Pillen und Pulver auf dem Vormarsch
- Fast die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland konsumiert Vitamine, Mineralstoffe und andere Nahrungsergänzungsmittel
- Eine behördliche Überprüfung dieser Produkte vor dem Verkauf findet nicht statt
- Achtung vor gesundheitlichen Risiken: Verbraucherzentralen meldeten den Behörden mehr als 250 auffällige Produkte innerhalb von fünf Jahren
Die Bundesregierung muss Verbraucherinnen und Verbraucher vor gesundheitlichen Risiken schützen und den Milliardenmarkt mit Nahrungsergänzungsmitteln dringend regulieren. Das fordern der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Verbraucherzentralen anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Internetportals Klartext-Nahrungsergaenzung.de. Das von den Verbraucherzentralen betriebene Portal hat seit seinem Start unter anderem mehr als 200 Verbraucherwarnungen vor gesundheitsgefährdenden oder unseriösen Mitteln und Vertriebswegen veröffentlicht. Eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Verbraucherschützer zeigt, dass immer mehr Menschen regelmäßig Vitamine, Mineralstoffe und andere Präparate schlucken. Diese bergen zum Teil gesundheitliche Risiken. Zudem werden sie von Überwachungsbehörden nicht kontrolliert, bevor sie auf den Markt kommen.
„Immer mehr Berliner Verbraucherinnen und Verbraucher beschweren sich über unseriöse Werbeversprechen von Nahrungsergänzungsmittelherstellern. So sollten laut Anbietern Superfoods wie Guanabana vor Krebs oder Corona schützen. Die Aussagen wurden zwar nach Abmahnung beziehungsweise Klage der Verbraucherzentrale Berlin entfernt, aber einigen Käuferinnen und Käufern wird vorher zumindest wirtschaftlicher Schaden durch diese irreführenden Aussagen entstanden sein. Nahrungsergänzungsmittel sind nämlich nicht zum Schutz vor Krankheiten bestimmt, sie können sogar zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen wie Herz- und weiteren Organschäden oder Muskelschwäche führen. Es ist inakzeptabel, dass die Politik diesen Milliardenmarkt nicht regelt und die Verbraucherinnen und Verbraucher somit nicht ausreichend schützt“, sagt Dr. Britta Schautz, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Berlin.
Nahrungsergänzungsmittel liegen im Trend
Laut einer forsa-Umfrage im Auftrag der Verbraucherschützer vom November/Dezember 2021 konsumieren immer mehr Menschen Nahrungsergänzungsmittel. Fast die Hälfte der Befragten hatte innerhalb der letzten sechs Monate ein oder mehrere Nahrungsergänzungsmittel gekauft. 2016 war es ein gutes Drittel.
Verbraucherzentralen warnen vor gesundheitsschädlichen Produkten und unseriösen Vertriebswegen
Seit dem Start vor fünf Jahren hat das Expertenteam der Verbraucherzentralen von Klartext-Nahrungsergaenzung.de 250 Produkte an die Überwachungsbehörden gemeldet, die ihnen zuvor durch Verbraucheranfragen und -beschwerden zugetragen wurden. Zudem wurden mehr als 20 juristische Verfahren eingeleitet und mehr als 2.600 Verbraucheranfragen beantwortet. Besonders häufig warnten die Verbraucherzentralen vor krebserregendem Ethylenoxid in pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln, vor unzulässigen Arzneisubstanzen, Salmonellen und zu hohen Dosierungen einzelner Inhaltsstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln, z. B. zu viel Curcumin und Piperin in Kurkuma-Produkten. Diese können potentiell leberschädigend wirken.
Nahrungsergänzungsmittel endlich sicher regulieren
Eine systematische behördliche Überprüfung der Produkte, bevor sie auf den Markt kommen, findet nicht statt. Hoch dosiert können sie ernste Nebenwirkungen haben. Auf dem Internetportal Klartext Nahrungsergänzung warnten die Verbraucherzentralen in den vergangenen Jahren beispielsweise vor der zusätzlichen Einnahme von Beta-Carotin bei Rauchern, da dies die Entstehung von Lungenkrebs begünstigen kann. Präparate mit Goji-Beeren können etwa gefährliche Wechselwirkungen mit Medikamenten wie Blutverdünnern auslösen.
Die Verbraucherschützer fordern die Bundesregierung zum Handeln auf. Nötig seien verbindliche Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Lebensmitteln. Zudem brauche es eine Positivliste, die klarstellt, welche Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln genutzt werden dürfen – etwa für Stoffe wie „Botanicals“ (Pflanzen-, Algen-, Pilz- und Flechtenextrakte). Zudem müsse das Vorsorgeprinzip konsequent gelten. So sollten Unternehmen vor Markteintritt nachweisen müssen, dass ihre Produkte unbedenklich sind. Produkte, die dies nicht leisten, dürften gar nicht erst auf den Markt kommen.
Verbraucherzentrale Berlin e. V.
Hardenbergplatz 2
10623 Berlin
Telefon: +49 (30) 21485-0
Telefax: +49 (30) 21172-01
http://www.verbraucherzentrale-berlin.de