Gesundheit & Medizin

„Frieden als wichtigste Rahmenbedingung für Gesellschaft und Handwerk“

Zum zweiten Mal brachte das Handwerkspolitische Forum Ost am 11. Mai auf dem Leipziger Messegelände hochkarätige Gäste aus Politik, Handwerk und Wirtschaft miteinander ins Gespräch. Thema in diesem Jahr: Volle Auftragsbücher bei geleichzeitigem Fachkräftemangel, Energiewende und reißenden Lieferketten. Und es wurde deutlich, dass auch der russische Angriffs-Krieg in der Ukraine nicht ohne Folgen für das deutsche Handwerk ist.

Handwerk Wirtschaftsmacht Nummer eins

In den ostdeutschen Ländern sei das Handwerk die Wirtschaftsmacht Nummer eins, darauf wies der Präsident des Thüringer Handwerkstages, Stefan Lobenstein, hin. „Wir sind klassische Handwerksländer. Darauf sind wir stolz“, meinte der Präsident des Thüringer Handwerkstages. Um Betriebsschließungen zu vermeiden, sei die Unterstützung des Staates gefragt. Vor allem die Energiepreise drängen die Betriebe an die Grenze der Wirtschaftlichkeit. „Die Politik, insbesondere die neue Bundesregierung, darf die Handwerksbetriebe nicht bestrafen, sondern muss ihnen beispielsweise bei der Umstellung auf energiesparende Investitionen unter die Arme greifen“, so Lobenstein. „Gleichzeitig muss global gedacht werden, um langfristig stabile Preise zu sichern. Hier muss die Europäische Union als starker Spieler auftreten, um auf internationale Vereinbarungen einwirken zu können.“

Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Freistaates Thüringen, bezeichnete die Bedeutung des Handwerks mit 150.000 Beschäftigten in Thüringen als „unschlagbare Macht“, ohne die sich im Freistaat nichts drehen würde. Bis zum Jahr 2035 gehen 300.000 Menschen in Thüringen in Rente, aber nur 150.000 junge Menschen kommen bis dahin in Beschäftigung. „Wir werden uns alle noch kloppen um den Rohstoff Mensch“, meinte der Ministerpräsident.

Das Handwerk braucht Frieden in Europa

Die zentrale Rolle des Handwerks unterstrich auch Alf Reuter, der Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT) sprach sich angesichts der zu erwartenden Kriegsversehrten in Europa für den Frieden aus. „Leider ist der Krieg 2022 nach Europa zurückgekehrt. Wir Orthopädie-Techniker versorgen Kriegsversehrte. Das können wir, das machen wir bereits und das werden wir auch weiter tun: Aber möge uns eine Eskalation des Krieges erspart bleiben. Frieden ist die wichtigste Rahmenbedingung für Gesellschaft und Handwerk.“ Die Orthopädie-Technik verstehe sich als ein Handwerk, das sich der Verbesserung von Menschen mit Handicap oder Mobilitätseinschränkungen verschrieben habe. Die enormen Möglichkeiten in der Patientenversorgung seien in der parallel stattfindenden OTWorld zu bestaunen. Es sei besorgniserregend, dass im Jahre 2022 die Versorgung von Kriegsversehrten in Europa als ein Schwerpunkt der OTWorld zurückgekehrt sei.

Tags zuvor eröffnete Reuter die Weltleitveranstaltung der Orthopädie-Technik – unter den Ehrengästen: Eine ukrainische Delegation rund um den Parlamentsabgeordneten und Leiter des Parlamentsausschusses für Gesundheit, Mychailo Radutsky, sowie die stellvertretende Ministerin für Gesundheit, Iryna Mykychak, um die Möglichkeiten der Versorgung von Kriegsversehrten mit der Hilfe des Spitzenverbandes der Orthopädie-Technik zu besprechen.

Warnung vor Leistungskürzungen und falsch verstandener Digitalisierung

Als weitere wichtige Rahmenbedingungen, die das Orthopädie-Technik-Handwerk beeinflussen, seien Beständigkeit – in Lieferketten, auf Energiemärkten und bei Rohstoffpreisen – sowie die Anerkennung der Leistungen des OT-Handwerks für die Gesellschaft und damit keine Leistungskürzungen in der Versorgung, gerechte Versorgungsverträge und Kostenträger, die Innovationen an nachhaltigen Verbesserungen für die Lebensqualität der Patienten messen und nicht allein am Preis. Entscheidend sei aber auch eine Politik, die aus Erfahrung lerne und den Wettbewerb nicht mehr an billig, sondern an einem gesellschaftlichen Auftrag zur Verbesserung der Versorgung ausrichte. Eine Politik, die der Zeit mit den Patienten endlich wieder mehr Bedeutung einräume als der Bürokratie. „Und eine Handwerksorganisation, die einen Beruf, den wir lieben, den wir brauchen, nicht leichtfertig mit Verweisen auf Medizin- und Sozialrecht verspielt – sondern die den Meisterbrief als oberstes Qualitätssiegel einer fachgerechten Versorgung schützt“, so der BIV-OT-Präsident in Leipzig. „Eine Handwerksorganisation, die Digitalisierung, die auf laienhafte Art die Patientensicherheit gefährdet, verantwortlich stoppt. Die sich für uns, für unsere Patienten einsetzt – damit Orthopädie-Technik auch in Zukunft Qualitätsstandards in der Versorgung setzen kann: in Deutschland, Europa und der Welt.“

Weitere Grußworte zum Handwerkspolitischen Forum Ost hielten der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Burkhard Jung, Stefan Lobenstein sowie der Geschäftsführer der Leipziger Messe, Martin Buhl-Wagner. Impulse für die abschließende Podiumsdiskussion gab Dr. Carsten Rolle, Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik BDI Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., mit seiner Keynote „Klimapfade für Deutschland“. Zum Abschluss des Handwerkspolitischen Forums griff die Diskussionsrunde um Moderator Robert Burdy das Thema des Forums „Fachkräftemangel, Energiewende, Beschaffungsmarkt: Welche Rahmenbedingungen braucht das Handwerk für weiteres Wachstum“ auf. Zu den Teilnehmern zählten unter anderem Bodo Ramelow, Dirk Palige, Geschäftsführer des Deutschen Handwerkskammertages (DHKT) sowie Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) und Dr. Jörg Dittrich, Präsident des Sächsischen Handwerkstages.

 

Über Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik

Der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT) vertritt als Spitzenverband des orthopädietechnischen Handwerks etwa 2.500 Sanitätshäuser und orthopädietechnische Werkstätten mit mehr als 40.000 Beschäftigten. Jährlich versorgen die angeschlossenen Häuser mehr als 25 Millionen Patienten mit Hilfsmitteln. Der BIV-OT steht in der Verantwortung des deutschen Gesundheitswesens und engagiert sich für die Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der Versorgungsformen.

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