ISTE zu Stoffstromstudie in der Bodenseeregion: Nachfrage im Vierländereck weiterhin stark – Kurze Transportwege bei Kies, Sand und Schotter
Das Land Baden-Württemberg hatte zur Umsetzung der Maßnahme 12 des Rohstoffkonzeptes Baden-Württemberg diese Stoffstromstudie in Auftrag gegeben, die für die vier betroffenen Länder im Bodenseeraum verschiedene Aspekte zur Rohstoffsicherung, -gewinnung, -verarbeitung und -transport untersuchte. Beißwenger: „Die Rohstoff-Unternehmen auf deutscher Seite haben durch überdurchschnittliche Teilnahme an der Erhebung zum Gelingen der Studie beigetragen.“
Planungstheorie und -praxis
Die Studie gibt einen Überblick über die strukturelle und rohstoffgeologische Ausgangssituation in der internationalen Bodenseeregion. Ebenso wurde das Planungs- und Genehmigungsregime untersucht. Hierbei wird deutlich, dass die Prozesse und Verfahren hinsichtlich der Prüfung der Umweltverträglichkeit zwar vergleichbar sind, aber im konkreten Einzelfall unterschiedliche materielle Schwerpunkte setzen: So werden im Alpenrheintal die Kiesvorkommen durch Nassabbau derzeit kaum genutzt. Beißwenger: „Überraschend ist, dass abweichend von der Planungspraxis in Bayern und Baden-Württemberg in einigen Kantonen in der Schweiz für die Deckung des Rohstoffbedarfs mit Zufuhren aus anderen Ländern gerechnet wird und in Vorarlberg der österreichische Rohstoffplan zumindest für Kiese und Sande nicht oder nicht stringent genug umgesetzt wurde, um die dortigen Bedarfe abdecken zu können. Letzteres mahnt auch eine Untersuchung aus dem Jahr 2018 aus Vorarlberg an. Es wäre im Sinne der gesamten Bevölkerung der Bodenseeregion, dass in allen Teilräumen auf kurzem Wege, und damit kostengünstig, die erforderlichen Rohstoffe bereitgestellt werden können.“ Dies erfordere eine verantwortungsbewusste planerische Abwägung zu Gunsten einer bedarfsbezogenen Rohstoffsicherung in jedem Land unter Beachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Vereinbarkeit der Rohstoffgewinnung mit den Schutzgütern.
Hohe Bedeutung von Recyclingbaustoffen
Zur nachhaltigen Rohstoffversorgung gehört auch die Nutzung von Recyclingbaustoffen. Die in diesem Themenbereich oftmals gelobte Schweiz weist eine Substitutionsquote bei Kiesen von 10 % bis 15 % durch Recyclingbaustoffe auf. „Erfreulicherweise kann Deutschland mit einer Substitutionsquote von 12 % mithalten. Hierdurch werden auf allen Seiten des Sees Lagerstätten geschont, wobei die weitere Entwicklung maßgeblich von der Rückbautätigkeit recyclingfähiger Bausubstanz und der Akzeptanz des Recyclingbaustoffes abhängt“, erklärt der ISTE-Hauptgeschäftsführer.
Fördermengen gestiegen
Die Fördermengen in der internationalen Bodenseeregion sind der Studie zufolge in den vergangenen fünf Jahren weiter angestiegen. Auf den baden-württembergischen Teilraum entfallen zwischen 12,5 und 13 Mio. Tonnen, wovon in der Befragung 69 % erfasst wurden. Die Unternehmen gehen von einer unverändert hohen Nachfrage aus. Dies äußert sich auch darin, dass rund zwei Drittel der Werke sich in einem Genehmigungsverfahren befinden oder ein solches vorbereiten.
