Kein Lächeln für den Zauberer, ein Bechstein-Flügel im Garten und ein Besuch von einem Ritter – Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
Drei wunderbare Liebesgeschichten erzählt Waldtraut Lewin in „Viktoria von jenseits des Zauns“.
Der mittelalterliche Lübecker Bildschnitzer und Maler Bernt Notke steht im Mittelpunkt des Romans „Türme am Horizont“ von Renate Krüger, der in der Hanse-Zeit spielt.
Einen Faxenmacher präsentiert uns Volker Ebersbach in „Peter auf der Faxenburg“. Und es steht nicht gut um Peter, der es sich mit fast allen anderen Leuten verdorben hat, sogar mit seinem Freund Uwe. Doch da passiert eines Abends etwas höchst Überraschendes ….
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Wenn man sich nach den Mechanismen fragt, wie und warum Kriege stattfinden und wer dafür verantwortlich ist, in diesem sehr sorgfältig recherchierten historischen Report kann man es sehr gut nachvollziehen. Es gibt ziemlich eindeutige schlechte Gründe dafür.
Erstmals 1960 veröffentlichte Wolfgang Schreyer im Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung der DDR Berlin „Entscheidung an der Weichsel. Dokumentarbericht über Vorgeschichte und Verlauf des Warschauer Aufstandes“: Wolfgang Schreyers erstmals 1954 erschienener Roman „Unternehmen Thunderstorm“ war 17 Jahre lang im Buchhandel erhältlich, insgesamt wurden 200 000 Stück verkauft. In seinem autobiografischen Roman „Der zweite Mann“ schreibt er: „Jede mir zugängliche Quelle, jeden erreichbaren Zeitzeugen befrage ich, sitze in Lesesälen, zapfe aus Ost und West alles an, bis sich ein Bild formt in mir … Am Triumph nagt nur ein Zweifel: Trifft die Deutung des Geschehens, der ich gefolgt bin, auch restlos zu? Hätte die Rote Armee zwar nicht im August, aber vielleicht doch im September 1944 Warschau nehmen und die letzten Aufständischen retten können?“
Die Rechercheergebnisse zu seinem Roman wurden in dem Sachbuch exakt, verständlich und gut lesbar dargestellt. Das Buch schildert den Warschauer Aufstand, wie er war, es verschweigt nichts. Der Autor enthüllt die Methoden internationaler Spionagedienste, beschreibt das von den Engländern geplante militärische Großunternehmen im Detail, die Rolle der Generale, Konzerndirektoren und Diplomaten, die Gräueltaten der SS, Verhandlungen in Moskau ebenso wie Operationen der Roten Armee. Hier ein bemerkenswerter Auszug aus dem Report, der die Hintergründe sichtbar macht:
„Wie der Profit es befahl
Damals wie heute brauchten Deutschlands Imperialisten Männer, die zugunsten ihrer Geschäftsinteressen nicht nur imstande waren, unseren Nachbarn finsterste Gewalt anzutun, sondern auch fähig, geplantes und schon begangenes Unrecht akademisch zu begründen. Henkersknecht Dr. Oberländer rechtfertigte ihre Expansionspolitik nachträglich, als er im April 1940 in Heft 45 einer „landwirtschaftswissenschaftlichen“ Nazizeitschrift schrieb: „Rom und Griechenland sind an der Vergiftung der rassischen Struktur zugrunde gegangen. England und Frankreich gehen einen ähnlichen Weg. Die Eindeutschung der Ostgebiete muss in jedem Falle eine restlose sein. Solche Maßnahmen vollständiger Aus- und Umsiedlung mögen für die Betroffenen hart erscheinen …, aber eine einmalige Härte ist besser als ein durch Generationen währender Kleinkampf. Reinhaltung der Rasse und eigenvölkische dichte agrarische Unterschicht sind nur möglich, wenn das fremde Volkstum voll und ganz das Land verlässt.“
Inzwischen hatten die Nazis Westpolen kurzerhand dem Reich einverleibt. Oberländers Thesen und das Schlagwort vom „Lebensraum“ sollten schrankenlose Annexionen bemänteln. Bis auf wenige Kilometer schob man die deutsche Grenze an Warschau heran. Die Bewohner der geraubten Provinzen wurden in ein südpolnisches Restgebiet gewiesen, das sogenannte Generalgouvernement. Es war als Slawenreservat gedacht. Die Polen sollten dort arbeiten oder sterben.
Fünf Jahre lang regierten hier Armut und Furcht. Kein Pole durfte eine Mittelschule besuchen, geschweige denn studieren. Nach Einbruch der Dunkelheit hatte niemand die Wohnung zu verlassen. Es wurde ohne Warnung geschossen. Auch tagsüber jagte man Menschen. Polizei und SS griffen wahllos Passanten auf und schleppten sie zur Zwangsarbeit nach Deutschland. Hunderttausende Warschauer gingen, durch ein „P“ als „minderrassig“ gekennzeichnet, diesen bitteren Weg. In der Stadt selbst schufteten 35 000 Metallarbeiter für die deutsche Rüstung. Ihr Lohn: wertlose Zlotys.
„Wir denken hier imperial im größten Stil aller Zeiten“, verkündete Generalgouverneur Frank im alten Königssaal der Krakauer Burg. „Dem Imperialismus, wie wir ihn entwickeln, ist kein Vergleich vergönnt mit jenen kläglichen Versuchen früher in Afrika … Wir haben hier ein gigantisches Arbeitslager, wo alles, was Macht und Selbstständigkeit bedeutet, in den Händen der Deutschen ist.“ Die anwesenden Distriktchefs, Regierungsdirektoren, Wehrmachtsoffiziere, Arbeitsdienst-, HJ- und SS-Führer, Ministerialräte, Amtsleiter, Bankdirigenten und Vertreter der deutschen Großindustrie spendeten Beifall.
