Studie ordnet deutsche Klimapolitik in den Kontext des 1,5-Grad-Ziels ein
Ausgangspunkt ist der bereits im Juni 2021 im Bundes-Klimaschutzgesetz festgeschriebene und im Koalitionsvertrag bestätigte Zeitpfad hin zu Treibhausgasneutralität 2045. Das Forschungsteam leitet aus diesem Pfad, unter angemessener Berücksichtigung sonstiger Treibhausgase, die noch erwarteten deutschen CO2-Gesamtemissionen ab – um diese dann in den Kontext des 1,5-Grad-Ziels zu stellen. Als Vergleichsgröße dient das globale CO2-Restbudget, das der Weltklimarat IPCC auf Basis des nahezu linearen Zusammenhangs zwischen aufsummierten globalen CO2-Emissionen und Temperaturanstieg beziffert. Der IPCC beziffert diese Knappheit bewusst nur global: Wie sie sich national aufteilt, ist eine Frage des gewählten Gerechtigkeitskriteriums und nicht wissenschaftlich, sondern nur politisch zu klären.
„Der 1,5-Grad-Pfad für Deutschland ist bislang noch eine Gleichung mit vielen Unbekannten“, betont Brigitte Knopf, Generalsekretärin des MCC und Leitautorin der Studie. „Die Klimaziele sind noch nicht ausreichend mit Maßnahmen unterlegt. Zudem muss die Bundesregierung noch präziser definieren, woran sie sich messen lassen will: an welchem Zeithorizont, welchen Annahmen über CO2-Entnahme aus der Atmosphäre und vor allem an welcher Vorstellung von einer fairen Aufteilung des globalen CO2-Restbudgets.“
Laut der Studie ist die erste implizite Annahme hinter dem Satz „wir sind auf dem 1,5-Grad-Pfad“, dass die Mengenziele des Klimaschutzgesetzes tatsächlich umgesetzt werden – sowohl im Hinblick auf die Minderung des Treibhausgas-Ausstoßes als auch im Hinblick auf zusätzliche CO2-Entnahme durch Wälder und Böden. In diesem Fall betragen die noch erwarteten deutschen Gesamtemissionen 6,4 Milliarden Tonnen CO2 bis 2045. Im längeren Zeitraum bis 2050 sind es „nur“ 6,2 Milliarden Tonnen – weil Deutschland ja ab 2045 das umfassende Ziel der Treibhausgasneutralität einhalten will und deshalb nicht oder nur sehr schwer vermeidbare Nicht-CO2-Emissionen (vor allem Methan und Lachgas aus der Landwirtschaft) durch Entnahme von CO2 ausgleichen muss.
Die zweite implizite Annahme bezieht sich auf die Vorstellung von einer fairen Aufteilung des globalen CO2-Restbudgets, gerechnet ab der Ratifikation des Paris-Abkommens. Wenn man wie häufig vorgeschlagen eine Aufteilung nach Bevölkerung unterstellt (was angesichts der Verantwortung der Industrieländer für die historischen Emissionen umstritten ist), dann rückt als Benchmark zunächst die Zahl von 6,0 Milliarden Tonnen in den Blick: So viel deutsche Emissionen wären dann noch kompatibel mit 1,75 Grad Erderhitzung, mit der üblicherweise als Maßstab gewählten Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit. Damit das 1,5-Grad-Ziel erreicht wird, und auch nur mit 50 Prozent Wahrscheinlichkeit, dürften es aber nur noch 3,0 Milliarden Tonnen sein.
Also müssen – das ist die dritte implizite Annahme – weitere, über die bisherigen Klimaziele hinausgehende Maßnahmen greifen. „Hier sind zwei Ankündigungen des Koalitionsvertrags relevant“, erklärt Oliver Geden, Senior Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Leitautor im neuen Sachstandsbericht des IPCC und Co-Autor der Studie. „Zum einen bekennt sich die Ampel zur Notwendigkeit auch von technischen Negativemissionen, also möglicherweise Luftfilter-Systemen oder Biomasse-Kraftwerken mit Abscheiden und Speichern von CO2. Zum anderen verspricht sie aktive Klimaaußenpolitik und Klimafinanzierung für den globalen Süden. Wenn sie das 1,5-Grad-Ziel als Benchmark ihres Handelns definiert, muss sie glaubwürdig und messbar darlegen, was sie zusätzlich auf internationaler Ebene leisten will.“
Quellenhinweis zur zitierten Studie:
Knopf, B., Geden, O., 2022, Ist Deutschland auf dem 1,5-Grad-Pfad? Eine Einordnung der Diskussion über ein nationales CO2-Budget, MCC-Arbeitspapier
https://www.mcc-berlin.net/Publications/2022_MCC_Ist_Deutschland_auf_dem_1,5_Grad_Pfad.pdf
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