Kurze Transportwege
Mehr als die Hälfte der gewonnenen Rohstoffe wird in einer Distanz von unter 20 km verwendet, weitere 30 % innerhalb von 50 km und die übrigen rund 20 % werden weiter als 50 km transportiert. Die Studie geht davon aus, dass je nach Produkt bereits ab einer Entfernung von 20 bis 40 km die Transportkosten den Warenwert übersteigen und Lieferungen ins höherpreisige Ausland nur bei max. 20 km zusätzlicher Entfernung gegenüber dem üblichen Liefergebiet wirtschaftlich sinnvoll sind und darüber die Vorteile aufgrund des erzielbaren Produktpreises aufgezehrt werden. Somit sind Lieferverflechtungen der see-nahen Standorte erwartungsgemäß höher als von see-fernen Werken. Folglich weist die Untersuchung für den grenznahen, verkehrsgünstig gelegenen Landkreis Konstanz einen überdurchschnittlichen Verkaufsanteil in die benachbarten Kantone der Schweiz mit von 13 % aus. Beißwenger: „Insgesamt dominiert in der internationalen Bodenseeregion die Eigenversorgung der jeweiligen Teilräume hinsichtlich der dort verfügbaren Rohstoffgruppen. Die Ausfuhren aus dem deutschen Teilraum bewegen sich somit weiterhin innerhalb eines langjährigen Korridors.“
Preisgestaltung
Die Studie hat hinsichtlich der Rohstoffpreise wichtige Erkenntnisse geliefert: So ist der Preis von ungebrochenen Kies- und Sandprodukten (nach Abbaumenge gewichteter Medianwert) in Deutschland und der Schweiz nahezu identisch, während er in Österreich deutlich höher liegt. Für höher veredelte, gebrochene Produkte ist er hingegen in der Schweiz und Österreich vergleichbar, während er in Deutschland niedriger liegt. Dies lässt den Schluss zu, dass den eidgenössischen Produkten die hohen Aufbereitungskosten und den Vorarlberger Produkten höhere Gewinnungskosten Kostennachteile entstehen lassen. Hinzu kommen die rund doppelt so hohen Transportkosten in der Schweiz. Beißwenger: „Die Studie formuliert klar, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass Rohstoffe aus grenzfernen Regionen nur deshalb transportiert werden, weil sich im Ausland höhere Erlöse erzielen ließen. Vieles deutet darauf hin, dass neben der Nachfrage, die Entfernung zur Zielregion die entscheidende Determinante dafür ist.“
Langfristige Konzepte schaffen
Die Studie liefert einen interessanten Einblick in die rohstoffgewinnende und -verarbeitende Industrie rund um den Bodensee. Es wird deutlich, dass überall politische, planerische und genehmigungsrechtliche Hürden unterschiedlichster Ausprägung in einem vergleichbaren System bestehen, um den Bedarf nach mineralischen Rohstoffen zu decken. Beißwenger: „Am Markt bestehen Verflechtungen, die aber keine systemischen Disparitäten abbilden, sondern von der Nachfrage nach mineralischen (Bau-)Rohstoffen und Transportkosten getrieben sind. Die Studie untermauert daher auch für das Gebiet der internationalen Bodenseeregion, dass mineralische Rohstoffe – noch – die bei weitem kürzesten durchschnittlichen Transportdistanzen aller Güter aufweisen und es sich dabei um einen kleinräumigen Markt handelt.“
Politik und Behörden der jeweiligen Länder sind nach Auffassung des ISTE aufgerufen, in ihrer Zuständigkeit die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in allen Teilräumen die Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen möglichst dezentral und auf kurzen Wegen befriedigt werden kann. Beißwenger: „Hierzu sind schnellstmöglich langfristige und umsetzungsorientierte Konzepte und Pläne zu erarbeiten und Genehmigungen zum Erfolg zu führen. Dies kann schließlich auch in allen Teilräumen zur Akzeptanz beitragen, wenn jede Raumschaft ihr Möglichstes für die eigene Versorgung mit Kiesen und Sanden leistet.“
In Baden-Württemberg gibt es rund 500 Unternehmen, die mineralische Rohstoffe gewinnen, weiterverarbeiten oder gebrauchte mineralische Rohstoffe recyceln. Insgesamt geschieht dies in rund 800 Werken mit 15.000 Beschäftigten. Diese Branche erwirtschaftet einen Gesamtumsatz von rund 5 Milliarden Euro pro Jahr im Land.
Pro Einwohner und Jahr müssen rund 10 Tonnen Material der Erde entnommen werden, damit Häuser, Bürogebäude, Straßen, Bahnlinien und Radwege gebaut werden können. Insgesamt werden so jährlich 100 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe gewonnen und benötigt. Ziemlich genau entspricht das einem Kilogramm mineralische Rohstoffe pro Einwohner und Stunde. Gebrauchte Baustoffe werden durch Baustoffrecycling im Kreislauf gehalten. So wird bereits heute ca. 90 Prozent des Bauschuttes und Straßenaufbruchs recycelt.
Der ISTE wurde bereits sechs Jahre vor dem Land Baden-Württemberg im März 1946 als "Fachverband Steine und Erden Württemberg und Baden e.V." gegründet. Seitdem hat er sich zu einem modernen, dienstleistungsorientierten Wirtschafts- und Arbeitgeberverband entwickelt.
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