Franks unglaubliches Tagebuch schildert, wie von Jahr zu Jahr höhere Ernteaufkommen aus dem Generalgouvernement herausgepresst wurden. Das 142 000 Quadratkilometer große Land hätte seine 17 Millionen Einwohner ernähren können: Doch die Lebensmittel rollten nach Deutschland. Drei Scheiben Brot am Tag blieben für die Polen übrig. Wem das nicht reichte, der konnte auf dem schwarzen Markt ein Pfund Fleisch für 40, ein Brot für 18 oder ein Pfund Speck für 80 Zloty kaufen – bei einem Monatslohn von 90 bis 230 Zloty.
Während das Volk verelendete, griffen Deutschlands Wirtschaftsführer nach der polnischen Industrie. Vor Kriegsausbruch hatten 43 Prozent des Gesamtkapitals aller polnischen Aktiengesellschaften ausländischen Firmen gehört, meist französischen. Kraft Mehrheitsbeteiligung kontrollierten westeuropäische Banken Polens Steinkohle, sein Erdöl, seine Stromerzeugung, Bahnen und Zinkgruben. Nach dem Einmarsch änderte sich das Bild. Deutsche Konzernbeauftragte, genannt Treuhänder, besetzten die Betriebe.
Ende 1939 schon fielen Milliardenwerte den deutschen Unternehmern als erste Kriegsfrucht in den Schoß. Durch Scheinkäufe brachten sie nach und nach fast alle Aktien an sich. Das Großkapital war der eigentliche Nutznießer des Polenfeldzugs. 10 000 deutsche Soldaten kamen bei diesem Raubzug um; die Industrie stieß sich gesund.
Am Beispiel des IG-Farben-Konzerns wird deutlich, welch entscheidende Rolle Deutschlands Großindustrie bei der Ausbeutung des unterjochten Landes spielte. Keineswegs begnügte sich die IG-Farben damit, drei der größten chemischen Fabriken Polens (Boruta, Wola und Pobjanice) für einen Spottpreis zu erwerben und an dem Lohngefälle zu verdienen. Vielmehr setzte sie die Errichtung betriebseigener KZ-Lager durch und ließ sich von enormen Häftlingsarmeen neue Anlagen, besonders zur Produktion synthetischen Kautschuks, bauen.
Als einer der Standorte zur Bunaerzeugung wurde das südpolnische Monowitz gewählt, weil Kohle, Kalk und Weichselwasser nahe waren und des benachbarte KZ Auschwitz den Arbeitskräftebedarf billigst deckte: 4 Mark zahlte der Konzern dem Reich für jeden gelernten, 3 Mark für den ungelernten Häftling pro Tag, was einem Stundenlohn von 30 Pfennigen entsprach. Keine Staatsstelle zwang die IG-Direktion dazu, sich dieser Arbeitssklaven zu bedienen. Sie handelte ganz aus eigner Initiative, im Interesse weiterer Profiterhöhung.
Etwa 400 000 Häftlinge gingen durch das IG-Lager Monowitz, einen Ableger des sieben Kilometer entfernten Todeslagers Auschwitz. Nur ein winziger Bruchteil hat die grausamen Antreibermethoden, die barbarischen Unterbringungs- und Ernährungsbedingungen überlebt. Allein beim Bau eines der hundert Meter hohen Bunaschornsteine kamen 3000 Menschen um.“ Und damit zu den ausführlicheren Vorstellungen der anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters.
Erstmals 2006 erschien im cbj in der Verlagsgruppe Random House München „Der kleine Zauberer Sim Salabim“ von Maria Seidemann: Leona ist ganz schön überrascht, als plötzlich ein fremder Junge vor ihr Fahrrad springt und sich als Zauberschüler Sim Salabim vorstellt. Natürlich glaubt sie ihm kein Wort! Doch als Sim sich unsichtbar macht, ist Leona völlig aus dem Häuschen. Einen richtigen Zauberer zum Freund zu haben, das ist schließlich etwas ganz Besonderes! Zusammen mit Sim stolpert sie von einem Abenteuer ins nächste – und dabei stellen die beiden nicht nur die Schule gehörig auf den Kopf. Und so lernen sich Sim und Leona kennen:
„Ein Zauberschüler aus Mutabor
Sim Salabim hat die kleine Stadt hinter sich gelassen. Zu beiden Seiten der einsamen Landstraße erstrecken sich die Wiesen unter dem strahlenden Sommerhimmel.
Sim schenkt der schönen Landschaft keinen einzigen Blick. Seit zwei Stunden sitzt er schon auf der Bank an der Bushaltestelle. Auch ohne Uhr weiß er, wie viel Zeit vergangen ist. Im Land Mutabor hat niemand eine Uhr. Uhren sind etwas für Menschen ohne Zauberkraft.
Sim ist verzweifelt. Er hat sich das alles ganz anders vorgestellt. Das wird herrlich, hat er gedacht – drei Tage Ferien von der Zauberschule, fort aus Mutabor! Endlich die geheimnisvollen Moz kennen lernen, die es schaffen, ganz ohne vorgeschriebene Zauberformeln zu leben! Die keine Zaubersprüche brauchen, um sich von einem Ort zum anderen zu bewegen, sondern Autos und Fahrräder benutzen! Und wenn sie in andere Welten schauen wollen, nehmen sie nicht den verbotenen schwarzen Spiegel, sondern schalten einfach ihre Computer an – super!
Vorhin in der Stadt hat Sim mehrmals versucht, mit einem Moz ein Gespräch anzufangen – ganz egal mit wem. Die Straßen waren voller Menschen, aber nicht ein einziger blieb stehen, niemand antwortete ihm, keiner erwiderte sein Lächeln. Irgendwann bekam Sim Hunger und ging in eine Bäckerei. Seine Eltern hatten nicht daran gedacht, dass er für seine Reise zu den Moz ein bisschen Geld brauchen würde. In Mutabor gibt es kein Geld. Der Bäcker scheuchte Sim aus dem Laden und schimpfte ihn einen Bettler. Dabei wollte Sim gar nicht betteln. Er wollte nur den Bäcker mit seiner Gedankenkraft dazu bringen, ihm ein Hörnchen zu schenken. Aber man kann nicht zaubern, wenn man aufgeregt ist oder Angst hat – das weiß jeder Zauberschüler in Mutabor.
