Russische Pleite voraus?
Eine Pleite der technischen Art
Eigentlich sei die russische Staatskasse gut gefüllt, allerdings lägen strukturelle „technische“ Probleme vor. Einerseits habe die russische Zentralbank ein Problem damit, Kuponzahlungen an ausländische Inhaber freizugeben, auf der anderen Seite müssten die westlichen Clearingsysteme die Zahlungen ebenfalls erst einmal akzeptieren – was aktuell aufgrund der verhängten Sanktionen nicht mehr möglich sei. „Wer Anleihen in Rubel hält, hat schon heftige Währungsverluste einstecken müssen, die hohe Ausfallwahrscheinlichkeit für Anleihen in Euro oder US-Dollar signalisiert der Markt bereits jetzt durch explodierende Zins-Spreads“, meint Grüner.
Dennoch dürften die Auswirkungen einer möglichen Zahlungsunfähigkeit Russlands begrenzt sein. Am Ende des Jahres 2021 hielten ausländische Investoren nur 20 Milliarden US-Dollar an russischen Staatsschulden in „Fremdwährung“ (hauptsächlich in US-Dollar und Euro) und rund 41 Milliarden US-Dollar in der „Heimatwährung“ Rubel, die in der Zwischenzeit stark abgewertet wurde. Zum Vergleich: Auf den weltweiten Märkten für Staatsschulden und Währungen werden tägliche Volumina in Billionenhöhe gehandelt.
Das Auslandsengagement in russischen Unternehmensanleihen sei etwas größer und habe sich im September letzten Jahres auf rund 75 Milliarden US-Dollar belaufen. Allerdings stelle sich die Lage in diesem Segment auch etwas stabiler dar. „Die meisten Emissionen fanden außerhalb Russlands statt, zudem verfügen russische Unternehmen über Dollar- und Euro-Bankguthaben im Ausland, um die Schuldenzahlungen zu finanzieren“, erläutert Grüner.
Mangel an Überraschungen
„Wie immer haben die Märkte die wahrscheinlichsten Szenarien frühzeitig antizipiert und eingepreist. Wir bezweifeln, dass es zu nennenswerten Ansteckungseffekten durch den russischen Zahlungsausfall kommt. Der Vergleich zu den späten Neunzigern ist nicht angebracht. Russland hat sich heute ein ‚isoliertes‘ Problem geschaffen, zudem waren in der Vergangenheit die Anleihemärkte der Schwellenländer vor allem deshalb anfällig, weil sie Fremdwährungsschulden bedienen und gleichzeitig feste Wechselkurse beibehalten mussten, die sie nicht verteidigen konnten“, stellt Grüner fest. Heute existierten kaum noch Währungsanbindungen und die meisten Schwellenländer hätten große Reserven zur Unterlegung ihrer Schulden angehäuft.
Fazit
Russland verfüge offensichtlich über einen großen geopolitischen Fußabdruck. „Im Verhältnis dazu ist das russische Wirtschafts- und Finanzsystem allerdings relativ klein und für die globalen Märkte (mit Ausnahme des Energiesektors) nur von geringfügiger Bedeutung. Ob Russland nun offiziell in der Zahlungsunfähigkeit landet oder nicht, eines ist so gut wie sicher: Putins Entscheidung, in ukrainisches Territorium einzumarschieren, wird für viele weitere Jahre dafür sorgen, dass Russland auf der wirtschaftlichen Weltkarte nur eine untergeordnete Rolle spielt“, bilanziert Grüner.
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