Politische Lage nach dem Angriff auf die Ukraine
Überblick
- Der Verbandsvorstand ist erschüttert angesichts des menschlichen Leids und der Zerstörung in der Ukraine. Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Überfall der Regierung Putins auf die Ukraine aufs Schärfste.
- Die kommunalen Unternehmen stehen solidarisch an der Seite des ukrainischen Volkes und unterstützen, wo Hilfe für die Sicherung und den Wiederaufbau der Daseinsvorsorge notwendig ist.
- Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat auch erhebliche Folgen für unsere Energieversorgung. Langfristiges Ziel muss daher eine Diversifizierung unser Energieimporte sein. Kurzfristig müssen die Auswirkungen des Krieges auf die Versorgungssicherheit und Energiepreisentwicklung in Deutschland eingedämmt werden. Für beides braucht es entschlossene Maßnahmen wie etwa eine deutliche Senkung der Steuern und Abgaben auf Energie, eine gezielte finanzielle Unterstützung für Familien und Menschen mit niedrigen Einkommen sowie den zügigen Ausbau erneuerbarer Energien, mehr Energieeffizienz, den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und grüner Wärme vor Ort.
Im Einzelnen
1. Der Vorstand des VKU ist erschüttert angesichts des menschlichen Leids und der Zerstörung, den der völkerrechtswidrige Überfall der Regierung Putins auf die Ukraine verursacht hat. Er verurteilt ihn aufs Schärfste. Während wir nach dem Ende des kalten Krieges vor mehr als 30 Jahren geglaubt hatten, in ganz Europa einen Kontinent des Friedens und freundschaftlicher Nachbarschaft schaffen zu können, erleben wir, dass dieser Wunsch von einem Machthaber in unserer direkten Nachbarschaft zerstört wird. Putins Krieg in der Ukraine bedeutet deshalb auch für uns eine Zeitenwende.
Die kommunalen Unternehmen stehen solidarisch an der Seite des ukrainischen Volkes und werden nach Kräften versuchen, Not und Leid zu mindern. Sie helfen, Kriegsvertriebenen in Kommunen hierzulande Zuflucht zu bieten, und organisieren Sach- und Geldspenden für Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Der VKU hat außerdem zugesagt, Hilfsangebote seiner Mitgliedsunternehmen auch für ukrainische Betriebe und Einrichtungen zu koordinieren. Hierzu hat der VKU eine Task Force „Solidarische Unternehmen für die Ukraine“ eingerichtet.
2. Die mehr als 1.500 Mitgliedsunternehmen im VKU sind vor allem in der Energieversorgung, der Wasser- und Abwasserwirtschaft, der Abfallwirtschaft und Stadtsauberkeit sowie im Bereich Telekommunikation tätig. Sie sehen sich auf der Grundlage einer starken Selbstverwaltung dem Gemeinwohl in einem demokratischen und sozialen Bundesstaat verpflichtet. Getragen von diesem Grundverständnis engagieren sie sich auch für den Aufbau und Betrieb von Strukturen der Daseinsvorsorge in anderen Teilen der Welt, um dort zur Herstellung guter und sicherer Lebensbedingungen beizutragen. Sie verstehen dies als Teil ihrer Verantwortung für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und für einen wirksamen Klima- und Umweltschutz.
3. Internationale Solidarität gewinnt mit dem Krieg in der Ukraine eine noch höhere Bedeutung auch für das Handeln der kommunalen Unternehmen. Als gemeinwohlorientierte Betriebe stehen sie in der Verantwortung, langfristig zu Wohlstand, Umwelt- und Klimaschutz, sozialem Ausgleich und friedlichen Verhältnissen beizutragen. Neben der Hilfe für Menschen und Partnerunternehmen in der Ukraine betrifft das ebenso Erwartungen der Partnerländer in der EU. Sie verlangen von der deutschen Politik, Versorgungssicherheit und Klimaschutz nicht isoliert, sondern im gemeinsamen Interesse zu verfolgen. Diese Ausrichtung unterstützt der VKU. Wir müssen bei energiepolitischen Entscheidungen künftig noch stärker die Anforderungen aller Europäerinnen und Europäer im Blick behalten.
