Erfolgreiche Wärmewende gestalten
«Die Klimaneutralität des Wärmemarktes zu erreichen, ist eine riesige Herausforderung und erfordert ein ganzes Bündel an Maßnahmen», erklärt Prof. Rolf Bracke, Leiter des Fraunhofer IEG, und Mit-Herausgeber der aktuellen Geothermie-Roadmap für Deutschland. «Die Marktakteure wie Energieversorger, Industrieunternehmen, Wohnungswirtschaft, Finanzwirtschaft, Politik, Verwaltung, Ausbilder und Kommunen brauchen neue Instrumente für diese komplexe Umsetzungsaufgabe.» Das Strategiepapier soll für alle Akteure die notwendigen Informationen zum geothermischen Wärmeangebot, zur Vielseitigkeit des Wärmemarktes, zur technologischen Realisierung der Wärmewende bereitstellen. Ziel ist es, Handlungsempfehlungen zu geben, um das Potenzial der Geothermie im Sinne der klimaneutralen Wärmeversorgung umzusetzen.
Die Roadmap identifiziert fünf Handlungsempfehlungen, um die Geothermie zeitnah für den Wärmemarkt in Deutschland auszubauen:
- Parlamente und Gemeinderäte sollten klare Ausbauziele formulieren und diese durch entsprechende Gesetzgebung und Satzungen flankieren vom Bundesbergbaugesetz bis hin zur kommunalen Raumordnungsplanung. Als Leitwert können die CO2-Vermeidungskosten der verschiedenen Technologien dienen, um Vergleichbarkeit und Wettbewerb herzustellen.
- Im Wärmemarkt sind kleine und mittlere Unternehmen wie Stadtwerke aktiv, die wirtschaftliche Risiken wie die Exploration von Tiefer Geothermie nur begrenzt tragen können. Daher braucht es Finanzinstrumente zum interkommunalen Risikoausgleich wie staatliche Versicherungen oder revolvierende Fonds, die sich an Projekten finanziell beteiligen. Zudem sollte der Bund die Bundesförderung effiziente Wärmenetze auf über 1 Milliarde Euro aufstocken und die Länder ein flächendeckendes geophysikalisches Erkundungsprogramm aufsetzen, um das Fündigkeitsrisiko der Kommunen zu senken.
- Aus den ein paar Dutzend tiefengeothermischen Anlagen in Deutschland müssen nun Tausende werden. Dazu braucht es Investitionen der Wirtschaft in die Schlüsseltechnologien, um großindustrielle Maßstäbe zu erreichen. Die Schlüsseltechnologien sind Bohrverfahren, Reservoire-Management, Bohrlochwasserpumpen, Hochtemperatur-Wärmepumpen, Großwärmespeichern, transkommunalen Verbundwärmenetzen und sektorübergreifende Systemintegration.
- Die wachsende Geothermie-Branche benötigt keine Energieimporte, sondern führt zu heimischer Wertschöpfung und schafft regionale Arbeitsplätze in Technologieentwicklung und Produktion sowie bei Errichtung und Betrieb der Anlagen. Man kann von ca. 5-10 Vollzeitäquivalentstellen je MW installierter Leistung ausgehen. Um Tausende Fachkräfte fort- und weiterzubilden, braucht es ergänzende Curricula zu den bestehenden Angeboten der Handwerks-, Industrie und Handelskammern.
- Die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen benötigt gesellschaftliche Akzeptanz. Die kommunalen Akteure brauchen daher nicht nur betriebswirtschaftliche und anlagentechnische Strategien. Es ist daher erforderlich, mit Bürgerenergiemodellen, kommunalen Kommunikationsstrategien und transparenten Projekten alle lokalen Interessengruppen mit auf den Weg zur regionalen Wärmewende zu nehmen.
Die nun vorgelegte Roadmap diskutiert den Beitrag der Geothermie zur Wärmewende. Der Schwerpunkt liegt auf den hydrothermalen Reservoiren, also thermalwasserführenden Gesteinen in Tiefenlagen zwischen 400 Metern und 5.000 Metern. Geothermale Wässer können bei Temperaturen zwischen 15 und 180 Grad Celsius aus Tiefbrunnen gefördert werden. Sie sind Jahres- und Tageszeitenunabhängig verfügbar und lassen sich insbesondere für die kommunale Wärmeversorgung, Fernwärme, Wohnungswirtschaft und die Bereitstellung industrieller Prozesstemperaturen nutzen. Die Technologie ist ausgereift und kommt seit Jahrzehnten in vielen europäischen Städten zur Anwendung, etwa in Paris und München.
Der Wärmesektor macht 56 Prozent des nationalen Energiebedarfs aus. Lediglich 15 Prozent der Wärme sind regenerativ. Während Wasserstoff und Biomasse zukünftig in erster Linie den Hochtemperatur-Bedarf der energieintensiven Grundstoffindustrie decken müssen, stehen für Niedertemperatur-Nutzungen unter 200 Grad Celsius insbesondere solarthermische und geothermische Optionen zur Verfügung. Die Vorteile der Geothermie liegen dabei in der Grundlastfähigkeit und dem geringen Platzbedarf auch unter beengten innerstädtischen Verhältnissen.
Die hydrothermale Geothermie (ggf. kombiniert mit Großwärmepumpen) als Wärmequelle für Fernwärmenetze könnte nach den Abschätzungen der Roadmap rund ein Viertel des Gesamtwärmebedarfes Deutschlands decken, also rund 300 Terawattstunden Jahresarbeit bei 70 Gigawatt installierter Leistung. Im Jahre 2020 lieferte bundesweit 42 Anlagen 359 Megawatt installierte Wärmeleistung und 45 Megawatt elektrische Leistung (2020). Zum Aufbau dieser geothermalen Erzeugungsinfrastruktur und zur Anbindung an kommunale Verteilungsinfrastrukturen für Wärme kommen auf öffentliche Haushalte und private Unternehmen in den kommenden 10 Jahren Investitionen in Höhe von 2,0 bis 2,5 Milliarden Euro je Gigawatt installierter Leistung zu. Damit lassen sich wettbewerbsfähige Wärmegestehungskosten von unter 30 Euro je Megawattstunde erzielen.
Das gemeinsame Strategiepapier von Forschenden der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft «ROADMAP TIEFE GEOTHERMIE FÜR DEUTSCHLAND Handlungsempfehlungen für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft für eine erfolgreiche Wärmewende» finden Sie hier.
Zum Redaktionsteam der «ROADMAP TIEFE GEOTHERMIE FÜR DEUTSCHLAND» gehören:
Herausgeber:
Rolf Bracke, Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG),
Ernst Huenges, Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ)
Co-Autorinnen und Co-Autoren:
Simona Regenspurg, Ingo Sass, Daniel Acksel, Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ)
Haibing Shao, Karsten Rink, Uwe-Jens Görke, Olaf Kolditz, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Judith Bremer, Eva Schill, Thomas Kohl, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Marcus Budt, Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT)
Harald Will, Gunnar Grün, Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP)
Gregor Bussmann, Thomas Reinsch, Anja Hanßke, Florian Hahn, Matthias Utri, Dimitra Teza, Florian Amann, David Bruhn, Leo Thien, Clemens Schneider, Fraunhofer (IEG)
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