„Das 9-Euro-Ticket generiert im ersten Monat mehr als eine Mrd. EUR an Kundennutzen“
Das Entlastungspaket der Bundesregierung soll vor allem eines: Entlasten. Während sich eine Reihe Autofahrerinnen die Frage stellen, wie viel Preissenkungseffekt ihnen beim Tanken effektiv zugutekommt, ist die Perspektive beim 9-Euro-Ticket eine andere. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) war vor Marktstart davon ausgegangen, das Ticket könnte etwa 30 Mio. Nutzerinnen und Nutzer pro Monat gewinnen. Ende des ersten Nutzungsmonats zeichnet sich ab, dass diese Marke tatsächlich erreichbar erscheint. Berücksichtigt man, dass alle bisherigen Nutzer eines klassischen ÖPNV-Abonnements (ca. 10 Mio. Abonnenten) automatisch das 9-Euro-Ticket erhalten, so bedeutet dies: Etwa zwei Drittel der Besitzerinnen und Besitzer erwerben das 9-Euro-Ticket im freien Verkauf.
„Gerade auf das Verhältnis zwischen bisherigen Neu- und Gelegenheits-Kunden des ÖPNV auf der einen und den Stammkunden mit Abo auf der anderen Seite wird es ankommen, wenn es um die effektive Verlagerung der Mobilität vom Pkw hin zu Bus und Bahn geht. Während Personen, die bereits vor dem 1. Juni 2022 sehr häufig den Nahverkehr genutzt haben, ein beschränktes Verlagerungspotenzial besitzen, ist dieses bei ÖPNV-Wenig-Nutzern ohne Abo ungleich größer. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass die beiden Kundensegmente im Ticket einen unterschiedlichen Wert sehen“, betont Prof. Dr. Andreas Krämer, CEO der exeo Strategic Consulting AG, Co-Autor der Studie OpinionTRAIN und Mitautor des kürzlich erschienenen Fachbuchs „Kundenwertzentriertes Management“ (Springer).
Die Ergebnisse der Studie im Überblick:
Kundennutzen: Wahrgenommener Wert abzüglich der aufgewendeten Kosten
Für den Markttest stellt sich die Frage, welchen Wert die Ticketbesitzerinnen und -besitzer einer (nahezu) kostenlosen Nutzung des Nahverkehrs im Bundesgebiet beimessen. Die Studie OpinionTRAIN hat dazu in einer Sonderwelle speziell die Nutzung des 9-Euro-Tickets zum Start der Gültigkeitsperiode im Juni untersucht und beleuchtet, wie unterschiedliche Kundengruppen den Wert des Tickets einschätzen. Unter Kundennutzen ist dabei der Nettonutzen zu verstehen, der sich als Saldo aus den positiven Nutzenkomponenten (abgebildet durch die Zahlungsbereitschaft) und seinen negativen Nutzenkomponenten, hier: dem gezahlten Preis, ergibt. Für Kunden, die bereits über ein ÖPNV-Abo verfügt haben und nun automatisch ein 9-Euro-Ticket erhalten, besteht der Wert objektiv in einer Reduzierung der Ausgaben für die Monatskarte. Bei Kundinnen ohne Abo kann der Wert des Tickets beispielsweise darin bestehen, Reisen vom Auto (und die damit verbundenen Kosten) auf den Nahverkehr zu verlagern oder zusätzliche Fahrten oder Reisen zu unternehmen.
Die Zahlungsbereitschaften für das Ticket liegen im Mittel bei ca. 45 EUR
Der von exeo entwickelte Ansatz „PSM-Plus“ ermöglicht die Schätzung individueller Zahlungsbereitschaften für das 9-Euro-Ticket. Diese steigen – wie zu erwarten war – mit der Anzahl der Nutzungstage an und liegen im Mittel bei ca. 45 EUR pro Monat. Auch erwartbar war, dass die Zahlungsbereitschaft für das 9-Euro-Ticket bei Ticketbesitzerinnen und -besitzern ohne ÖPNV-Abo geringer ist als im Abo-Segment (im Mittel mit ca. 36 EUR vs. 57 EUR pro Person und Monat). Die starken Unterschiede in diesen Mittelwerten deuten auf eine große Streuung der Zahlungsbereitschaften hin: Etwa 29 % der Ticketbesitzenden sind bereit, für das Ticket maximal 25 EUR im Monat zu zahlen. Gleichzeitig liegen bei 12 % der 9-Euro-Ticketkäufer die Preisbereitschaften bei 70 EUR und mehr.