Als Sim aus der Bäckerei kam, stürzten sich zwei große Jungen auf ihn und drehten ihm die Arme auf den Rücken. Sie verlangten seinen Hut als Lösegeld. Sim schaffte es, zwei grüne Blitze aus seinen Augen zischen zu lassen. Als die Jungen ihn erschrocken losließen, rannte er weg. Er hörte nicht auf zu rennen, bis er bei der Bushaltestelle angekommen war und erschöpft auf die Bank fiel.
„Im schwarzen Spiegel haben mir die Moz viel besser gefallen“, denkt Sim traurig.
Wenn jetzt nur Mama Abra und Papa Hokus ganz zufällig in den schwarzen Spiegel schauen und sehen würden, wie jämmerlich sich ihr Sohn fühlt! Dann würden sie bestimmt sofort herbeieilen und ihn über die magische Grenze bringen, heim nach Mutabor.
„Mama Abra! Papa Hokus! Holt mich nach Hause, bitte!“
Auf einmal sieht Sim jemanden die Straße entlangkommen. Ein Mädchen auf einem Fahrrad!
Sim will sich nicht wieder vergeblich auf seine Zauberkraft verlassen. Er springt von der Bank und stellt sich auf die Straße.
Das Mädchen hält an. „Was ist? Ich hab’s eilig!“
„Ich – ich …“, stammelt Sim.
„Du heulst ja!“, stellt das Mädchen fest. „Was ist los?“
„Ich warte hier schon zwei Stunden auf den Bus, und …“
„Hier kommt heute kein Bus mehr“, unterbricht ihn das Mädchen. „Das ist doch die Haltestelle für den Schulbus. Hast du dich verlaufen? Wo willst du denn hin?“
„Ich weiß nicht. Ich wollte einfach nur einen Moz kennen lernen und mich mit ihm anfreunden. Ich bleibe ja sowieso bloß drei Tage, dann muss ich zurück.“
„Einen Moz? Was soll das denn bitte schön sein?“
„So nennen wir die Menschen ohne Zauberkraft. Ich bin ein Zauberschüler aus dem Land Mutabor und heiße Sim Salabim.“
„Veralbern kann ich mich selber, du Spinner“, sagt das Mädchen und schwingt sich wieder auf den Sattel.
Aber Sim hält den Fahrradlenker fest. „Bitte, du musst mir helfen! Ich lüge nicht! Ich kann wirklich zaubern!“
Das Mädchen lacht verächtlich. „Also, wenn ich zaubern könnte, würde ich nicht heulend am Straßenrand sitzen, das kannste glauben! Da würde ich mir selber helfen.“
„Ja, das dachte ich auch“, sagt Sim traurig. „Aber ich bin kein guter Schüler und habe noch nicht viel gelernt. Was soll ich machen, damit du mir glaubst? Manches kann ich schon richtig gut. Ich könnte zum Beispiel ein Gewitter aufziehen lassen, mit Sturm und Hagel und Blitzschlag! Das geht ganz schnell.“
„Bist du verrückt? Hier ist nicht mal was zum Unterstellen. Zaubere uns lieber eins, zwei, hopp zum Ponyhof! Ich muss zu meiner Reitstunde!“
Sim schüttelt den Kopf. „Fliegen lerne ich erst in der sechsten Klasse. Aber ich kann mich unsichtbar machen!“
„Das glaubst du doch selbst nicht“, sagt das Mädchen.
Sim schließt die Augen. Er fasst an seinen Hut, nimmt all seine Kräfte zusammen und murmelt den vorgeschriebenen Zauberspruch. Es klappt!
„He, wo bist du denn? „, ruft das Mädchen verblüfft. „Das ist ein toller Trick, wirklich! Ich hab nicht geglaubt, dass es echte Zauberer gibt! Kannst du vielleicht auch die Zeit anhalten? In fünf Minuten fängt meine Reitstunde an!“
Sim wird wieder sichtbar. Er überlegt. „Ich könnte dein Fahrrad beschleunigen! Wenn du mich mitfahren lässt …?“
„Kannst du das wirklich? Na los, setz dich auf den Gepäckträger! Ich heiße übrigens Leona.“
„Festhalten, Leona!“, ruft Sim und schwingt sich auf den Gepäckträger. Das Fahrrad saust los wie ein Rennwagen.
Erstmals 1981 erschien im Kinderbuchverlag Berlin „Viktoria von jenseits des Zauns“ von Waldtraut Lewin: Schon die alten Römer haben es gewusst: Nichts ist vielgestaltiger als die Liebe, heißt ein antikes Sprichwort.
Wenn dann noch Zauberhaftes, Überirdisches ins Spiel kommt, kann man sich auf diese und jene Überraschung gefasst machen.
Da haben wir zum Beispiel Justinus, einen jungen Mann, der dichten kann, malen und Musik machen, aber trotzdem so arm ist wie eine Kirchenmaus – was ja noch nichts Besonderes ist.
Zum Glück vererbt ihm seine Tante Antonia ein schönes Haus mit Garten, und mit dem schönen Haus kommt auch der Wohlstand zu ihm, denn auf einmal wird er berühmt.
Um seinen Garten noch ein bisschen auszuschmücken, kauft er sich eines Tages auf dem Markt einen Pfau – einen lebendigen natürlich!
Und damit fängt alles an. Dieses mit Sprache begabte Tier ist nämlich der Abgesandte einer Schönen aus der Anderswelt. Ist sie eine Göttin, eine Unsterbliche, ein Wesen von einem anderen Stern?
Justinus wird das nie herausbekommen. Er ist glücklich, dass er ein Stück Lebenszeit mit der herrischen, launischen, wundersamen Person verbringen kann, die ihn inspiriert zu den herrlichsten Bildern, Liedern und Geschichten. Als sie dann geht – denn solche Wesen binden sich nicht für lange – hinterlässt sie ihm seine Kunst. Und von Zeit zu Zeit, man weiß nie wann, schaut sie auch mal vorbei.
