Unfallchirurgen stellen 5-Punkte-Plan 2.0 zur Versorgung von Verletzten in Kriegs-, Terror- und Katastrophensituationen vor
Der Ukraine-Krieg zeigt die zunehmende Bedeutung einer funktionierenden zivil-militärischen Zusammenarbeit, wenn es um die medizinische Versorgung von Kriegsverletzten geht. Seit Beginn des Kriegs wurden die bestehenden Strukturen des TraumaNetzwerks DGU® an die aktuellen Anforderungen angepasst, um Kriegsverletzte in der zu erwartenden größeren Zahl auch in Deutschland bestmöglich behandeln zu können. Terroranschläge, schwere Unfälle sowie Naturkatastrophen und andere Großschadensereignisse können in Deutschland schnell zu einer Situation führen, in der die Versorgung verletzter Personen nicht mehr angemessen gewährleistet werden kann. Ist die Einsatzlage so schwerwiegend, dass die zuständigen Behörden und Einrichtungen sie nicht mehr mit eigenen Kräften bewältigen können und besteht zusätzlich Gefahr für das Leben von Opfern, Unbeteiligten und Einsatzkräften, spricht man von einer lebensbedrohlichen Einsatzlage. „Solchen Einsatzlagen kann oft nur mit einer engen Zusammenarbeit verschiedener ziviler und auch militärischer Kräfte begegnet werden“, sagt Univ.-Prof. Dr. Tim Pohlemann, Sprecher des Wehrmedizinischen Beirats des Bundesverteidigungsministeriums.
Mit dem neuen 5-Punkte-Plan 2.0, der in der DGU-Arbeitsgemeinschaft für Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chirurgie (AG EKTC) entwickelt wurde, werden taktische Schritte für die nächsten Jahre formuliert mit dem Ziel, dass Opfer von möglichen Terroranschlägen oder bei Naturkatastrophen in Deutschland zu jeder Zeit und an jedem Ort schnell und situationsgerecht auf hohem Niveau versorgt werden können.
5-Punkte-Plan 2.0 der DGU-AG EKTC zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung in besonderen Katastrophen und bei möglichen Terroranschlägen:
1. Informationsveranstaltungen für nicht-medizinische Entscheidungsträger auf Bundes-, Landes- und lokaler Ebene zu den Besonderheiten eines Massenanfalls von Verletzten (MANV) und eines Massenanfalls von Verletzten bei Terrorlagen (TerrorMANV).
2. Optimierung der interdisziplinären Erstversorgung in der Klinik bei einem MANV oder TerrorMANV mittels einer Beschreibung personeller, fachlicher und materieller Empfehlungen für die teambasierte und interdisziplinäre Erstversorgung in einer lebensbedrohlichen Einsatzlage.
3. Etablierung einer Personenzertifizierung für den Themenkomplex „umfängliche Traumachirurgie“: Entwicklung eines Aus- und Weiterbildungskonzepts für Ärzte zur Vertiefung der Traumaversorgungskompetenz für den einzelnen Verletzten und die Verletzten im Rahmen eines MANV oder TerrorMANV.
4. Sicherheit an und in der Klinik: Erarbeiten von Empfehlungen und praktischen Maßnahmen zur Verbesserung der aktiven und passiven Sicherheit in Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen bei einem TerrorMANV.
5. Weitergehende Empfehlungen für den Terror-, Katastrophen- und Verteidigungsfall, wie das Erstellen einer Kapazitätsanalyse und Behandlungsempfehlungen für die innerklinische Katastrophenmedizin sowie einer Simulation zum Abgleich zwischen Behandlungsempfehlungen und -kapazitäten.
Wie wichtig eine gute zivil-militärische Zusammenarbeit ist, wurde auch beim Hochwasser in der Eifel und im Ahrtal sichtbar. Auch terroristische Bedrohungslagen verlangen nach Kooperation. Dies beinhaltet den Austausch von Wissen und Ressourcen zwischen zivilen Gesundheitseinrichtungen und dem Sanitätsdienst der Bundeswehr sowie Hilfs- und Rettungsorganisationen. „Der kontinuierliche intensive Austausch zwischen zivilen Ärzten und Sanitätsoffizieren sowie regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen haben zu einem besseren gegenseitigen Verständnis und zu einer verbesserten Vorbereitung in den zivilen Kliniken geführt“, sagt Generalstabsarzt Dr. Stephan Schoeps, Stellvertreter des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr und Kommandeur Gesundheitseinrichtungen im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr.
Eine wichtige Aufgabe für die Zukunft besteht in der Klärung, wie notwendige kostenintensive Bevorratung und Notfallübungen finanziert werden. „Die notwendigen Strukturanpassungen mit einem Ad-hoc-Hochfahren der Versorgungsstrukturen in Form von Sachmitteln, Personal und Ausstattung können keinesfalls von den Kliniken aus dem laufenden Budget finanziert werden“, sagt DGU-Generalsekretär Prof. Dr. Dietmar Pennig. „Wir fordern von Politik und Kostenträgern die Bereitstellung von Mitteln entsprechender Größenordnung, um die berechtigten Erwartungen der Bevölkerung in Bezug auf die Daseinsfürsorge zu ermöglichen und das Vertrauen in die medizinische Versorgung sowie die politischen Entscheidungsträger zu rechtfertigen.“
Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) begeht in diesem Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum. Die medizinische Fachgesellschaft wurde am 23. September 1922 in Leipzig als "Deutsche Gesellschaft für Unfallheilkunde, Versicherungs- und Versorgungsmedizin" gegründet. Um jedem Verletzten an jedem Ort in Deutschland zu jeder Zeit die gleichen Überlebenschancen zu bieten, hat die DGU im Jahr 2008 das Projekt TraumaNetzwerk DGU® ins Leben gerufen. Bereits 1993 wurde das TraumaRegister DGU® erstellt. Mittlerweile zeichnet sich in Deutschland eine deutliche Verbesserung der klinischen Infrastruktur und der Prozessqualität bei der Versorgung schwerverletzter Patienten ab.
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