4. Es ist für uns selbstverständlich, dass kommunale Unternehmen rund um die Uhr einen verlässlichen Beitrag für gute und sichere Lebensbedingungen leisten. Es ist und bleibt unser Anspruch, Daseinsvorsorge sicher zu gewährleisten. Mit dem Überfall auf die Ukraine gerät dieser Anspruch aber zunehmend unter Druck: Sicher geglaubte Importbeziehungen mit Russland, worüber wir mehr als die Hälfte unserer fossilen Energieträger beziehen, stehen nun in Frage. Szenarien wie vorübergehende Mangellagen sind zwar nicht akut zu befürchten, können aber in den nächsten Monaten nicht ausgeschlossen werden. Versorgungssicherheit gewinnt somit eine neue Bedeutung und wird selbst zu einer Frage der nationalen Sicherheit. Denn von ihr hängt am Ende auch ab, wie entschieden wir der russischen Aggression entgegentreten können. Kurzfristige und strategische Entscheidungen im Zuge der Energiewende müssen dies berücksichtigen.
Dabei gehen wir davon aus, dass Versorgungssicherheit ohne Kernenergie gewährleistet werden kann und muss. Der unverantwortliche Raketenbeschuss eines ukrainischen Kernkraftwerkes zeigt die Risiken und Verletzlichkeit. Zugleich müssen Energie- und Versorgungssicherheit Sicherheit immer umfassend betrachten. Dazu gehört auch, dass Anstrengungen zur Cybersicherheit für die Daseinsvorsorge insgesamt forciert werden müssen.
5. Vor diesem Hintergrund unterstützt der Vorstand des VKU die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen gegen die russische Aggression vollumfänglich. Der Schutz von Frieden, Freiheit, Menschenrechten und Demokratie hat aber auch einen Preis. Er erfordert die rasche und konsequente Neuausrichtung der Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch zügige Entscheidungen in der Energiepolitik. Bundeskanzler Olaf Scholz und beide Vizekanzler haben richtigerweise betont, dass wir uns zügig und dauerhaft aus der einseitigen Abhängigkeit von russischen Energieimporten lösen müssen. Der VKU unterstützt die Bundesregierung bei der schnellen Diversifizierung des Energiesystems. Hierzu gehört neben dem Aufbau einer LNG-Infrastruktur auch eine erhöhte Flexibilität bei der Nutzung (noch) vorhandener Kohlekraftwerke, ohne freilich den Kohleausstieg an sich in Frage zu stellen.
6. Die kommunalen Unternehmen betrachten eine diversifizierte, nachhaltige und dezentralisierte Energieversorgung auch dauerhaft als Schlüssel zur energiepolitischen Neuausrichtung und für die nationale Sicherheit. Der VKU bietet der Bundesregierung ausdrücklich seine Unterstützung und Mitarbeit an. Kurzfristig wird es darauf ankommen, in diesem und im kommenden Winter bei einer Reduzierung oder dem Stopp russischer Gas- und Kohlelieferungen die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten. Dies schließt die Anlage einer strategischen Gasreserve ein.
7. Zugleich ist sicher damit zu rechnen, dass die bereits hohen Energiepreise weiter deutlich ansteigen. Dies verschärft die Energiepreiskrise, die wir seit dem vergangenen Herbst erleben. Deshalb ist es umso wichtiger, die bereits ergriffenen Entlastungsmaßnahmen um solche zu ergänzen, die sich bei der Grundsicherung und im Wohngeld dynamisch an den Bedarf einkommensschwacher Haushalte anpassen. Darüber hinaus ist es notwendig, zeitnah eine Entlastung breiterer Schichten etwa durch eine Senkung der Strom- und Umsatzsteuer vorzunehmen. Dies ist umso mehr gerechtfertigt, da schon bisher der staatliche Anteil am Energiepreis im europäischen Vergleich besonders hoch ist angesichts der gestiegenen Steuereinnahmen in Folge der Energiepreissteigerungen. Ferner bedarf es beihilferechtlich zulässiger Instrumente, um gerade auch kleinere und mittelständische Unternehmen zu unterstützen. In der Energiewirtschaft betrifft das die Absicherung gegen Liquiditätsrisiken, die aus volatilen Rohstoff- und Energiepreisen resultieren. Die kommunalen Energieversorger stehen in der aktuellen Lage ohnehin vor besonderen Herausforderungen, Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Umso mehr muss sichergestellt werden, dass sie selbst nicht noch in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
8. Langfristig ist für die Reduzierung der Energieimporte der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien zentral. Jede Kilowattstunde, die wir aus Sonne, Wind und Co. gewinnen können, muss nicht importiert werden und schützt gleichzeitig das Klima. Deutschland wird jedoch auch bei einer klimaneutralen Energieversorgung Teil des globalen Energiemarktes bleiben. Es wird daher auch beim notwendigen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft darauf ankommen, frühzeitig Strukturen für einen diversifizierten Import von grünem Wasserstoff aufzubauen. Wasserstoff wird eine wesentliche Rolle bei der Versorgungssicherheit in Strom und Wärme in einem klimaneutralen Energiesystem spielen.