Nutzer mit niedriger Preisbereitschaft: Bisher weniger klassische ÖPNV-Klientel
Aus den Befragungsergebnissen wird deutlich, dass gerade der extrem niedrige Preis des 9-Euro-Tickets Personengruppen anspricht, die weniger ÖPNV-affin sind: In der Gruppe der Ticketbesitzenden mit geringen maximalen Preisbereitschaften (< 25 EUR pro Monat) sind verstärkt Nicht-/Selten-Nutzer des ÖPNV (32 %; im Segment mit hoher Preisbereitschaft: 16 %) zu finden. Sie verfügt über ein vergleichsweise geringes Haushaltsnettoeinkommen (44 % bis 2.000 EUR; im Segment mit hoher Preisbereitschaft: 33 %), ist eher jünger (42 % < 30 Jahre; im Segment mit hoher Preisbereitschaft: 20 %) und wohnt häufiger in kleineren Wohnorten (41 % < 50.000 Einwohner; im Segment mit hoher Preisbereitschaft: 33 %). Darüber hinaus zeigt das Segment mit geringen Preisbereitschaften Besonderheiten bezüglich der Verkehrsmittelwahl. Nutzer des 9-Euro-Tickets mit geringer Zahlungsbereitschaft zeigen die stärksten Verlagerungseffekte bei der Verkehrsmittelwahl. Nur 45 % geben an, bei der letzten Nutzung des Tickets alternativ den Nahverkehr genutzt zu haben, bei 47 % handelt es sich eine Fahrtenverlagerung (27 Prozentpunkte davon entfallen auf den Pkw) und 8 % sind induziert, also erst durch das 9-Euro-Ticket motiviert worden. Bei Personen mit hoher Zahlungsbereitschaft – in dieser Gruppe sind die bestehenden Abonnentinnen und Abonnenten besonders häufig anzutreffen – handelt es sich überwiegend um Mitnahmeeffekte (das Ticket führt deutlich geringer zu veränderten Verkehrsmittelwahlentscheidungen).
Mehr als eine Mrd. EUR Wertgenerierung für die deutschen Verbraucher im ersten Monat
Wenn der Netto-Nutzen für den Kunden („Value-to-the-customer“) als Eingangsgröße einerseits die maximale Zahlungsbereitschaft (ø 45 EUR pro Monat) einbezieht, die individuell sehr unterschiedlich sein kann, von der andererseits der gezahlte Preis von 9 EUR pro Monat abgezogen wird, dann errechnet sich ein mittlerer Wert pro Nutzerin und Monat von etwa 36 EUR. Bereits Mitte Juni wurde vom VDV die Anzahl von etwa 26 Mio. Kundinnen genannt und dies als Beweis für die hohe Akzeptanz des Tickets gewertet. Werden für den Monat Juni 2022 etwa 29 Mio. Nutzer zugrunde gelegt, dann beträgt der aggregierte Kundenwert 1,04 Mrd. EUR.