Ganz anderes widerfährt dem Bauern Hans. Der fährt in die Stadt, um sich eine Braut zu suchen – dabei sitzt seine Auserwählte schon die ganze Zeit bei ihm zu Haus. Das weiß er bloß nicht. Wer kommt auch schon darauf, dass einer seine Hauskatze heiraten will?
Aber Dorothea – so heißt die schwarze Mieze – weiß ganz genau, was sie will. Und mit ihr die drei alten und weisen Frauen, die Hüterinnen des Dorfes. Denn um Klein Siehstumichnich ist es schlecht bestellt. Die Jungen sind in die Stadt abgewandert, die Häuser verfallen und die Äcker werden nur notdürftig bestellt. Da muss Abhilfe geschaffen werden. Und deshalb muss Hans heiraten und viele Kinder kriegen, damit wieder Leben in die Bude kommt!
So wird Dorothea zur Menschenfrau, und die drei Alten spannen ihre ganze Zauberkraft ein, um Hans aus der Stadt zurückzuholen.
Zum Glück hat er das Brautkleid schon gekauft.
In der dritten Geschichte sind zwei sehr ungleiche Kinder die Helden.
Viktor, das Wunschkind der reichen Frau, ist blond, schön, verwöhnt und verhätschelt. Dass die Mutter für das Geschenk dieses Kinds einem Geist etwas versprochen hat, das sie dann nicht hält, bewirkt einen Fluch: Viktor kann nicht glücklich werden. Sobald er etwas hat, scheint es ihm wertlos, und er sehnt sich nach etwas anderem.
Das Nachbarskind Viktoria ist aus anderem Holz geschnitzt. Sie ist die Tochter armer Leute, gewohnt, anzupacken, wo es nötig ist und – hoffnungslos in Viktor verliebt.
Um ihn zu gewinnen, versucht sie, seine Wünsche zu erfüllen, ohne zu wissen, dass bei ihm jeder erfüllte Wunsch nur den nächsten hervorbringt. So scheut sie keine Mühe, sie eilt an den Nordpol zu den Eskimos und in den glühenden Sand der Wüste, doch Viktor bleibt ungerührt.
Schließlich weiß sie: Sie muss ihn verlassen, wenn sie ihn lebendig machen will.
Liebe ist Schmerz für die beiden.
Nun endlich kann Viktor erkennen, welchen Wert Viktoria für ihn hat. Er reist ihr nach. Ob er sie je erreichen wird? Aber schauen wir erst einmal bei dem vielseitig talentierten Justinus vorbei – und in seinen Garten, der ein bisschen anders ausschaut als andere, gewissermaßen gewöhnliche Gärten:
„DIE BRAUT UND DER PFAU
Es war einmal ein großer Garten, in dem wuchs kein Kohl, kein Klee und keine Kartoffel, ja nicht einmal ein Pfirsichbäumchen, obwohl ein Pfirsichbäumchen etwas sehr Schönes ist: Im Frühling hat es rosa Blüten, und im Sommer trägt es Früchte mit samtigen Backen, so süß sind die, dass einem in Gedanken daran das Wasser im Mund zusammenläuft.
Aber in unserem Garten gab es kein Pfirsichbäumchen, von anderem Obst und Gemüse ganz zu schweigen. Hier gab es nur weiches, grünes, glattes Gras, in dem hin und wieder eine Sternblume blühte oder eine Kuckuckslichtnelke, und hohe stille Bäume standen darin, deren Stämme so glatt waren wie seidene Strümpfe. Zwischen dem Gras und den Bäumen stand ein gelbes Haus mit einem Balkon, Torbögen und freundlichen Fenstern.
In dem Haus wohnte ganz allein ein junger Mann, der Bilder malte, Musik machte und Geschichten schrieb. Das gelbe Haus und den großen Garten hatte er von seiner seligen Tante Antonia geerbt, und es war ihm sehr recht gewesen, denn vorher wohnte er in einem winzigen Stübchen im Seitenflügel eines alten Mietskastens, gleich neben dem Klo, und vom Fenster aus sah man nichts als die Wand eines anderen Mietskastens. Da fällt es einem manchmal ziemlich schwer, sich Geschichten auszudenken, vom Bildermalen und Musikmachen ganz zu schweigen.
Deshalb war der junge Mann sehr froh, als er von seiner Tante Antonia das schöne gelbe Haus und den stillen Garten erbte. Seine Freunde rieten ihm zwar, unter den hohen Bäumen Mohrrüben zu säen und Kohlrabi zu pflanzen, aber der junge Mann machte sich nichts aus Mohrrüben und Kohlrabi. Er pflanzte stattdessen Malven, wilden Wein und Kletterrosen, und alles gedieh ihm prächtig, denn er war der Sohn eines Gärtners und verstand was von Pflanzen.
Da war er so vergnügt, dass er jeden Tag ein Lied schreiben, jeden dritten Tag eine Geschichte erzählen und jeden Monat ein Bild malen konnte – denn das ist das Schwerste -, und er lebte zufrieden in seinem gelben Haus.
Justinus – so hieß der junge Mann – war recht arm. Er trug jahraus, jahrein die gleichen ausgefransten Jeans und den gleichen Pullover, im Sommer rannte er barfuß, um Strümpfe zu sparen, und im Winter trug er mit Heu ausgestopfte Filzstiefel, auch um Strümpfe zu sparen. Außerdem besaß er ein lustiges rotes Halstuch, einen schwarzen Regenschirm und einen Schafpelz zum Schutz vor der Kälte. Er hatte lange schwarze Haare, die er, damit sie ihn nicht an der Nase kitzelten, mit einem Band im Nacken zusammenfasste. Manchmal trug Justinus auch einen Bart – wenn er nämlich vergaß, sich zu rasieren. Und er war ziemlich vergesslich.
