Fernwärmeversorgung schon nach wenigen Tagen wiederhergestellt
Dass Hochwasser im Ahrtal drohte, war zu ahnen. Doch dass es in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 apokalyptische Ausmaße annehmen könnte, hatten die wenigsten erwartet. Zuvor waren innerhalb von 24 Stunden in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen. Böden und Gewässer waren den ungeheuren Wassermengen nicht gewachsen. Seit Menschengedenken war der Ahr-Pegel bei Hochwasser nie über 3,90 Meter geklettert. In der Katastrophennacht erreichte der Pegel in Bad Neuenahr-Ahrweiler ein Maximum von über acht Metern. Die reißende Strömung entwickelte ungeheure Zerstörungskraft. Die Wassermassen kamen zudem in Wellen: Wenn stromaufwärts eine Brücke weggespült wurde – mehr als 60 wurden zerstört – ergossen sich die aufgestauten Fluten mit umso größerer Wucht talabwärts. Der Scheitel der Welle wurde nachts um 2.00 Uhr registriert. Viele Menschen überraschte das Extremhochwasser im Schlaf.
Erst Wochen später war das gesamte Ausmaß der Katastrophe aktenkundig: Von den 56.000 Menschen im überfluteten Bereich waren rund 42.000 direkt betroffen. Etwa 17.000 Ahrtal-Bewohner verloren ihr gesamtes Hab und Gut. 3.000 Gebäude im unmittelbaren Flutgebiet wurden beschädigt, knapp 470 komplett zerstört. Am schlimmsten: Mindestens 134 Personen kamen in den Fluten um. 766 Personen wurden nach offizieller Zählung verletzt, viele durch das Erlebte traumatisiert.
Immense Schäden auch an der Versorgungsinfrastruktur
Auch die Ahrtal-Werke GmbH stand vor einer nie gekannten Herausforderung. Strom- und Wärmeversorgung waren in der Unglücksnacht nahezu komplett ausgefallen beziehungsweise rechtzeitig abgeschaltet worden. Kabelverteilerschränke nahe der Ahr und Versorgungsleitungen im Bereich von Brücken wurden weggerissen und fortgespült. Das Verwaltungsgebäude der Ahrtal-Werke stand unter Wasser, auch die Blockheizkraftwerke des Versorgungsunternehmens waren mannshoch überflutet. Die Mitarbeiter vor Ort konnten sich in der Unglücksnacht nur noch selbst in Sicherheit bringen. Die Energienetze Mittelrhein GmbH & Co. KG als Betreiberin des Gasnetzes im Ahrtal, verlor Teile der Gashochdruckleitung. Fernwärmeversorgung und eigene Stromerzeugung der Ahrtal-Werke waren somit auch mangels Brennstoffversorgung lahmgelegt.
„Wir hatten am Vorabend schon geahnt, dass es Hochwasserprobleme geben könnte, jedoch konnten wir mit Unterstützung unseres Servicepartners, den Stadtwerken Schwäbisch Hall, rechtzeitig Maßnahmen ergreifen“, erinnert sich Dirk Janßen, Bereichsleiter Kraftwerke/Fernwärme. Die Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH als kommunaler Versorger hat die Ahrtal-Werke 2010 mitgegründet und aufgebaut, hält 49 % ihrer Unternehmensanteile, erbringt diverse kaufmännische Services für das Beteiligungsunternehmen und steuert in seiner Netzleitwarte auch die Strom- und Wärmenetze in der Kurstadt. „Zusammen mit den Kollegen in Bad Neuenahr haben wir rechtzeitig Pläne entwickelt, die Strom- und Wärmeversorgungsinfrastruktur vorsorglich abzuschalten“, erinnert sich Lutz Rappold, Abteilungsleiter Netzservice der Stadtwerke Schwäbisch Hall. Im Bereich der dezentralen Wärmeversorgung war dies der Schlüssel zur raschen Wiederinbetriebnahme.
