenn dem gekauften Unternehmen zur Finanzierung der Übernahme hohe Schulden aufgedrückt werden, oder der Trade Buyer bei der Fusion grundsätzlich bonitätsschwächer ist.

Telekommunikationswerte besonders betroffen 

In den vergangenen Monaten gab es mehrere geplante Übernahmen, die zu empfindlichen Verlusten bei Unternehmensanleihen geführt haben. Insbesondere im Telekommunikationsbereich gibt es aktuell viel Wirbel um den Breitbandausbau, welcher für die Marktführer hohe Gewinne verspricht. Sind diese allerdings Teil eines ehemaligen Staatsunternehmens, wie British Telecom oder Telecom Italia, leidet der Aktienkurs dort häufig unter Altlasten wie ineffizienten Unternehmensstrukturen oder Pensionsdefiziten. Im Fall von British Telecom (BT) hat sich der französisch-israelische Milliardär Patrick Drahi 18% des Unternehmens gesichert, um stärker bei der Entwicklung von BT’s Breitbandsparte Open Reach mitzusprechen. Er sieht aber momentan noch von einer Gesamtübernahme BT‘s ab. Seit sein Interesse bekannt wurde, haben sich die Kosten für eine Ausfallversicherung für BT in Form eines 5-jährigen Credit Default Swaps (CDS) von 0,6% auf 1,2% (Stand: 31.01.22) verdoppelt. Ähnlich ist die Situation bei Telecom Italia (TI), wo KKR Ende November ein Übernahmeangebot bekanntgegeben hat. Der 5-jährige CDS auf TI sprang von 2,1% auf 2,6% an, was auch jeweils mit empfindlichen Verlusten für die Unternehmensanleihen einherging.

Schlagen die Gläubiger zurück? 

Allerdings sind nicht alle Anleihen eines LBO gefährdeten Unternehmens gleich mit Verlusten betroffen. Zum einen hängt dies natürlich mit der Laufzeit der Anleihe und der Position in der Kapitalstruktur (vorrangig/nachrangig) zusammen, aber auch die Ausgestaltung der Anleihe und der aktuelle Preis spielen eine große Rolle. Wenn die Dokumentation eine Kontrollwechselklausel (Change of Control – CoC) enthält, hat der Gläubiger i.d.R. die Möglichkeit die Anleihe im Fall einer bonitätsverschlechternden Übernahme an den Emittenten bei 100% oder 101% des Nominalwerts zurückzugeben.

Jetzt kommt es natürlich darauf an, zu welchem Preis die Anleihe zuvor gehandelt hat. Sollte sie deutlich über 100% Nominalwert (Par) notieren, dann drohen Verluste, aber bei Anleihen mit einem Marktpreis deutlich unter Par – aktuell selten der Fall – kann es sogar zu Kursgewinnen kommen. Die detaillierten Rechte und Pflichten eines Gläubigers verstecken sich aber oft hinter viel Juristenenglisch und Querverweisen in der Anleihendokumentation. Diese muss für eine genaue Einschätzung akribisch gelesen werden – nicht unbedingt jedermanns Sache, aber für jeden ernsthaften Anleger absolut empfehlenswert.

Fazit

Trotz aller Risiken durch fremdfinanzierte Übernahmen können sich Anleihegläubiger mit Erfahrung und Fleiß durch die richtige Auswahl der Anleihen vor größeren Verlusten schützen. Leider sind in den vergangenen Jahren die gläubigerfreundlichen Vereinbarungen immer weiter aus den Anleiheprospekten verschwunden, was primär auf die hohe Nachfrage nach Schuldtiteln zurückzuführen ist.

Nichtsdestotrotz lohnt sich ein Blick in die Dokumentation vor Erwerb. Auch die Vermeidung von Kaufpreisen weit über Par kann im Fall einer hohen Bondkonvexität einen gewissen Schutz vor Verlusten bringen. Denn vermutlich wird uns auch in diesem Jahr das Risiko weiterer M&A Aktivität begleiten.

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