Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS)
Er sagte sofort zu, als die DGzRS ihn damals bat, in Ueckermünde eine Seenotretter-Station mit aufzubauen. „Als Kapitän eines Fahrgastschiffes wusste ich, wie notwendig ein organisierter Such- und Rettungsdienst vor Ort ist. Es gab immer wieder Unfälle, auch Tote“, erinnert sich Fastnacht. Die große Hilfsbereitschaft der Fischer, Segler und Menschen wie ihm reichte allein nicht mehr aus. Gemeinsam mit anderen Engagierten baute er die Station aus dem Nichts auf. Heute gibt es in Ueckermünde eine perfekt funktionierende, eingeschworene Gemeinschaft aus rund 20 Seenotrettern, die nur ein Ziel haben: Menschenleben retten, bei jedem Wetter, rund um die Uhr. Sie leben die zeitlosen Werte der DGzRS: Selbstlosigkeit, Freiwilligkeit, Unabhängigkeit.
Manfred Fastnacht ist Seenotretter mit großer Leidenschaft. „Du begibst dich selbst in Gefahr, um andere zu retten. Trotzdem machst du es immer wieder. Vormann zu sein, macht mir sehr, sehr viel Spaß – es ist eine Berufung für mich, in der ich voll aufgehe“, gesteht er. Deshalb gibt er das Amt auch mit einem „Tropfen im Auge“ ab. Gleichzeitig freut er sich auf mehr Freizeit. Als Vormann war er praktisch rund um die Uhr im Dienst. Als Rettungsmann tritt er künftig in die zweite Reihe zurück.
Gern erinnert sich Manfred Fastnacht an seine Anfänge bei der DGzRS: „Ich habe in keinem Moment einen Unterschied zwischen Ost und West gespürt. Bis heute erlebe ich große Kameradschaft unter den Seenotrettern.“ Freundschaften entstanden, die bis heute halten. Manch Erlebnis mutet in der Rückschau kurios an: So musste ihn anfangs mangels eigenen Telefons gelegentlich die Polizei mit Blaulicht von zu Hause abholen und zum Seenotrettungsboot bringen. „Das erste Mobiltelefon etwas später wog mehrere Kilogramm.“ Viel modernisierte die DGzRS im Laufe der Zeit, nicht zuletzt die Seenotrettungsboote: „Unser erstes, die TRIENTJE, hatte noch nicht mal einen Kartentisch. Auf unserem jüngsten gibt es hochmoderne Touchscreens mit elektronischer Seekarte“, beschreibt der Kapitän mit einem Kfz-Meisterbrief in der Tasche die technische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte.
Freiheit auf See
Genauso wie sein Nachfolger Christopher Zabel kennt Manfred Fastnacht das Stettiner Haff seit Kindertagen. Beide wissen, wie schnell aus dem spiegelglatt vor ihnen liegenden Küstengewässer in der Nordostecke Deutschlands ein gefährlicher Ort mit weißen Wellenkämmen werden kann. Schon als Jungs waren sie mit dem Boot auf dem Haff unterwegs. „Meine Kindheit spielte sich am Strand oder auf dem Wasser ab“, sagt Fastnacht. Er liebt die Freiheit auf See – und auf dem Hundeschlitten, wenn ihn zehn Huskys übers schwedische Fjell oder das zugefrorene Haff ziehen.
Für Christopher Zabel „ist es die beste Erholung, die es gibt“, wenn er mit seinem Kajütboot übers Haff fährt. Der gelernte Schiffsschlosser wohnt wenige Kilometer von der Rettungsstation entfernt im Haus seiner Großeltern im Fischerdorf Mönkebude. Zu den Seenotrettern kam der gebürtige Ueckermünder 2020 über einen Bekannten. „Ich war sofort begeistert vom Zusammenhalt, von der Technik und natürlich von der Aufgabe. Nach Einsätzen fahre ich mit einem richtig guten Gefühl nach Hause. Wenn ich in die glücklichen Augen der Geretteten blicke und merke, wie sich ihre Anspannung löst, weiß ich genau, warum ich bei jedem Wetter rausfahre.“ In jedem Wort ist zu spüren: Der 32-Jährige ist Seenotretter mit Leib und Seele. Anfang des Jahres hat er seine große Passion zum Beruf gemacht: Seit Februar ist er fest angestellter Rettungsmann auf dem Seenotrettungskreuzer BERTHOLD BEITZ/Station Greifswalder Oie.
Die größere Verantwortung als freiwilliger Vormann in Ueckermünde hat er sehr gern übernommen. Die Station ist ihm sehr ans Herz gewachsen. Alle unterstützen ihn, die jüngeren genauso wie die älteren Seenotretter. „Ich spüre den uneingeschränkten Rückhalt, das große Vertrauen aller. Das ist mir besonders wichtig, vor allem, weil ich ja noch nicht so lange auf der Station dabei bin“, betont Zabel. In den nächsten Wochen und Monaten wird ihm Manfred Fastnacht für einen nahtlosen Übergang verstärkt mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und: Vielleicht leitet Zabel wie sein Vorgänger die Station ebenfalls 30 Jahre – sein Alter und sein seemännisches Wissen sind dafür die besten Voraussetzungen.
Zur Station
Ueckermünde ist die östlichste Station der DGzRS. Zum Revier der rund 20 freiwilligen Seenotretter gehören vor allem das Stettiner Haff im deutsch-polnischen Mündungsgebiet von Oder und Peene sowie der Peenestrom bis zur Hafenstadt Wolgast. Oft unterschätzen Skipper das ausgedehnte und teilgeschützte Flachwassergebiet. Für sie kann es in dem Haff mit seinen vielen Untiefen sehr schnell gefährlich werden: Das Wetter ändert sich innerhalb von Minuten und schon bei Windstärken von 4 bis 5 Beaufort baut sich eine kurze steile Welle auf.
Die deutsch-polnische Grenze teilt das Stettiner Haff in das „Kleine Haff“ und das „Große Haff“. Daher sind grenzüberschreitende Einsätze für die freiwilligen Seenotretter nicht selten und die Zusammenarbeit mit den polnischen Kollegen ist sehr eng. Der Schiffsverkehr im Revier ist sowohl von der Berufsschifffahrt als auch von der Sportschifffahrt geprägt. Dazu zählen ebenfalls Binnenschiffe, die unter anderem über die Oder kommen und Häfen im Haff anlaufen.
Als Stationsgebäude dient das alte Strommeisterhaus. Es liegt strategisch äußerst günstig an der Ueckermündung ins Haff. Es konnte 1998 dank einer großzügigen Zuwendung der Gerhard-ten-Doornkaat-Koolmann-Stiftung, die bereits 1992 das 8,5-Meter lange Seenotrettungsboot der Station finanzierte, umfassend restauriert werden.
In Ueckermünde sind die EVA AHRENS-THIES und nach wie vor die GERHARD TEN DOORNKAAT stationiert. Beide haben ihren Liegeplatz im städtischen Hafen am Kamigkrug. Die EVA AHRENS-THIES entstand auf der finnischen Spezialwerft Arctic Airboats in enger Entwicklungszusammenarbeit mit den Seenotrettern. Sie ist die dritte Einheit der 8,9-Meter-Klasse. Die freiwilligen Seenotretter am Stettiner Haff verfügen damit über eine speziell für ein solches Revier entwickelte neue Rettungseinheit.
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