Nun auf einmal hatte er einen schönen Garten und darin ein Haus, und wie es mit dem Glück so ist, es wirft immer Junge: Justinus‘ Lieder, Bilder und Geschichten gefielen den Leuten, und er bekam eine ganze Menge Geld für sie.
Also überlegte er, was er kaufen könnte, und dachte: Bisher habe ich nur eine Gitarre gehabt, wie viel besser müsste ich doch Lieder komponieren können, wenn ich einen Flügel hätte wie die Pianisten im Konzert. Hin ging er und kaufte sich einen Flügel. Es war ein sehr schöner Flügel aus braunem Holz, mit schwarzen und weißen Tasten, und wenn er diese, seine Zähne, zeigte, konnte man außerdem lesen, dass er von der Firma Bechstein stammte.
Mit dem Kauf dieses Flügels fing die ganze Sache an.
Denn als die Männer in den verschwitzten Overalls mit den Ledergurten kamen, sechs an der Zahl, und den Flügel zu Justinus brachten, stellte sich heraus, dass das Instrument durch keine Tür passte, weder mit noch ohne Beine, weder hochkant noch schräg seitlich, noch zuerst mit den Tasten, noch umgekehrt und schon gar nicht von oben seitlich und überhaupt nicht. Die Tante Antonia hatte zu kleine Türen in ihr gelbes Haus bauen lassen.
Da war nun guter Rat teuer. Die Männer in den verschwitzten Overalls mit den Ledergurten zuckten die Achseln, wischten sich den Schweiß von der Stirn, tranken jeder zwei Flaschen Berliner Bier und wollten schon nach Empfang eines gehörigen Trinkgeldes für weitere Berliner Biere losziehen und den schönen Flügel einfach vor der Tür stehen lassen, da rief Justinus verzweifelt: „Aber Kollegen! Das könnt ihr doch nicht machen! Ich kann ja gar nicht mehr in mein Haus!“
Und als die Männer zum zweiten Mal die Achseln zuckten, hatte er einen Einfall und sagte: „Dann stellt ihn wenigstens mitten auf den Rasen, damit er richtig schön zur Geltung kommt.“
Darauf ließen sich die Männer ein, sie hakten die Gurte wieder um den Leib des Flügels, sagten: „Und-zu-gleich“, hoben ihn an und trugen ihn so sanft wie die Sanitäter einen Verletzten mitten auf den schönen grünen Rasen im Garten des Justinus. Dann sagten sie „Mahlzeit“ und gingen.
Justinus war glücklich. Er holte sich einen Küchenstuhl heraus, setzte sich an seinen Bechstein und ließ sich die herrlichsten Melodien einfallen. Als es Abend wurde, legte er eine Decke über den Flügel, damit der vom Nachttau keine Erkältung kriegte und etwa heiser würde. Er ging zu Bett, und noch im Schlaf fiel ihm die Musik ein, die er in der Frühe komponieren wollte.
Das ging nun eine ganze Weile so, solange der Wetterbericht von Tiefs, Regenfronten und Sturmzonen erzählte. Aber dann wurde eine lange Schönwetterperiode angekündigt, und Justinus stutzte und sagte zu sich: „O weh, wir werden wohl Regen bekommen. Was wird mit meinem schönen Bechstein auf der Wiese? Ich werde ihm ein Schutzdach bauen müssen.“
Da war er nicht faul und schlug ein paar Wäschestützen in den Boden, in deren Gabeln legte er Bohnenstangen, überflocht das Viereck mit Stroh und deckte es schließlich mit großen Borkenplatten ab. Er arbeitete von früh bis spät, so dass er rote Backen bekam und das Haar ihm ins Gesicht fiel. Schließlich flocht er sich einfach einen Zopf, da hatte er Ruhe.
Und als der Mond hinter Dunst und Wolken aufging, stand das Dach und sah traulich und rechtschaffen aus, so dass man sich richtig freuen konnte.“
Erstmals 1982 veröffentlichte Renate Krüger im Leipziger Prisma-Verlag Zenner und Gürchott „Türme am Horizont. Roman über den mittelalterlichen Lübecker Bildschnitzer und Maler Bernt Notke“: Jahrhundertelang beherrschte die Hanse den Handel von Brügge bis Nowgorod. Hoch aufragende Kirchtürme begrüßten die Seefahrer in den Städten an der Ostsee. Als der Stern der Hanse zu sinken begann, versuchte man von Lübeck aus, die fern gelegenen Handelsplätze durch kulturelle Einflussnahme an sich zu binden. So verpflichtete der Rat auch den Maler und Münzmeister Bernt Notke (geb. um 1430/40, gest. 1509), dessen Stil tonangebend wurde für die Bildkunst und Plastik der Ostseeländer um 1500. Hauptstrang des Romans ist das Leben des Ich-Erzählers Henning Schnytker, eines Malers aus Wismar, der im Gefolge von Bernt Notke die Hansestädte an der Ostseeküste der Reihe nach kennenlernt. Im Mittelpunkt steht das Gemälde des Totentanzes von Bernt Notke, das für Henning Schnytker zum Schicksal wird. Er bringt ein Fragment der Leinwandrolle nach Reval, dem estnischen Tallinn, und beginnt dort ein neues Leben, unabhängig von den weitausgreifenden Machtinstrumenten Lübecks. Das spannende Buch erschien auch in estnischer Sprache. Hier der Anfang des Berichtes des Ich-Erzählers Henning Schnytker – in deutscher Sprache:
„1. Kapitel
Im Schatten der Wismarer Marienkirche wuchs ich auf, ich, der Maler Henning Schnytker. Man hat es schwer, neben einem solchen Turm zu wachsen. Ich fühlte mich immer klein.
Mein Vater, Jost Schnytker, besaß ein festes steinernes Bürgerhaus mit Treppengiebel und glasierten Ziegeln in der Straßenfront, das sich neben der riesigen roten Kirche freilich auch klein genug ausnahm.
