Kunst & Kultur

Documenta fifteen: Verantwortung bleibt. Verantwortung lässt sich nicht outsourcen

Gestern hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Documenta fifteen in Kassel eröffnet. In seiner Eröffnungsrede geht er hauptsächlich auf den Streit ein, ob die Ausstellung israelfeindliche Ansichten oder sogar Antisemitismus hofiert.

Der Bundespräsident sagte u.a. „Kunst darf anstößig sein, sie soll Debatten auslösen. Mehr noch: Die Freiheit der Meinung und die Freiheit der Kunst sind Wesenskern unserer Verfassung. Kritik an israelischer Politik ist erlaubt. Doch wo Kritik an Israel umschlägt in die Infragestellung seiner Existenz, ist die Grenze überschritten.

Das im Vorfeld der Eröffnung der Documenta fifteen geplante Gesprächsforum „We need to talk“, dass sich mit diesen Vorwürfen auseinandersetzen sollte, wurde von den Veranstaltern der Ausstellung kurzfristig abgesagt. Der Zentralrat der Juden war in die Vorbereitung der Gespräche nicht eingebunden. Nachdem er sich über diese Ausgrenzung richtigerweise beschwert hatte, wurde er nicht hinzugezogen, sondern die Gesprächsreihe wurde abgesagt.

In einer für einen Bundespräsidenten ungewöhnlichen Direktheit sagt Bundespräsident Steinmeier zu diesem Vorgang: „Daher wende ich mich heute auch an die Geschäftsführung und an die Gesellschafter der documenta. Es gehört zum Prinzip dieser Weltkunstschau, dass jede Ausstellung unabhängig kuratiert wird. Das weiß ich. Und die enorme Bedeutung der documenta als das Forum der globalen Kunstgemeinde hat ganz sicher auch mit der großen künstlerischen Freiheit zu tun, die jede Kuratorin, jeder Kurator – oder wie in diesem Jahr das kuratierende Kollektiv – genießen. Aber: Die Verantwortung bleibt ja. Verantwortung lässt sich nicht outsourcen.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Bundespräsident Steinmeier hat in seiner Rede klar gesagt, dass die Kunstfreiheit selbstverständlich auch künstlerische Positionen zulässt, die einem nicht gefallen. Er hat aber auch deutlich gemacht, dass es die Aufgabe der Geschäftsführung und Gesellschafter der Documenta fifteen ist, eine offene Debatte zu den Vorwürfen der Israelfeindlichkeit oder sogar des Antisemitismus unter zwingender Einbeziehung der betroffenen Gruppen zu führen. Gesellschafter der Documenta fifteen sind die Stadt Kassel und das Land Hessen. Mit in der Verantwortung ist auch die Kulturstiftung des Bundes, die die Documenta fifteen mitfinanziert. Auch der Deutsche Kulturrat erwartet von der Geschäftsführung und den Gesellschaftern der Documenta, dass diese notwendige Debatte jetzt umgehend, unter Einbeziehung des Zentralrates der Juden, geführt wird.“  

Literaturhinweise zum Thema:

  • Politik & Kultur Juni 2022 mit dem Schwerpunkt "Jüdischer Alltag in Deutschland" lesen Sie hier.
  • Politik & Kultur Februar 2022 mit dem Schwerpunkt "Israel – Ein Kulturporträt" lesen Sie hier.
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