Pressevorschau: audio-grafisch. 16 Entwürfe und ihre Entstehung
In „audio—grafisch“ stehen Hören und Sehen gleichwertig nebeneinander. Die Geschichten hinter den Exponaten erweitern die „öffentlichen“ Werke um tiefere und direkte Einblicke in die Schaffenskraft ihrer Macher*innen. Diese stellen den Gestaltungsprozess transparent und mit ihrer eigenen Stimme dar. Gleichzeitig eröffnet diese audiovisuelle Ausstellung die immense Vielfalt der Visuellen Kommunikation: Neben Plakaten werden Websites, Animationsvideos, Infografik, Buch- und Magazingestaltung, textile und skulpturale Arbeiten gezeigt.
Das Hamburger Gestaltungsbüro Rocket&Wink ist unter anderem für Plakate für das Deutsche Schauspielhaus und die humorvollen Fritz Kola-Anzeigen bekannt. Ihre Gesichter hingegen zeigen sie nicht, sie tragen Masken und bleiben anonym. In der Ausstellung erzählen sie über ihre Bildfindungsstrategien und inspirierende Kommunikation mit Auftraggeber*innen.
Infografiken zählen aktuell zu den am weitesten verbreiteten Bildern. Jan Schwochow – unter anderem bekannt für ganzseitige Infografiken in der Wochenzeitung DIE ZEIT – spricht über die Verantwortung, die mit deren Gestaltung einhergeht. Mit großer Akribie und journalistischem Ethos recherchiert er Fakten und entwirft eingängige Grafiken mit starkem visuellen Storytelling.
Die Art-Direktorin des Missy Magazine Daniela Burger thematisiert queer-feministische Potentiale im Editorial Design. In der Auseinandersetzung mit Hierarchien, Spaltenbreiten und der Wahl von Schriften setzt sie sich für die Vielfalt von Stimmen ein, ohne auf Struktur und Lesbarkeit zu verzichten.
Mark Bohle und Raffael Kormann geben offenherzig Einblick in die Entstehung ihrer Arbeiten. Da sie an unterschiedlichen Orten leben, kommunizieren sie über verschiedene Messenger, die Chatverläufe werden in der Ausstellung gezeigt. Das zugehörige Plakat wurde mithilfe eines iPads gestaltet und hinterfragt humorvoll Professionalität in Zeiten allgemein zugänglicher Gestaltungssoftware.
Das Hamburger Büro Klass hat sich auf die Gestaltung von Buchumschlägen spezialisiert. Wie viele Schritte in der Realisierung eines Gestaltungsauftrags notwendig sind, zeigt die Ausstellung durch die Dokumentation des gesamten Gestaltungs- und Kommunikationsprozesses – vom Briefing über vielstufige Auswahlprozesse und neue Variationen hin zum überzeugenden Ergebnis.
Was kann das Digitale? Wie unterscheidet es sich vom Analogen? Das Hamburger Gestaltungsbüro Liebermann Kiepe Reddemann erprobt die Möglichkeiten digitaler Räume und Gestaltung. Die in der Ausstellung gezeigte Website ist herausfordernd für ihre Nutzer*innen und doch logisch, experimentell im Gestaltungsprozess und ästhetisch und konzeptuell pointiert im Ergebnis.
Anja Kaisers Arbeiten widersetzen sich dem Diktat sofortiger Verständlichkeit und Eindeutigkeit, welches die sogenannte „moderne“ Gestaltung ab den 1920er Jahren prägt. Gerade dadurch schafft sie Sichtbarkeit – hier für feministische Themen und Akteur*innen. Mit ihren herausfordernden Kombinationen von Schrift, Farbe und Formen hat Anja Kaiser einen neuen grafischen Zeitgeist geschaffen, der inzwischen weit über feministische Kontexte hinausreicht.