Ehrlich gesagt – ich hatte Angst vor der Marienkirche und wagte es lange Zeit nicht, meinen Kopf ganz hinten in den Nacken zu legen, ihn furchtlos hängen zu lassen, damit meine Augen die Turmfassade hinaufklettern konnten bis dorthin, von wo das Glockensausen kam, das uns Schweigen und Ehrfurcht gebot. Wenn geläutet wurde, verstummte in unserem Hause das Gespräch. Man hätte auch ohnehin kein Wort verstanden.
Mein Vater war Maler, wie auch mein Großvater Maler gewesen war und wie auch ich einer wurde – was denn sonst? Ich lernte die Kunst in der Werkstatt meines Vaters, verlor mit zunehmenden Jahren die Angst vor der großen Kirche mit ihrem hohen Turm, gewann ihn sogar lieb, denn der Glöckner ließ mich, sooft ich es wollte, aus der Glockenstube über Land und Meer schauen. Immer wieder zeigte er nach Westen und sagte: „Dort liegt Lübeck!“ Und manchmal war mir, als sähe ich die Lübecker Türme am Horizont, so wie man von der Insel Poel aus die Türme am Wismarer Horizont sieht. Ich genoss diesen Anblick oft, denn der Bruder meiner Mutter besaß auf Poel ein Bauerngut.
Ich war ein eifriger, wissbegieriger Lehrling, mein Vater konnte sich mit mir sehen lassen. Wir malten Altartafeln und kleine fromme Bilder für Klöster und Wismarer Bürger; wir hatten genug zu tun. Es ging uns gut. Die Einnahmen flossen reichlich.
Mein Vater vergrößerte das Haus und die Werkstatt. Lehrlinge aus weniger angesehenen Familien wies er ab. Er war zeitweilig auch Armenpfleger der Stadt, hatte einen Sitz unter den Vorstehern des Heilig-Geist-Spitals und rückte sogar in den Wismarer Rat auf. In diesen Jahren malte er nur noch wenig und setzte alle Hoffnung auf mich: Ich sollte sein Haus leiten und die großen Aufträge ausführen. Ich sollte dem Namen Schnytker noch größeres Ansehen verschaffen.
Aber zunächst schlug für mich die Stunde eines Abschieds. Ich war siebzehn Jahre alt geworden und ging nun auf die Gesellenwanderschaft, und zwar nach Rostock und Stralsund. Dann zog ich auch noch nach Greifswald und sogar nach Prenzlau, aber dort hielt ich mich nicht lange auf.
Viel Neues lernte ich unterwegs nicht, und in Stralsund fragte man mich fast vorwurfsvoll, weshalb ich denn nicht nach Lübeck wollte. Allein in Lübeck gäbe es Neues, dort könne man lernen, nur dort lebten angesehene Meister. Alle anderen seien doch nur kleine Pinselfuchser, – wenn auch ehrenwerte, angesehene Leute. Weshalb ich es denn nicht weiterbringen wollte? Diese Frage traf eine empfindliche Stelle in mir. Ich wäre ja gar zu gern nach Lübeck gewandert, aber leider hatte ich dazu weder Auftrag und Erlaubnis, noch besaß ich damals genügend Mut, und es fehlte mir vor allem an Entschlossenheit und ausdauernder Abenteuerlust.
„Du hast schon eine ganze Menge gelernt“, hatte mein Vater vor Antritt meiner Wanderung gesagt, „dieser Weg ist nur nötig, damit den Vorschriften Genüge getan wird und die Zunft dich aufnimmt. Es ist nur eine Formsache. Je schneller du die Wanderung hinter dich bringst, um so besser!“
Vielleicht dachte er auch einen kurzen Augenblick lang an Lübeck, aber bei uns dachte man nur an Lübeck und verscheuchte die Gedanken sogleich wieder damit, dass man feststellte, Wismar sei auch nicht die letzte der Seestädte, und eigentlich leide man hier keinen Mangel.
Vielleicht fürchteten wir uns vor der Größe und dem Ansehen Lübecks und meinten, wir könnten nicht mithalten. Lübeck – die Königin der Hanse …
Aber in Wismar war doch auch alles solide und gut und groß genug, und mit Königen und Fürsten hatten wir nichts im Sinn, nicht einmal mit dem mecklenburgischen Herzog, dem wir das Leben so sauer wie möglich machten. Als ich von meiner Wanderschaft zurückkehrte, fand ich unser Haus in Aufregung und Trauer. Mein Vater war gestorben. Er, der so gesund und kräftig wirkte, war das Opfer einer ansteckenden Krankheit geworden. Vielleicht war es sogar die Pest gewesen, nur sprach man das nicht aus, sondern redete nur von einer Halsentzündung.
Mein Vater wurde im südlichen Seitenschiff der Marienkirche bestattet, und ich stiftete ihm einen teuren gotländischen Grabstein, von dem zuvor die Gedächtnisworte an einen schon vor hundert Jahren Verstorbenen getilgt worden waren.
Nun war ich plötzlich Besitzer einer großen Werkstatt geworden und selbst noch gar nicht Meister. Um die Werkstatt war es nicht schlecht bestellt, die führte der Altgeselle gut. Fast zu gut, fand meine Mutter.
„Du musst dich dranhalten, Henning“, sagte sie, „wir brauchen ihn, aber es wird ihm zu Kopf steigen, wenn wir ihn zu sehr brauchen. Bewirb dich um das Meisteramt, geh noch einmal auf Wanderschaft, wenn es sein muss, aber verliere keine Zeit, sonst arbeitet und wirtschaftet uns der Altgeselle allesamt zum Haus hinaus.“
Meister werden – ja wie? In meinem jugendlichen Alter … Ich hatte nichts Besonderes vorzuweisen, nichts, womit ich die Vorsteher der Malerzunft hätte beeindrucken können.
Da wurde mir ein Angebot zuteil, das ich begierig ergriff, weil es mir großen Erfolg versprach.