9. Grundsätzlich gilt: Jede nicht verbrauchte Kilowattstunde ist eine gute Kilowattstunde. Neben dem schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien müssen wir deshalb die Energieeffizienz steigern. Die Stadtwerke stehen schon heute mit umfassenden Beratungsmöglichkeiten vor Ort zur Verfügung. Mehr Energieeffizienz bei Wirtschaft und Haushalten betrifft sowohl das individuelle Nutzerverhalten als auch die Steigerung systemischer Effizienz, wenn etwa durch Wärmenetze und Quartierslösungen CO2- und kosteneffiziente Dekarbonisierungslösungen realisiert werden. So darf sich das Streben nach mehr Effizienz nicht in der Optimierung von Einzelgebäuden und dem bloßen Energieverbrauch erschöpfen, sondern muss vor allem auch auf die möglichst schnelle Erreichung der CO2-Minderungsziele abstellen.
10. Für die Stadtwerke besonders wichtig ist die Wärmeversorgung vor Ort. Dabei spielt die Fern- und Nahwärme eine zentrale Rolle. Die städtischen Wärmenetze werden aktuell vor allem durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)-Anlagen bespeist. Mit dem strom- und wärmeseitigen Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen wir KWK künftig vor allem auch zu deren Besicherung, ihre Anlagen sind eine Stützmauer der Energiewende. Trotz der notwendigen Neubewertung der Rolle von Erdgas sind wir weiterhin auf die Errichtung weiterer Gaskapazitäten angewiesen. An dieser energiewirtschaftlichen Notwendigkeit hat sich nichts geändert, wenn der Kohleausstieg trotz aktueller Flexibilitätsbedarfe vollzogen und andere Nutzungen wie der Verkehr elektrifiziert werden sollen. Allerdings gilt für diesen zunächst noch notwendigen Gasbezug die Anforderung der Diversifizierung von Rohstoffquellen, um einseitige Abhängigkeiten in der Zukunft zu vermeiden. Entsprechend des „Efficiency first“-Prinzips stellen dafür KWKAnlagen das Mittel der Wahl dar, weil sie den (noch) fossilen Brennstoff und später Wasserstoff hocheffizient ausnutzen. Vor allem aber ist KWK eine brennstoffunabhängige Technologie. Ihre Strukturen und Kapazitäten können mit anderen Erzeugungstechnologien kombiniert oder auf diese umgestellt werden. Somit leistet KWK selbst einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der Abhängigkeit von fossilem Gas.
munaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit rund 283.000 Beschäftigten wurden 2019 Umsatzerlöse von 123 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 13 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 62 Prozent, Gas 67 Prozent, Trinkwasser 91 Prozent, Wärme 79 Prozent, Abwasser 45 Prozent. Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen durch getrennte Sammlung entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 67 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 203 Unternehmen investieren pro Jahr über 700 Millionen Euro. Beim Breitbandausbau setzen 92 Prozent der Unternehmen auf Glasfaser bis mindestens ins Gebäude. Wir halten Deutschland am Laufen – klimaneutral, leistungsstark, lebenswert. Unser Beitrag für heute und morgen: #Daseinsvorsorge. Unsere Positionen: 2030plus.vku.de.
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