Medien

Nominierungen für den 71. Hörspielpreis der Kriegsblinden – Preis für Radiokunst

Für die 71. Ausgabe des Hörspielpreis der Kriegsblinden – Preis für Radiokunst hat eine 14-köpfige Jury drei Arbeiten nominiert. Die renommierte Auszeichnung, getragen von der Film- und Medienstiftung NRW und dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV), wird am Dienstag, 17. Mai in der Kölner Wolkenburg vergeben.

Unter Vorsitz der Kulturwissenschaftlerin Gaby Hartel nominierte die Jury folgende drei Produktionen:

Adolf Eichmann – Ein Hörprozess“ von Noam Brusilovsky und Ofer Waldman, Produktion: RBB / DLF 
Dieses Bild ging um die Welt: Adolf Eichmann, Organisator der Deportationen zur Vernichtung der europäischen Juden während der NS-Zeit, sitzt in einer gläsernen Kabine und hört über Kopfhörer die Simultanübersetzung der Anklage durch das Jerusalemer Bezirksgericht 1961. Das dokumentarische Hörspiel „Adolf Eichmann – Ein Hörprozess“ erzählt die Geschichte des Prozesses zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen – aus Sicht der Radiomacher beim damaligen öffentlich-rechtlichen israelischen Rundfunk „Kol Israel“. Zum ersten Mal blieben die Aussagen aus dem Zeugenstuhl nicht innerhalb des Gerichtssaals, sondern wurden, wie auch die Aussagen Eichmanns, die Stimmen der Anklage, der Verteidigung und der Richter, live in die Häuser und Wohnungen in ganz Israel übertragen. Die Realität des Holocaust drang damit in seiner ganzen Dimension an die Ohren der Öffentlichkeit. Die Jury: „Dieses Hörspiel betreibt auf eine Weise Medienarchäologie, die mit den Mitteln der Radiokunst spricht. […] Es war ein Ereignis von ungeheurer Tragweite, denn erstmals wurde der Horror der Vernichtungsmaschinerie in allen Details öffentlich gemacht. […] Das Hörspiel findet vielperspektivisch, leicht und detailreich einen neuen Weg, die Aussagen der Augenzeugen am Leben zu halten. Und hält damit unser kollektives Gedächtnis lebendig.“

Die Arbeit an der Rolle“ von Noam Brusilovsky und Lucia Lucas, Produktion: SWR
Das Hörspiel „Die Arbeit an der Rolle“ erzählt die Geschichte der Opernsängerin Lucia Lucas, die jahrelang als Mann wahrgenommen wurde und ausschließlich maskuline Rollen spielte und sang, bis sie sich 2014 als Transgender-Frau outete. Ihre äußerliche Erscheinung veränderte sich dramatisch, ihre Stimme blieb jedoch unverändert. Das Stück, welches von der Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste als Hörspiel des Monats August 2021 ausgezeichnet wurde, untersucht Rollenspiel und Authentizität in einem Medium, in dem die Einzigartigkeit der Stimme im Vordergrund steht. Die Jury: „Die Geschmeidigkeit, Lässigkeit und Durchlässigkeit der Sprechstimme von Lucia Lucas sind ein perfektes Transportmedium nicht nur für die Arien, die hier auch hörbar werden, sondern vor allem für die vielen Stationen ihrer Lebensgeschichte. So kommen sie uns nah. Beginnen zu leben, zu leuchten und zu atmen. Das Stück bietet seinen Zuhörer:innen mit freundlicher Geste an, einzutauchen in die verschachtelte innere Welt eines, teils aufgezwungenen, Rollenspiels.“

Saal 101. Dokumentarhörspiel zum NSU-Prozess“ von Katarina Agathos, Julian Wiprich, Katja Huber und Ulrich Lampen, Produktion: BR, MDR, SWR, RB, HR, WDR, NDR, RBB, SR
Fünf Jahre, von Mai 2013 bis Juli 2018, hat der NSU Prozess gedauert. Die Mitschriften, die die ARD-Reporter:innen an jedem der über 400 Prozesstage verfasst haben, umfassen an die 6.000 Seiten.
Im Saal 101 beginnt der Prozess gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte. Es ist das größte Rechtsterrorismusverfahren der deutschen Geschichte. Zehn Morde, zwei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle wurden vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) verübt. Das Dokumentarhörspiel verdichtet Protokolle und Notizen der ARD-Gerichtsreporter:innen zu einem einzigartigen Stück Zeitgeschichte: Es lässt die Zeug:innenbefragungen miterleben und gibt damit tiefe Einblicke in deutsche Abgründe. Die Jury: „In ihren besten Momenten kann politisch engagierte Radiokunst komplexe Zustände ins Begreifbare übersetzten. Vor allem dann, wenn die Ausgangslage auf vielen Ebenen so verworren ist, wie im Fall der langen Mordserie an Menschen mit Migrationshintergrund durch die rechte Terrorgruppe ,NSU‘. […] Das künstlerische Produktionsteam entwirft ein hoch konzentriertes, vielfacettiges, vielstimmiges und stimmig gegliedertes Hörbild, das diesen Fall mit all seinen schrecklichen Untiefen in die Verständlichkeit rettet, ohne ihn je vereinfachend abzurunden.“

Streaming der nominierten Hörspiele
Weitere Informationen zu den Autorinnen und Autoren, die Jurybegründungen und Verlinkungen zu den nominierten Hörspielen finden Sie unter: www.filmstiftung.de

Der Hörspielpreis der Kriegsblinden wird seit 1952 jährlich an ein für einen deutschsprachigen Sender konzipiertes Original-Hörspiel verliehen, das in herausragender Weise die Möglichkeiten der Kunstform realisiert und erweitert. Seit 2020 übernimmt der DBSV die Mitträgerschaft vom Bund der Kriegsblinden.

Die Jury des 71. Hörspielpreises der Kriegsblinden: Elisabeth Fertig (Dozentin, Künstlerin, Übersetzerin), Jette Förster (Mitglied des Präsidium DBSV), Gaby Hartel (Kulturwissenschaftlerin, Vorsitzende der Jury), Thomas Irmer (Freier Journalist, u.a. Theater der Zeit), David Knors (Psychologe), Eva-Maria Lenz (Freie Journalistin, u.a. FAZ, epd), Nina Odenius (Redakteurin Agentur für Bildungsjournalismus), Doris Plöschberger (Suhrkamp Verlag), Dietrich Plückhahn (Stellv. Juryvorsitz, Jurist, Musiker), Diemut Ulrike Roether (Journalistin, epd medien), Siegfried Saerberg (Professor Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie), Dörte Severin (ehem. Studienrätin), Hans-Ulrich Wagner (Leibniz Institut für Medienforschung) Jenni Zylka (Journalistin, Autorin und Moderatorin)

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