Expertentreffen zu kindlichen Hirntumoren: Start der größten internationalen Fachtagung (ISPNO) in Hamburg
In Deutschland erkranken jedes Jahr mehr als 2.000 Kinder und Jugendliche an Krebs. Hirntumore sind in dieser Altersgruppe besonders häufig und machen etwa 25 Prozent aller Erkrankungen aus. Die notwendigen Therapien sind oft langwierig und belastend, so dass eine Krebsdiagnose einen tiefen Einschnitt in das Leben dieser jungen Patienten und ihrer Familien bedeutet. Trotz aller Fortschritte verläuft etwa ein Drittel der Erkrankungen tödlich.
Die ISPNO, die dieses Jahr erstmals in Deutschland stattfindet, ist der weltweit wichtigste Kongress für kindliche Hirntumoren. Die Konferenz in Hamburg, unter der Schirmherrschaft von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher, richtet sich an Wissenschaftler und Ärzte aus verschiedenen Disziplinen. Das wissenschaftliche Programm der ISPNO 2022 deckt alle Bereiche der präklinischen und klinischen Forschung in der Kinder-Neuroonkologie ab und umfasst außerdem Aspekte der Rehabilitation und Pflege.
Die pädiatrische Neuroonkologie hat in letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte gemacht. So hat sich mit der gerade erschienenen 5. Auflage der WHO-Klassifikation von ZNS-Tumoren, inklusive derer von Kindern und Jugendlichen, in der Diagnostik kindlicher Hirntumoren ein regelrechter Paradigmenwechsel vollzogen. Das Nachschlagewerk, das gemeinsam von Wissenschaftlern am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und zahlreichen internationalen Experten verfasst wurde, wird auf der Tagung vorgestellt. Es beruht auf einem modernen, vielschichtigen Ansatz, der nicht mehr nur mikroskopisch sichtbare, sondern auch zahlreiche molekulare Merkmale der vielfältigen Hirntumorarten in die Diagnose miteinfließen lässt. Stefan Pfister, Direktor am KiTZ, Abteilungsleiter des DKFZ, Kinderonkologie am UKHD und einer der beiden Organisatoren der ISPNO, der zu den Hauptautoren der Veröffentlichung gehört, sagt: "Die neue WHO-Klassifikation bildet für Ärzte und Kinderonkologen weltweit die Grundlage einer modernen präzisen Krebsdiagnostik und basiert auf den neuesten internationalen Forschungsergebnissen."
Mit der Entdeckung der charakteristischen molekularen Merkmale kindlicher Hirntumoren haben auf der einen Seite Ansätze der personalisierten Medizin verstärkt Einzug in die Kinder-Onkologie gehalten. Auf der anderen Seite besteht weiterhin der dringende Bedarf, Standard-Therapien in Phase III-Studien kontinuierlich zu verbessern. Wie lassen sich diese beiden auf den ersten Blick widersprüchlichen Konzepte zusammenbringen? Bei einer Round Table Veranstaltung diskutieren Ärzte, wie sie diese teilweise schwierigen Entscheidungen treffen und welches der beiden Konzepte bei einzelnen Patienten priorisiert werden sollte.
"Nebenwirkungen und Spätfolgen der Therapie zu reduzieren, ohne die Heilungschancen der betroffenen Kinder zu verschlechtern, ist ein weiteres zentrales Ziel der pädiatrischen Onkologie", sagt Stefan Rutkowski, Direktor der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie am UKE, ebenfalls wissenschaftlicher Leiter der ISPNO. "Wir müssen langfristig den "Preis des Überlebens" senken." Um dies für immer mehr Patienten zu erreichen, ist es notwendig, Parameter der Lebensqualität und Neuropsychologie weltweit standardisiert zu erfassen. Wie dies gelingen kann und Spätfolgen vermindert werden können, thematisierten Experten aus Memphis, USA, und Toronto, Kanada.
Auch die biologische Grundlagenforschung eröffnet faszinierende Perspektiven für die Neuroonkologie: Wie sich Hirntumorzellen durch ihre Kommunikation untereinander, aber auch mit gesunden Gehirnzellen, sehr geschickt in das normale Gewebe integrieren und dadurch auch vermeiden, vom Immunsystem als fremd erkannt zu werden, stellen Experten aus Heidelberg und Stanford, USA, bei der ISPNO vor. Ausgehend von diesen neuen Erkenntnissen zur Wechselwirkung der Tumorzellen mit Ihrer Umgebung wollen die Wissenschaftler langfristig neuartige Therapieansätze entwickeln.
Patientenvertreterinnen- und -vertreter spielen glücklicherweise auch in der Forschung eine immer größere Rolle. Als Patientenbeiräte bringen sie die Patientensicht in Forschungsstrategien ein und können ausgewählte Forschungsvorhaben durch Stellungnahmen und Empfehlungen befürworten. Sie leisten damit ebenfalls einen wichtigen Beitrag, um den Zugang zu innovativen Therapien für krebskranke Kinder zu erleichtern und können durch ihre Stimme gerade in Deutschland zum Abbau regulatorischer Hürden zur Öffnung neuer klinischer Studien beitragen. Diesen Themen und ethischen Entscheidungen widmen sich betroffene Eltern in der Patientensession mit Impulsvorträgen. Moderiert wird die Session von Dr. Johannes Wimmer, betroffener Vater, Mediziner und Fernsehmoderator.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
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