Siemens Energy: Klimaschädliche Geschäfte trotz nachhaltiger Rhethorik
- Geplanter Kohle-Gas-Umstieg führt nicht zur Dekarbonisierung des Portfolios
- Fokus auf „Gas and Power“-Sparte schreibt Klimaschäden fort
- Beteiligung an LNG-Projekten wie Arctic LNG2 in Russland sowie Port Açu in Brasilien treiben Klimawandel an
Vor der morgigen Hauptversammlung von Siemens Energy kritisieren die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre das nach wie vor klimaschädliche Geschäftsmodell des Unternehmens. Siemens Energy-Vorstandsvorsitzender Christian Bruch betont in seiner vorab veröffentlichten Rede [1] zwar Begriffe wie Transformation, Nachhaltigkeit und Energiewende. Die Rede zeigt jedoch, dass Siemens Energy auf die „Gas and Power“-Sparte als Gewinnbringer setzt. Damit konzentriert sich das Unternehmen vor allem auf den schnellen Umstieg von Kohle zu fossilem Gas, statt eine echte Transformation weg von den fossilen Energien einzuleiten.
Regine Richter, Energie-Campaignerin von urgewald: „Wenn alle Kohlekraft einfach durch fossile Gaskraft ersetzt wird, bringt das höchstens kurzfristige Klimagewinne, legt jedoch auf Jahrzehnte einen fossilen Pfad fest. Zudem entweicht vor allem beim Gastransport immer wieder das kurzlebige Treibhausgas Methan, das eine vielfach höhere Klimaschädlichkeit aufweist als Kohlendioxid. Insofern ist die Analyse von Siemens Energy zwar richtig, dass eine Transformation und die Dekarbonisierung des Portfolios nötig ist, aber die Konsequenz aus dieser Analyse, der wirkliche Ausstieg aus fossilen Energien, fehlt.“
Die Organisationen kritisieren zudem, dass grüner Wasserstoff bei Siemens Energy einen „grünen Anstrich“ bringen soll und als Lösung aller Probleme dargestellt wird. Dieser kann zwar eine gewisse Rolle in der Energiewende spielen. Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung [2] warnen jedoch, dass grüner Wasserstoff wegen des hohen Strombedarfs nur in solchen Bereichen sinnvoll eingesetzt werden kann, die sich kaum elektrifizieren lassen.
Weltweit ist Siemens Energy zudem an zahlreichen Flüssiggasprojekten beteiligt, etwa in den USA, Mosambik, Nigeria, Russland und Brasilien. [3] Die Klimabilanz solcher LNG-Projekte ist durch den Energieverlust bei der zweifachen Umwandlung des Gases sowie durch die potenziell auftretenden Methanleckagen und gegebenenfalls Nutzung von Fracking-Gas besonders schlecht.
Regine Richter: „Beispielsweise soll das geplante Flüssiggasterminal Arctic LNG2 im Golf von Ob, für das Siemens Energy Kompressoren liefern will, in der fragilen arktischen Region realisiert werden, mit massiven Auswirkungen für die lokale Umwelt und die nomadische Bevölkerung. Die ohnehin repressive Lage gegenüber Kritik ist in dieser Region besonders schlecht und erlaubt keine Proteste. Ob die Beteiligung an einem Projekt, das im Lichte der russischen Aggression in der Ukraine bald sanktionsbewehrt sein könnte, unternehmerisch sinnvoll ist, sei dahingestellt.“
Ein weiteres kritisches Projekt, das mit Beteiligung von Siemens Energy erfolgt, sind zwei Gaskraftwerke und ein LNG-Importterminal bei Campos dos Goytacazes im Norden des brasilianischen Bundesstaates Rio de Janeiro (Gás Natural Açu, GNA). Die Beteiligung wirft Fragen zur Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten bei Siemens Energy auf. Hunderte Familien, die für den Bau des Hafens enteignet wurden, sollen bis heute keinerlei Entschädigungen erhalten haben. Den betroffenen Menschen wurde die Grundlage ihrer bisherigen kleinbäuerlich-familiären Land- und Fischwirtschaft genommen. Durch Überlaufen von Salzwasser von den im Hafen von Açu errichteten Dämmen mussten Fischereigebiete geschlossen werden.
Hierzu Professor Marcos Pedlowski von der Universidade Estadual do Norte Fluminense in Campos dos Goytacazes im Bundesstaat Rio de Janeiro: „Die Beteiligung von Siemens Energy am Gaskraftwerkspark des Hafens von Açu ist ein gutes Beispiel für ein Muster, das in der Tätigkeit multinationaler Unternehmen in Brasilien vorherrscht. Die Gaskraftanlagen von GNA sind nicht nur sehr umweltschädlich und erzeugen teure Energie, sondern tragen auch dazu bei, dass die globalen Ziele für Treibhausgasemissionen nicht eingehalten werden. Außerdem hätten die Berichte über soziale Verstöße und Umweltzerstörung im Rahmen des Hafen-Baus die Beteiligung von Siemens Energy an einem derart fragwürdigen Projekt verhindern müssen. Aber die Sorge um den Profit war offenbar größer als die Verpflichtung zu einer guten Unternehmensführung und zum Schutz der Umwelt sowie der lokalen Gemeinschaften."
Tilman Massa, Referent beim Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre: „Ab nächstem Jahr muss Siemens nach dem Lieferkettengesetz vorbeugend gegen menschenrechtliche Verstöße bei Auslandsgeschäften vorgehen. Die Landenteignungen ohne Entschädigungen bei dem brasilianischen Hafenprojekt sind eindeutige Verstöße, bei denen Siemens Energy in der Verantwortung steht, diese in Zusammenarbeit mit den Projektbeteiligten abzustellen und sicherzustellen, dass sie nicht wieder auftreten.“
Anmerkungen:
[1] https://assets.siemens-energy.com/siemens/assets/api/uuid:2d1a7f49-c14a-4a9f-8932-42fa36b69a4a/siemens-energy-hv2022-rede-christian-bruch.pdf
[2] https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/wasserstoff-statt-elektrifizierung-chancen-und-risiken-fuer-klimaziele
[3] So liefert Siemens Energy Kompressoren für die LNG-Exportanlagen von Venture Global sowie Dampfturbinen und Kompressoren für das Golden Pass LNG-Projekt von QatarEnergy and ExxonMobil in den USA. Dazu kommen Gasturbinen und Kompressoren für das LNG-Projekt von Total in Mosambik sowie Kompressoren für die LNG-Anlagen von Nigeria LNG (NLNG) in Nigeria und für das Arctic LNG 2-Projekt von Novatek in Russland.
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