„Die Studienergebnisse geben ein erstes – sicher kein abschließendes – Bild zur Wirkungsweise des 9-Euro-Tickets. Entgegen der medialen Berichterstattung, die zunächst vor allem Probleme bei der Nutzung des Tickets in den Vordergrund stellte, wird erkennbar, dass das Angebot auf eine hohe Wertschätzung bei der Kundschaft stößt. Der wahrgenommene Wert des Tickets ist nicht nur bei bestehenden Abo-Kundinnen und -Kunden hoch, sondern auch bei Personen, die das Ticket neu kaufen“, resümiert Johannes Hercher, Vorstand der Rogator AG und Co-Autor der Studie OpinionTRAIN. „Ob das 9-Euro-Ticket aus Sicht der Politik und Wirtschaft die hochgesteckten Anforderungen und Ziele erfüllt, werden die nächsten zwei Monate zeigen.“
Kostenfreier Studienbericht: https://www.rogator.de/studienberichte-opiniontrain/
Hintergrund der Studie: „OpinionTRAIN“ ist eine repräsentativ angelegte Studie zur Bewertung von Trends und des Wertewandels in der Bevölkerung. Grundlage der Untersuchung ist eine Online-Befragung von Personen (18-80 Jahre) in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Schweden. Im Aug./Sep. 2021 wurde die dritte Erhebung durchgeführt, nachdem die erste Erhebung (Apr./Mai 2020) die Situation der Menschen zur Zeit des ersten Lockdowns beleuchtete und die zweite Erhebung (Nov./Dez. 2020) den Fokus auf den 2. Lockdown legte. Die vierte Erhebung im Mrz./Apr. 2022 umfasst eine Befragung von n=1.357 Personen, die zu unterschiedlichen Lebensbereichen befragt werden (n=975 Verbraucher/innen, n=382 Entscheider/innen im Unternehmen). Im Rahmen einer aktuellen Sondererhebung untersucht die aktuelle Erhebung im Juni 2022 die Wirkungen des 9-Euro-Tickets. Befragt wurden ca. 3.200 Personen ab 18 Jahren in Deutschland, Kernzielgruppe sind n=886 Studienteilnehmende, die das 9-Euro-Ticket besitzen.
Über die Herausgeber der Studienreihe „OpinionTRAIN“
Rogator AG
Die Rogator AG steht seit 20 Jahren für leistungsstarke Software und erfolgreiche Online-Forschung. Erfolgsgarant des Unternehmens ist dabei die Kombination aus zuverlässigen Softwareprodukten, fundierten methodischen Kenntnissen im Online-Kunden- und Mitarbeiterfeedback sowie einem umfassenden Full-Service-Angebot: „Combined Competence“ für jedes Befragungsprojekt. Johannes Hercher ist Vorstand der Rogator AG.
exeo Strategic Consulting AG
Die exeo Strategic Consulting AG mit Sitz in Bonn wurde im Jahr 2000 gegründet und ist auf die datenbasierte Entscheidungsunterstützung im Marketing ausgerichtet. Schwerpunkte der Beratungsgesellschaft liegen im Bereich Mobilitäts-, Kundenwert- und Preismanagement. Zur Erarbeitung konkreter Empfehlungen setzt exeo auf die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen, zu denen auch innovative Befragungen zählen. Prof. Dr. Andreas Krämer ist Vorstandsvorsitzender der exeo Strategic Consulting AG in Bonn und unterrichtet u.a. Preismanagement, CRM, Marktforschung und Statistik u.a. an der University of Applied Sciences Europe, Fachbereich Wirtschaft in Iserlohn. Seit 2014 hat er eine Professur für Pricing und Customer Value Management. Er ist zudem Vorstand von VARI (Value Research Institute) in Iserlohn.
Die Studienreihen „OpinionTRAIN“, „Pricing Lab“ und „MobilitätsTRENDS“ sind Kooperationsprojekte der Rogator AG und der exeo Strategic Consulting AG.
Das Fachbuch „Kundenwertzentriertes Management: Value-to-Value – Pricing – Big Data – Controlling“ von Prof. Dr. Andreas Krämer und Prof. Dr. Thomas Burgartz ist bei Springer im Mai 2022 erschienen.
Rogator AG
Emmericher Str. 17
90411 Nürnberg
Telefon: +49 (911) 81005-50
Telefax: +49 (911) 81005-70
http://www.rogator.de
Vorstand
Telefon: +49 (911) 8100550
E-Mail: j.hercher@rogator.de
exeo Strategic Consulting AG
Telefon: +49 (178) 25622-41
Fax: +49 (228) 62978-51
E-Mail: andreas.kraemer@exeo-consulting.com