Luftschadstoffe besser überwachen
Freie Radikale beeinflussen unsere Luftqualität, Umwelt, Klima und Gesundheit. Aber in welchem Maße? Diese Frage könnten neue Sensoren aus dem europäischen RADICAL-Projekt demnächst beantworten. Bislang ist der Nachweis freier Radikale technisch höchst aufwändig und ihre Messung die Ausnahme. Die neue Sensortechnik könnte freie Radikale in der Atmosphäre zukünftig in Echtzeit überwachen und so verlässliche Daten schaffen, um ihre Auswirkung auf unsere Gesundheit und Umwelt besser einzuschätzen.
"Elektronische Nase"
Herzstück der Technologie sind wenige Quadratmillimeter kleine Chips aus sogenannten übergangsfreien Nanodraht-Transistoren. Anders als konventionelle Nanodraht-Transistoren arbeiten diese Bauteile ohne Sperrschicht zwischen unterschiedlich strukturierten Halbleiter-Materialien. Dadurch erreichen sie unter anderem ein besonders gutes Signal-zu-Rausch-Verhältnis: eine wichtige Voraussetzung für das Aufspüren der flüchtigen Radikale. Als Teil einer "elektronischen Nase" erzeugen die Nanodrähte beim kleinsten Kontakt mit einem passenden Zielmolekül elektrische Signale mittels einer zusätzlichen, spezifischen Beschichtung. Eine Ausleseelektronik verarbeitet die Signale weiter – ähnlich wie das menschliche Gehirn Riechreize prozessiert und Gerüche erkennt und unterscheidet.
Über die letzten zwölf Monate optimierten die Dresdner Forscher*innen die Eigenschaften der Nanodraht-Chips für den Einsatz in den neuen Sensoren. Damit die Transistoren Signale ausreichend sensitiv und ungestört verarbeiten, müssen die wenige Nanometer dünnen Drähte beispielsweise besonders glatte Oberflächen besitzen und geometrisch ideale Eigenschaften haben. Für das optimale Design nutzen die Forscher*innen daher Simulationen, die Smartcom, ein RADICAL-Industriepartner in Bulgarien bereitstellt. „Das HZDR-Labor ist eines von wenigen Laboren weltweit, das derart dünne Nanodrähte präzise fertigen kann. Mit der Auslieferung der ersten Chips haben wir den ersten technischen Meilenstein erreicht. Jetzt können unsere Partner in Cork und York die Funktionalisierung der Bauteile angehen und die ersten Tests der Sensorik durchführen“, sagt Dr. Yordan Georgiev, einer der Initiatoren des RADICAL-Projekts und Leiter der Nanofabrikation am HZDR. Parallel optimieren er und seine Kolleg*innen den Herstellungsprozess weiter und bereiten Tests der Sensoren in gasförmigen Medien vor.
Kostengünstige und flexible Sensor-Chips
Die Erwartungen an die neuen Sensoren sind hoch, denn vor einigen Jahren haben einige der RADICAL-Forschungspartner ähnliche Nanodraht-Chips bereits in Flüssigkeiten eingesetzt. „Wir konnten damals zeigen, dass wir eine herausragende Sensitivität und Selektivität erreichen können“, sagt Georgiev. Darauf aufbauend nahmen sich die Forscher*innen vor, die hochempfindliche Technologie auch in Gasen zu erproben. Und an Partikeln, die dort besonders schwierig zu detektieren sind: freie Radikale.
Die neuen elektronischen Sensoren sollen zukünftig so kostengünstig und flexibel einsetzbar sein, dass sie problemlos in bereits vorhandene, weltweit verteilte Messstationen zur Überwachung der Luftqualität und Atmosphäre integriert werden könnten. Langfristig könnten die Sensoren auch für andere Anwendungen angepasst werden und neben Radikalen weitere Gase in der Umgebungsluft hochempfindlich nachweisen und so einen Beitrag zum Erhalt unserer Gesundheit leisten.
RADICAL ist ein EU-gefördertes Forschungsprojekt, das innovative Sensoren für den Nachweis freier Radikale in der Atmosphäre entwickelt. Zum multidisziplinären RADICAL-Konsortium gehören das University College Cork (Irland), das HZDR (Deutschland), die University of York (UK), die National Technical University of Athens (Griechenland), Smartcom (Bulgarien) und die UCC Academy (Irland) sowie ein externer Berater der Firma Airlabs (UK).
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
– Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
– Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
– Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat sechs Standorte (Dresden, Freiberg, Görlitz, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.400 Mitarbeiter*innen – davon etwa 500 Wissenschaftler*innen inklusive 170 Doktorand*innen.
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