Fünf verlorene Jahre: Umweltverband fordert grundlegenden Politikwechsel
„Die brüske Ablehnung der durch 115.000 Bürger*innen unterstützten Volksinitiative Artenvielfalt im vergangenen Winter zeigte eindrücklich, dass der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu keinem Zeitpunkt auf der Agenda der jetzigen Landesregierung stand“, sagte der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht vor Pressevertretern in Düsseldorf. „Unter Schwarz-Gelb ist gerade unser Land zum Bremser bei dem Thema Artenvielfalt geworden.“
Beispiele hierfür seien der erneute Einsatz eines von der EU längst verbotenen Insektengifts auf NRW-Äckern mittels Ausnahmeregelung und der Erlass der ehemaligen Umweltministerin Heinen-Esser, mit welchem der bundesweit verbotene Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten umgangen wurde. „Umso mehr kommt nun einer neuen Landesregierung die Aufgabe zu, mit einer ambitionierten Pestizidreduktionsstrategie Böden, Trinkwasser und die Pflanzen- und Tierwelt zu schonen. Bis zum Jahr 2030 sollten 25 Prozent der Äcker, Wiesen und Weiden ökologisch bewirtschaftet werden. Hier gehört NRW bundesweit zu den Schlusslichtern“, so Sticht. „Wir brauchen zudem ein Pestizidverbot in Schutzgebieten und ebenso in Pufferzonen von mindestens 1.000 Metern um diese Schutzgebiete herum.“
Flächenfraß wirksam begegnen
Auch beim Thema Flächenverbrauch habe die CDU/FDP-Landesregierung versagt. Bis zur Corona-Pandemie verbrauchte NRW etwa 8 Hektar pro Tag für Siedlungs- und Verkehrsflächen. Dieser massive Flächenverbrauch ist nicht nur ein Naturschutzproblem, sondern z.B. auch ein existenzielles für die landwirtschaftlichen Betriebe. Durch die Streichung des Grundsatzes im Landesentwicklungsplan, Flächenverbrauch zu reduzieren und langfristig auf null zu bringen, sei in den Kommunen ein wahrer „Goldrausch“ künstlich induziert worden: tausende von Hektar wurden und werden neu angemeldet für weiteren Flächenfraß. „Wir fordern deshalb, dass der Landesentwicklungsplan neu aufgelegt wird. Es muss das verbindliche Ziel verankert werden, den Flächenverbrauch bis 2025 auf maximal 5 Hektar pro Tag und bis 2035 auf Netto-Null zu reduzieren. Wir brauchen endlich einen nachhaltigen Umgang mit unserer nun einmal begrenzten Ressource Fläche“, so BUND-Chef Sticht.
Schwere Versäumnisse sieht der BUND auch in der Waldpolitik. Das Absterben von mehr als 100.000 Hektar Nadelbaumplantagen sei auch auf forstwirtschaftliche Fehler zurückzuführen. Die von Umweltministerin Heinen-Esser geförderte Räumung dieser Plantagen mit schwerem Gerät, um neue Plantagen anlegen zu lassen, sei eine fatale Fehlentscheidung gewesen.
„Dieses ‚Weiter so‘ führt nicht nur unweigerlich in die nächste Forstwirtschaftskrise, es ist ein Schlag gegen den Schutz des Waldes, seiner Biodiversität und seiner Aufgaben für den Klimaschutz. Die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021, bei welcher durch schweres Gerät verdichtete Forstböden kaum mehr Wasser aufnehmen konnten, zeigte auf tragische Weise, wie fatal sich der nicht nachhaltige Umgang mit unseren Wäldern auswirken kann,“ analysiert der BUND-Landesvorsitzende. „Wir fordern die Waldwende für NRW: das unqualifizierte Waldbaukonzept des Landesbetrieb Wald und Holz ist durch ein Waldentwicklungsprogramm des Landesumweltamts zu ersetzen, dass prioritär auf die natürliche Waldentwicklung setzt. In diesem Waldentwicklungsprogramm sind auf naturwissenschaftlicher Grundlage basierende Biodiversiätsstandards festzuschreiben, an welchen Fördermittel nach der Maßgabe „öffentliches Geld für öffentliche Leistung“ eingesetzt werden.
Klima retten – Kohleausstieg vollenden
Fünf verlorene Jahre sieht der BUND auch bei der Bekämpfung der globalen Klimakrise. „Der verbrecherische Angriffskrieg Putins auf die Ukraine hat uns in schockierender Deutlichkeit vor Augen geführt, wie abhängig Deutschland vom Import fossiler Energien ist“, sagte Dirk Jansen, NRW-Geschäftsleiter des BUND. „Die schwarz-gelbe Landesregierung setzt mit ihrer Energieversorgungsstrategie auch überwiegend auf solche Importe oder den heimischen Klimakiller Braunkohle. Das muss sich grundlegend ändern. Wir erwarten von einer neuen Landesregierung, dass die fünfjährige Blockade beim Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien beendet wird.“
Die erneuerbaren Energien führen in NRW mit einem Anteil an der Stromerzeugung von etwa 20 Prozent nur ein Schattendasein. Der BUND fordert deshalb eine Ausbauoffensive, die alle von CDU und FDP eingeführten, sachlich nicht begründbaren Restriktionen zurücknimmt. Bis spätestens 2035 müsse die Stromerzeugung zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energien basieren. Dazu schlägt der Umweltverband die landes- und regionalplanerische Sicherung von 2 Prozent der Landesfläche als Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung für die Windenergienutzung vor. Die unbegründete 1.000 Meter-Abstandsregelung zu Siedlungsbereichen müsse ersatzlos gestrichen, Wirtschaftsforste für die Errichtung von Windenergieanlagen geöffnet werden. Einen neuen Schub muss danach auch die Nutzung der Photovoltaik erhalten. Der BUND spricht sich deshalb für eine in der Landesbauordnung verankerte solare Baupflicht für alle gewerblichen und privaten Gebäude aus.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss nach Ansicht der Umweltschützer einher gehen mit einem beschleunigten Kohleausstieg. „Wir erwarten von der neuen Landesregierung umgehend eine neue Braunkohlen-Leitentscheidung, die den Erhalt aller Tagebau-Dörfer durch eine verbindliche Zurücknahme der Tagebaugrenzen garantiert. Nur damit kann NRW seinen Beitrag zur Einhaltung der 1,5 Grad-Klimagrenze leisten“, so Jansen. „Das heißt auch: die Ortslage Lützerath darf nicht abgebaggert werden. Das ist für uns die ‚rote Linie‘, die potenzielle Koalitionäre nicht überschreiten dürfen.“
Hinweis: Die Hintergrundpapiere „Fünf verlorene Jahre – Bilanz der Legislaturperiode 2017– 2022“ sowie „Landtagswahl 2022 – BUND-Kernforderungen“ finden Sie als Download unter www.bund-nrw.de/landtagswahl2022
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