Deutschland muss bis zum nächsten Winter nachbessern
Russische Truppen stationieren sich bereits seit Wochen an der Grenze zur Ukraine. Es steht die Befürchtung im Raum, dass Russland die Ukraine angreifen könnte. Unter anderem fordern die USA deshalb, dass Deutschland im Ernstfall das Projekt Nord Stream 2 auf Eis legt – Russland wiederum könnte in diesem Fall die Erdgaslieferungen an Deutschland einstellen. Welche Bedeutung die russischen Lieferungen einnehmen und was die möglichen Folgen einer Lieferunterbrechung sind, zeigt nun eine neue IW-Studie im Auftrag der Atlantik-Brücke: Deutschland importiert über die Hälfte des benötigten Erdgases aus Russland. Das Geschäft beruht auf Gegenseitigkeit, die Bundesrepublik ist der wichtigste Gasabnehmer, knapp ein Viertel aller russischen Gasexporte landen in Deutschland.
Zwei mögliche Szenarien
Um die Auswirkungen einer Versorgungsunterbrechung abschätzen zu können, stützen sich die IW-Wissenschaftler auf bestehende Simulationsanalysen eines Ausfalls der russischen Lieferungen. Im ersten untersuchten Fall stellt Russland die Lieferungen durch ukrainische Pipelines über die Wintermonate ein, im zweiten dreht Russland den Gashahn nach Europa ganz zu. Im Normalfall ist Deutschland durch seine Speicherkapazitäten und eine gute Anbindung an Flüssiggasterminals von Nachbarländern wie den Niederlanden kurzfristig gut abgesichert. Problematisch könnte es werden, wenn die Speicherstände wie zuletzt nur unzureichend gefüllt sind oder der Winter besonders kalt wird.
Flüssiggas ist entscheidend
In den untersuchten Studien gehen die Wissenschaftler von vollen Gasspeichern aus, weshalb man die Ergebnisse nicht direkt auf die heutige Situation übertragen kann. Zu Beginn dieses Winters waren die Speicher in Deutschland zu rund zwei Dritteln befüllt – in den zwei Jahren zuvor waren es jeweils über 95 Prozent. Dafür könnte die Bundesrepublik die leeren Gasspeicher mittlerweile besser über Flüssiggas (LNG) kompensieren: In den vergangenen Jahren ist der LNG-Markt weltweit kräftig gewachsen. „In welchem Ausmaß Flüssiggas im Krisenfall nach Europa umgeleitet werden könnte, kann nicht sicher vorhergesagt werde“, sagt Studienautor Andreas Fischer. „Unsere Auswertung zeigt aber, dass Deutschland über die notwendige Infrastruktur verfügt, um auf Alternativen zurückgreifen zu können und einen Lieferstopp zumindest kurzfristig auszugleichen.“ Bis zum nächsten Winter sei über verpflichtende Mindestspeicherfüllstände nachzudenken, um eine Wiederholung der angespannten Situation zu vermeiden. Auch der zügige Ausbau der Erneuerbaren Energien senke die Abhängigkeit von Russland.
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