Nachhaltige Geldanlagen- Greift der Verbraucherschutz?
Verbraucherschutz- Nur das kaufen was man versteht?
Dieser Ratschlag wird von unterschiedlichsten Seiten gegeben, zum Beispiel:
- WirtschaftsWoche: Welcher Anlagetyp sind Sie? – Nur kaufen, was man versteht (2)
- Handelsblatt: Nur das kaufen, was man versteht (3)
Finanzwissen und umfassende Kenntnisse von Finanzanlageprodukten sind weder angeboren noch vermitteln die Schulen ausreichendes Wissen. Anleger:innen müssen sich also selbst informieren. Damit sind sie in letzter Konsequenz auf Fachleute, Medien und Berater angewiesen. Aber auch deren Wissen fällt nicht vom Himmel. Wenn hier methodisch vorgegangen wird, und das sollte es bei einem so wichtigen Themen auf jeden Fall, muss zunächst Einigkeit bestehen, was nachhaltige Geldanlagen sind. Abstrakte Wissenschaft allein hilft aber nicht weiter. Dies schon deshalb nicht, weil unter dem Begriff nachhaltige Anlagen sehr Unterschiedliches verstanden werden kann. Was nachhaltige Geldanlagen sind, beruht – wenn man es nicht sehr individuell sehen möchte- auf einem gesellschaftlichen Konsens.
Gesellschaftlicher Konsens, nachhaltige Geldanlagen und Verbraucherschutz
Wenn nun innerhalb unserer Gesellschaft eine allgemeine und ausreichende verbreitete Übereinstimmung zum Begriff der nachhaltigen Geldanlagen besteht, kommt der Gesetzgeber ins Spiel. Seine Aufgabe ist es, für die Fachleute und Berater zu definieren, was überhaupt nachhaltige Geldanlagen sind. Zunächst einmal sind nachhaltige Geldanlagen nicht nur ökologisch sinnvolle Geldanlagen. Nachhaltige Geldanlagen sollen auch soziale Aspekte und Kriterien einer allgemein anerkannten guten Unternehmensführung beachten. Kurz, sie sollen die ESG-Kriterien berücksichtigen.
Allerdings, auch ESG-Kriterien können individuell und gesellschaftlich unterschiedlich interpretiert werden. Dies zeigt sich zum Beispiel besonders deutlich daran, dass innerhalb der EU – man beachte: ein gemeinsamer Wirtschaftsraum! – Unterschiede bei der Einordnung der Kernkraft bestehen. Investitionen in Kernkraftwerke gelten in Frankreich als umweltförderlich, in Deutschland aber nicht. An dieser Stelle werden wir diesen Einzelaspekt aber nicht weiter diskutieren. Es reicht zunächst einmal, festzuhalten, dass es als Anhaltspunkt für Berater mehr braucht, als die allgemeine ESG-Definition. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und festgelegt, dass es einer genaueren Klassifizierung bedarf, der EU-Taxonomie:
„ Was ist die EU-Taxonomie?
Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungsinstrument, bei dem es darum geht, bestimmte Aktivitäten von Unternehmen einzuordnen und zwar hauptsächlich, ob diese Unternehmen einen „grünen“ Beitrag leisten oder nicht. Anhand dieses Leitfadens sollen Investoren einschätzen können, ob ein Unternehmen, in das sie investieren wollen, nachhaltig arbeitet. Eine Kommission der EU hat dafür klare Kritierien festgelegt mit sehr genauen Messgrößen.“ (4)
Die EU-Taxonomie stellt also ein Element für den Verbraucherschutz bei einer nachhaltigen Geldanlage dar.
Muss Verbraucherschutz bei einer nachhaltigen Geldanlage verständlich sein?
Auch bei nachhaltigen Geldanlagen muss Verbraucherschutz gewährleistet sein. Aber die Regelungen zum Verbraucherschutz müssen auch verständlich und nachvollziehbar sein.Nur, wird es hier wieder kompliziert und damit auch unverständlicher. Zunächst wäre mündigen Anlegern zu erklären, was es mit der Taxonomie auf sich hat. Mit der Taxonomie wird ja festgelegt, welche Kriterien und welcher Umfang der Erfüllung dieser Kriterien für eine nachhaltige Form der Geldanlage stehen. Und weil Verbraucherschutz schnell wirken soll, müssen auch die Berater schnell handeln. Ab dem 1. August dieses Jahres sind Berater daher verpflichtet ihre Kunden/Kundinnen zu befragen, ob sie nachhaltig anlegen wollen? Wird dieser Wunsch geäußert, könnte zum Beispiel ein taxonomiekonformer Fonds empfehlen werden. Mit dieser Strategie würde sich der Berater „das Leben einfach machen“, hält er sich dann doch an den qua Gesetz festgestellten gesellschaftlichen Konsens. Der Haken dieser Vorgehensweise besteht allerdings darin, dass das Inkrafttreten der Taxonomie erst ein knappes halbes Jahr später erfolgen soll, zum 1.Januar 2023 (5).
Unverständlichkeiten im Verbraucherschutz zu nachhaltigen Geldanlagen: Kein Problem für Anleger:innen, wenn …
Die vorgenannten Probleme entfallen für die Verbraucher, wenn Sie genau definieren, was für sie – ganz subjektiv – wesentliche Nachhaltigkeitskriterien sind, und der Berater sehr selektiv die entsprechenden Angebote heraussucht. Für denjenigen oder diejenige, die nur sehr allgemein und nicht allzu streng den Aspekt der Nachhaltigkeit bei den Geldanlagen berücksichtigen wollen, mögen gängige ESG-Kriterien genügen. Wer allerdings davor geschützt sein möchte, sein Geld in Unternehmen zu investieren, die seinen persönlichen Vorstellungen nicht entsprechen, sollte dies sehr genau dem Berater berichten, damit die Fonds oder ETfs nicht nur den Vorgaben der Taxonomie entsprechen. Der gute alte Ratschlag – Kaufen, nur das was man versteht – bedeutet hier also, zunächst einmal zu verstehen, was der gesetzliche und regulatorische Verbraucherschutz überhaupt bewirken kann. Dazu ist mehr als die übliche Information und das übliche Wissen nötig. Beginnen mit der Wissenssammlung können Sie auf vielfältigen Wegen. Einen guten ersten Einstieg bieten die kostenfreien FORAIM Webinare zu nachhaltigen Geldanlagen.
Quellen/Links:
(1) Wikipedia, Verbraucherschutz
(2) WiWo, Welcher Anlagetyp sind Sie?, 8.10.2013
(3) Handelsblatt, Nur das kaufen, was man versteht, 8.7.2011
(4) Deutschlandfunk, Nachhaltige Klassifizierung Worum es bei der EU-Taxonomie geht, 2.2.2022
(5) Capinside, EU-Taxonomie wird nun für die Berater zum Problem, 15.3.2022
Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog FINANZEN-NEWS-ANDERS.
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