In unsere Werkstatt kamen eines Tages zwei Männer und eine Frau. Die Gesellen und Lehrlinge beugten sich schon über die Schüsseln, ich war allein bei den Malbrettern zurückgeblieben, weil ich mir in Ruhe betrachten wollte, was die anderen gemacht hatten. Ich musste ja immer darauf achten, dass sie mich nicht überflügelten. Es gefiel mir gar nicht, dass ich den Fremden allein gegenübertreten musste, denn ich war noch unerfahren im Verhandeln. Natürlich meinte ich, man wolle mir einen Auftrag überbringen.
„Ihr seid Henning Schnytker, der Maler?“, fragte der größere der beiden Männer, zu dem ich aufsehen musste. Er war reisemäßig, aber vornehm gekleidet, nur das Haar hing unordentlich herum. Die Augen blickten düster und herrisch, das Gesicht wirkte hochmütig und doch anziehend. Er hatte große Hände, aber sie waren schlank und sehr beweglich. Der andere Mann und die Frau hielten sich hinter ihm, blickten zu Boden und wirkten wie Knecht und Magd. „Ja, ich bin Henning Schnytker“, erwiderte ich und zwang mich, dem Mann fest in die Augen zu sehen. Ich merkte, dass er prüfte, wie lange ich seinem Blick wohl standhielt. Ich riss meine Augen hoch, aber der Schweiß trat mir auf die Stirn.
„Ich habe da etwas für dich“, sagte der Mann in gleichmütigem Ton, als handele es sich darum, eine abgeplatzte Stelle auf einem Altarbild wieder in Ordnung zu bringen.“
Ebenfalls erstmals 1982 erschien als Band 154 der Reihe „Die kleinen Trompeterbücher“ im Kinderbuchverlag Berlin „Peter auf der Faxenburg“ von Volker Ebersbach: Peter ist ein Faxenmacher. Im Badezimmer malt er mit Zahnpasta eine Sonne auf den Spiegel. In der Schule beim Mittagessen bohrt er einen Tunnel in den Kartoffelbrei, spielt auf der Bockwurst Flöte und lässt die Apfelstücke über den Tisch fahren wie Schiffe übers Meer. Sein Freund Uwe nennt ihn sogar einen Stänker. Mit allen scheint es Peter verdorben zu haben. – Doch da geschieht etwas. Eines Abends steht vor seinem Fenster der Ritter Max. Ja, genau der, der nachts das Märchenland bewacht. Und gemeinsam reiten sie zur Faxenburg. Am Anfang des Buches scheint es ein ziemlich gewöhnlicher Sonnabend zu sein, ein regnerischer Sonnabend allerdings. Aber das ist nicht unbedingt ungewöhnlich. Ungewöhnliches ereignet sich erst etwas später. Und das kam so:
Peter auf der Faxenburg
An einem regnerischen Sonnabend konnte Peter nicht einschlafen. Sooft er darüber nachdachte, was er an diesem Tag erlebt hatte, ärgerte er sich. Dagegen behaupteten seine Eltern, seine Geschwister, seine Freunde und die Lehrerin, sie hätten sich über ihn geärgert. Mit allen hatte er es verdorben. Er wälzte sich hin und her. Es war schon dunkel geworden, und im Garten rauschte der Regen. Über dem ganzen Land lag eine einzige Regenwolke.
Peter erinnerte sich an Pfingsten, als die Eltern mit ihm und den Geschwistern im Auto in eine waldige Gegend gefahren waren. Sie hatten eine Burgruine besichtigt. Ach, dachte Peter und gähnte, wenn ich doch ein Ritter wäre und eine Burg hätte, auf die ich mich zurückziehen könnte.
Da klopfte es ans Fenster. Zuerst erschrak Peter und wollte seinen großen Bruder wecken. Aber ihm fiel ein, dass sie aufeinander wütend waren. Die kleine Schwester würde ihm auch nicht helfen können. Eine Zeit lang hatte er nur den Regen ins Gras rauschen hören. Jetzt klang es, als schlügen die Tropfen auf einen Blechtopf. Peter schlich zum Fenster und schob den Vorhang ein wenig zur Seite.
Der Garten lag im Schein einer Straßenlaterne. Peter erkannte einen Mann, der überall von Regentropfen glitzerte, als wäre er ganz aus Blech. Peter öffnete das Fenster. Der Regen rauschte stärker und klapperte lauter auf dem Mann aus Blech.
„Du bist ein Ritter!“, entfuhr es Peter.
„Und du bist Peter, nicht wahr?“
„Ja. Aber wie heißt du?“
„Ich heiße Ritter Max.“
„Wird dir bei dem Regen die Rüstung nicht rostig?“, fragte Peter. „Soll ich dir einen Mantel holen?“
„Nein“, der Ritter lachte, „ich habe Helm und Harnisch gut eingefettet. Doch könntest du mir vielleicht dein Betttuch leihen? Mein Pferd hatte einen kleinen Unfall, und ich möchte ihm das Bein verbinden.“
Peter sah ein Pferd, das, angebunden am Wäschepfahl, im Regen graste.
Er raffte sein Betttuch zusammen und wollte es dem Ritter durchs Fenster reichen. Der aber bat: „Komm doch heraus, Peter, und halte dem Pferd das Bein, während ich es verbinde.“
Peter kletterte über den Fenstersims und lief mit dem Ritter durchs kühle, nasse Gras. Als er vorsichtig das verletzte Hinterbein des Pferdes anhob, schnaufte das Tier, hielt aber doch dankbar still.
„Woher weißt du denn, wie ich heiße?“, fragte Peter.
„Das ist ganz einfach“, erwiderte der Ritter. „Ich bin Nachtwächter des Märchenlandes. Dort habe ich von dir gehört, weil du dich so gut in den Märchen auskennst.“ Peter schwieg erstaunt.