Auch Charlotte Rohde setzt sich kritisch mit Schriftgestaltung auseinander. Sie macht darauf aufmerksam, dass Schrift nicht nur Inhalt transportiert, sondern die Schriftformen selbst eine Aussage haben. Das MK&G zeigt eine aus Metall gewebte typografische Rauminstallation mit dem Titel „Hot Mess“.
Die an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle lehrende Marion Kliesch setzt sich gemeinsam mit ihren Studierenden mit dem Offsetdruck auseinander. In zahlreichen farbgewaltigen Experimenten führen sie das Verfahren ad absurdum und eröffnen neue Denk- und Handlungsräume.
Annika Lischke collagiert hochästhetische, faszinierende und verzaubernde Kollagen und dreidimensionale Papierobjekte. Sie erforscht unser Verständnis von Schönheit, zerschneidet, rekombiniert und schafft so neue Zusammenhänge, Kontexte und Assoziationen. Die in der Ausstellung gezeigte Arbeit wurde zusätzlich als GIF animiert und zeugt von Lischkes souveräner Verflechtung analoger und digitaler Gestaltungsprozesse.
Für Jihee Lee spielt die Auseinandersetzung mit Herkunft, Migration, Stereotypen und Diversität immer wieder eine Rolle. Durch ihre Gestaltung schafft sie Aufmerksamkeit für diese Themen, u.a. durch die eingängige und wiedererkennbare Kampagne für das interdisziplinäre Festival „fluctoplasma“ in Hamburg.
Die Designerin Nushin Yazdani und der Illustrator José Rojas zeigen das Animations- und Aufklärungsvideo „Wie Maschinen diskriminieren. Facial Recognition & die Matrix of Domination“. Es vermittelt, wie soziale Ungerechtigkeiten durch scheinbar neutrale „Technik“ und Algorithmen reproduziert werden. Gesprochen wird das Video von Alice Hasters und Maximiliane Häcke (bekannt u.a. aus dem Podcast Feuer&Brot).
Der Gestalter und Drucker Dafi Kühne gibt Einblicke in seine Werkstatt. Dort manipuliert er Druckmaschinen, gießt Buchstaben aus Plastik und findet unkonventionelle Wege mit der traditionsreichen Technik des Buchdrucks leuchtende, hochmoderne Plakate zu schaffen.
Als zusätzliche Position wurde das Zoff Kollektiv eingeladen. Es hat sich entschieden, keine Arbeit auszustellen und nicht zu sprechen. Das Kollektiv wendet sich damit gegen die Sakralisierung von Werken und der Überhöhung von Gestalter*innen, wie sie in Museen oftmals praktiziert wird. Es nutzt den ihm zur Verfügung gestellten Raum stattdessen, um die Stimmen und Anliegen anderer sichtbar zu machen.
Die Audioaufnahmen in der Ausstellung sind in Kooperation mit der Macromedia Fachhochschule (Hamburg) entstanden.
Der international renommierte Grafikdesigner und Hochschullehrer Uwe Loesch spricht selbstironisch über die Idealisierung von kreativen Prozessen und wirft die Frage auf, ob man überhaupt über Gestaltung sprechen sollte, oder ob sie für sich selbst sprechen muss.
Das Adbusting-Kollektiv DIES IRAE entwickelt seit vielen Jahren politisch motivierte Plakatkampagnen. Indem es bekannte Werbemotive aufgreift, macht es auf politische Missstände aufmerksam und setzt sich für Menschen- und Tierechte ein. Grafiken und Symbole werden neu kontextualisiert und entlarven auf diese Weise Institutionen, Konzerne und Personen.
Die politische Dimension von Schrift macht die Gestalterin Golnar Kat-Rahmani im wörtlichen Sinne greifbar: Mit der ästhetischen und etymologischen Kraft der arabischen Sprache setzt sie sich gegen Islamophobie ein und bringt arabische Schriftzeichen auf Kleidung. Ganz im Sinne mobiler Botschafter*innen überwirft Kat-Rahmani die Grenzen verschiedener Gestaltungsdisziplinen.
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