Dezentrale Fernwärmeversorgung mit flexiblen Maßnahmen wiederhergestellt
„Wir haben die Anlagen an entscheidenden Stellen rechtzeitig abgeschiebert und gefährdete Netzabschnitte somit außer Betrieb genommen“, beschreibt Dirk Janßen. „Durch dieses Vorgehen konnten wir eine komplette Zerstörung beziehungsweise ein Leerlaufen des Fernwärmenetzes verhindern. Wir haben das Netz für den provisorischen Weiterbetrieb in Wärmeinseln aufgeteilt, die separat gesteuert werden können. In Mitleidenschaft gezogene Übergabestationen konnten durch den Austausch defekter Teile sehr schnell wieder funktionstüchtig gemacht werden. Nur fünf Tage nach Eintritt der Flutkatastrophe konnten wir alle Kunden wieder vollumfänglich mit Wärme versorgen.“
Dass dies dennoch ein großer Kraftakt war, verdeutlicht auch ein Blick auf die beiden Erzeugungsstandorte der Ahrtal-Werke. Die neu errichtete KWK-Anlage an der Kreuzstraße wurde zerstört. Der Standort konnte erst Anfang Dezember durch die Inbetriebnahme des zum Zeitpunkt der Flutkatastrophe noch nicht gelieferten Zweitmoduls wieder in Betrieb gehen. Am Dahlienweg gingen die beschädigten Anlagen in die Revision. Dort und an anderen Stellen im Netz übernahmen Heizkessel die Wärmeversorgung. Als Interimsbrennstoffe dienten Heizöl und Flüssiggas. Auf eine Holzpellet-Feuerung – zwischenzeitlich als Option diskutiert – konnte verzichtet werden. Mittlerweile ist die normale Gasversorgung für die Erzeugungsanlagen wiederhergestellt.
Ahrtal-Werke überzeugen weitere Kunden von Fernwärme
Haushalten mit Öl- oder Gasheizung, deren Anlagen zerstört oder mangels Gaslieferung nicht mehr betrieben werden konnten, boten die Ahrtal-Werke einen Fernwärmeanschluss beziehungsweise eine Interimswärmeversorgung für die nächste Heizperiode per Hot-Mobile an. Das Angebot stieß und stößt auf lebhaftes Interesse. Thomas Hoppenz, Geschäftsführer der Ahrtal-Werke: „Bislang hatten wir rund 500 Haushalte an unser Wärmenetz angeschlossen, im Zuge der Flutkatastrophe konnten wir etwa 150 weiteren Anschlusspunkten eine Versorgung sichern.“
Auf den raschen Wiederaufbau der Energieversorgung in Bad Neuenahr-Ahrweiler – die weitaus stärker in Mitleidenschaft gezogene Stromversorgung funktionierte nach rund fünf Wochen wieder – ist man bei den Ahrtal-Werken und den Stadtwerken Schwäbisch Hall zurecht stolz. Lob ist allerdings der gesamten Versorgerbranche zu zollen: Mehr als 100 EVU aus ganz Deutschland stellten Personal, Material und Technik für den Wiederaufbau der Energieversorgungsinfrastrukturen im Ahrtal zur Verfügung. Das kleine Team der Ahrtal-Werke koordinierte vor Ort in der Spitze zeitgleich bis zu 120 externe Kräfte. Thomas Hoppenz: „Wir bedanken uns bei allen Helfern ganz herzlich. Ohne diese Solidarität und dem großen Engagement wäre die Versorgungslage vor Ort viel länger weit prekärer gewesen. Besonderer Dank und Respekt gilt auch allen Mitarbeitenden in Schwäbisch Hall, die bei der Bewältigung der Hochwasserfolgen im Hintergrund hervorragende Arbeit geleistet haben.“
Fernwärmeversorgung erweist sich als überaus resilient
Unabhängig von aller Tragik und Dramatik hat die Hochwasserkatastrophe für Thomas Hoppenz eine wichtige Erkenntnis zutage gefördert beziehungsweise seine Überzeugung bestärkt: „Eine dezentral organisierte Fernwärmeversorgung ist sehr störungssicher und weist eine viel höhere Resilienz auf, als vielfach unterstellt wird. Der große Vorteil ist das hohe Maß an Flexibilität – bedingt dadurch, dass Wärme aus beliebigen Energieträgern in verschiedenen Erzeugungsanlagen an ausgewählten Standorten im Netz bedarfsgerecht erzeugt und eingespeist werden kann.“
Die Stadtwerke Schwäbisch Hall sind ein erfolgreiches mittelständisches Versorgungsunternehmen mit über 650 Mitarbeitenden. Diese befassen sich mit der Erzeugung, Verteilung und Lieferung von Strom, Gas, Wasser und Wärmeenergie, entwickeln neue technische und energiewirtschaftliche Dienstleistungen, betreiben Bäder, Parkierungseinrichtungen sowie Erdgas- und Stromtankstellen, konzipieren Maßnahmen für die Stabilisierung von Energienetzen oder bauen neue kommunale Energieversorgungsunternehmen auf.
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