„Aber es hat noch eine andere Bewandtnis, dass ich gerade zu dir gekommen bin, um deine Hilfe in Anspruch zu nehmen.“
Peter versuchte neugierig, dem Ritter ins Gesicht zu schauen. Doch der Helm hüllte es in Schatten. Nur der Bart ragte aus dem Harnisch, und in den Barthaaren glitzerten Regentropfen. „Wenn ein Kind sich nachts allein fühlt“, fuhr der Ritter fort, „und nicht einschlafen kann, dann komme ich manchmal und tröste es. Und wenn das gar nichts hilft, zeige ich ihm ein Stück vom Märchenland.“ Da Peter nun von einem Bein aufs andere trat, fragte der Ritter Max: „Was hast du denn für Sorgen?“
„Ach“, antwortete Peter, „ich mache so gern Faxen. Aber niemand versteht sie, und alle schimpfen mich aus. Sie rufen mich sogar Faxenpeter. Heute habe ich es mit allen verdorben.“
„Na so was“, knurrte der Ritter in seinen Bart und kratzte sich mit den Blechfingern unterm Helm. „Was für Faxen sind es denn?“
„Heute hat es schon frühmorgens geregnet“, begann Peter. „Darum habe ich im Badezimmer mit Zahnpaste eine Sonne auf den Spiegel gemalt, die ganz lange Strahlen hatte.“
„Na und?“, wunderte sich der Ritter. „Hat sich niemand darüber gefreut?“
„Nein“, erzählte Peter, „meine Mutter hat geschimpft, ich soll nicht so bummeln, weil sie zur Arbeit muss. Mein Bruder Rolle hat über mich gespottet, und da habe ich in unserem Zimmer eine Kissenschlacht mit ihm angefangen.“
„Prächtig!“, rief der Ritter Max.
„Was meinst du, wie die Kissen flogen!“, setzte Peter fort. „Aber dann habe ich Rolles Lesebuch erwischt, und es ist zwischen den Blumentöpfen am Fenster gelandet. Einer ging kaputt. Das Lesebuch hatte Eselsohren und Blumenerde zwischen den Seiten. Darum spricht Rolle nicht mehr mit mir.“
„Und so geht das bei dir den ganzen Tag?“, warf der Ritter ein.
Peter nickte. „In der Schule habe ich dauernd daran denken müssen und beim Mittagessen einen Tunnel in den Kartoffelbrei gebohrt und auf der Bockwurst Flöte gespielt und die Apfelstücke über den Tisch fahren lassen wie Schiffe übers Meer. Auf nichts hatte ich Appetit. Frau Zwirbel ist sehr böse geworden, weil alle auf mich warten mussten. Zu Hause habe ich auf meiner Triola Katzenmusik gemacht und meine kleine Schwester Heike aus dem Mittagsschlaf geweckt. Weil sie nun einmal wach war, habe ich ihr mit unseren Kasperpuppen etwas vorgespielt. Was meinst du, wie sie lachen musste! Aber mit dem Krokodil bin ich ihr zu nahe gekommen. Da weinte sie vor Schreck. Und wieder hat mich Mutti ausgeschimpft.“
„Zugegeben“, sagte der Ritter, „so besonders finde ich deine Faxen nicht.“
„Das war noch gar nicht das Schlimmste“, beeilte sich Peter. „Uwe will nicht mehr mein Freund sein. Er kam zu mir zum Spielen, weil es draußen regnete, und brachte sein ferngesteuertes Auto mit. Ich wollte es gleich ausprobieren, und Uwe hat mit meinen Bauklötzen eine Burg gebaut. Ich spiele mit Autos am liebsten Unfall. Also bin ich gegen die Burg gerast, sie ist eingestürzt, und Uwes Auto hat eine Beule. Nun will er nicht mehr mein Freund sein. Ich wäre ein Stänker, sagt er.“
„Soso, ein Stänker!“
„Und ein Faxenpeter, der sich nichts merken kann, soll ich auch sein. Als mein Vati mich fragte, was wir in der Schule gelernt haben, wusste ich es nicht. Nur an die Faxen konnte ich mich erinnern. Beim Abendessen ist mir eingefallen, was er wissen wollte. Aber er hörte gerade die Nachrichten und den Wetterbericht, und ich musste still sein.“
Ritter Max war auf sein Pferd gestiegen, das ungeduldig schnaubte. Der Regen hatte aufgehört. Während Peter noch überlegte, wie er den Ritter aufhalten könnte, fragte der: „Wie wär’s, wenn du mich mal besuchst?“
„Ja, gern. Wo wohnst du denn?“
„Auf der Faxenburg.“
„Bist du etwa ein Fachmann für Faxen?“, fragte Peter überrascht.
„So ungefähr“, antwortete der Ritter. Jetzt fiel das Lampenlicht auf sein spöttisches Gesicht, und Peter sah, wie er zwinkerte.
„Juhu!“, rief Peter. „Dann besuche ich dich gern.“
„Am besten, ich nehme dich gleich mit“, schlug der Ritter vor. „Hier hast du es ja mit allen verdorben.“
Schnell stieg Peter wieder ins Kinderzimmer. Rolle und Heike schliefen fest. Der Ritter wartete draußen auf seinem schnaufenden und stampfenden Pferd. So flink hatte sich Peter noch nie angekleidet. Er schlich sich in den Korridor, zog den Anorak an und nahm den Rucksack. Zuletzt holte er aus dem Puppentheater seinen Kasper und das Krokodil. Den Kasper ließ er aus dem Rucksack herausgucken. Auch die Triola steckte er ein. Dann hob ihn der Ritter aufs Pferd.“
Und damit gehen die Abenteuer für Peter den Faxenmacher erst so richtig los. Was ihn wohl dort erwarten wird? Und wird er sich irgendwann wieder besser verstehen mit seiner Familie und mit seinen Freuden?
Viel Vergnügen beim Lesen, weiter einen schönen Februar und bleiben Sie auch weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.
Und Sie wissen ja nun: Wenn Sie eines schönes Tages plötzlich einem Zauberer oder einem Zauberschüler oder vielleicht auch einer Zauberschülerin (warum nicht?) begegnen sollten, dann lächeln Sie bitte. Ein Lächeln wirkt immer, jedenfalls fast …
Sim Salabim.
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