Krankenhausreform muss Versorgung in Zeiten des Fachkräftemangels sichern
Zwei Pandemiejahre lassen die Krankenhäuser wirtschaftlich und personell ausgeblutet zurück. Hinzu kommen die dramatischen Kostensteigerungen der letzten Monate, die Krankenhäuser – anders als andere Branchen – nicht über Preisanpassungen weitergeben können. Es bedarf als Sofortmaßnahme schnellstmöglich eines gesetzlichen Zuschlags zum Inflationsausgleich, um die wirtschaftliche Schieflage der Krankenhäuser nicht vollständig zum Kippen zu bringen.
Mit der im Koalitionsvertrag angekündigten Krankenhausreform sollen mittelfristig grundlegende Änderungen des Finanzierungssystems vorgenommen werden. Aus Sicht der Krankenhäuser müssen dabei in erster Linie Lösungen für die großen Kostenblöcke Personal und Investitionen gefunden werden. Die Unterfinanzierung dieser Bereiche hat in der Vergangenheit maßgeblich den heutigen Fachkräftemangel mit verursacht. Ein abgesicherter Budgetanteil für Vorhaltekosten könnte wirtschaftlichen Druck insbesondere von den Personalkosten nehmen. Die leistungsabhängige Vergütung sollte weiterhin anteilig über DRG erfolgen. Zudem muss ein ernsthafter Bürokratieabbau in einer Reform zwingend mitgedacht werden, um das Personal zu entlasten.
Eine Krankenhausreform wird auch nur dann erfolgreich sein, wenn eine Lösung für eine gesicherte Investitionsfinanzierung in betriebswirtschaftlich erforderlicher Höhe gefunden wird. Die Investitionslücke – in Hamburg 65 Mio. € pro Jahr – trägt zur wirtschaftlichen Misere der Krankenhäuser durch Querfinanzierung von Eigenbeteiligungen und nicht geförderten Investitionsmaßnahmen bei.
Die Ausgangslage für die angestrebte Krankenhausreform ist denkbar schlecht. Sie trifft auf personell und wirtschaftlich geschwächte Krankenhäuser, die durch den unzureichenden Rettungsschirm nach mehr als zwei Jahren Pandemie schlechter dastehen als 2019. Hier sind noch dringend Korrekturen erforderlich: der 2%-ige Selbstbehalt der Ganzjahreserlösausgleiche 2021 und 2022, den derzeit die Krankenhäuser tragen, muss gestrichen werden! Der Versorgungszuschlag sollte über den 30. Juni 2022 hinaus weitergelten, da er zielgerichtet den Krankenhäusern zukommt, die COVID-19-Patientinnen und -Patienten behandeln und dadurch einen höheren Aufwand haben. Auch muss zeitnah über Maßnahmen für einen möglichen Corona-Herbst nachgedacht werden, damit die Krankenhäuser wissen, worauf sie sich einstellen können.
Die Inflation verstärkt massiv den wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser. Die Preissteigerungen der vergangenen Monate für Energie, Lebensmittel, Medikamente, IT-Produkte, Dienstleistungen und Medizinprodukte u.v.m. können im Finanzierungssystem der Krankenhäuser unterjährig nicht abgebildet, die Preise nicht erhöht werden. Daher ist kurzfristig ein Inflationszuschlag erforderlich, um den Krankenhäusern durch das Jahr 2022 zu helfen.
In der Pandemie ist deutlich geworden, dass die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser durch die Personalausstattung begrenzt wird. Der Fachkräftemangel ist in der Pandemie weiter gestiegen. Dieser betrifft längst nicht nur die Pflege, sondern mit zunehmender Tendenz auch die Ärzte, therapeutische Berufe, Hebammen und weitere Gesundheitsberufe. Daher müssen bei einer Reform alle Berufe im Krankenhaus in den Fokus genommen werden. „Dem Fachkräftemangel kann langfristig nur entgegengewirkt werden, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen und ausreichend Personal vorhanden ist. Voraussetzung hierfür ist eine Finanzierungssicherheit für dieses Personal“, so Joachim Gemmel. „Beim Pflegebudget gab es die politische Zusage für eine vollständige Finanzierung der Pflege am Bett, doch wir erleben in den Budgetverhandlungen etwas völlig anderes. Außerdem müssen wir durch die schleppenden Verhandlungen die Kosten für die Pflege über Jahre hinweg teilweise vorfinanzieren. Daher setzen wir uns für einfachere und berufsgruppenübergreifende Regelungen ein, die weniger Abgrenzungsfragen und Streit verursachen.“ Das Pflegebudget könne daher nur ein Instrument des Übergangs zu einer neuen Finanzierungsform des Personals sein, so Gemmel weiter.
Für die Betriebsbereitschaft und Leistungsfähigkeit eines Krankenhauses ist eine Mindestausstattung von Personal aller Berufsgruppen Voraussetzung. Für die Pflege wird diese Mindestbesetzung den Krankenhäusern seit Jahren durch die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung (PPUGV) vorgeschrieben. Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft schlägt vor, dass die Kosten für das betriebsnotwendige Personal aller Berufsgruppen einschließlich der Pflege sowie weitere Fixkosten als Vorhaltekosten zu betrachten seien. Diese sollten zukünftig durch ein garantiertes Grundbudget finanziert werden. Der leistungsbezogene Finanzierungsanteil wäre weiterhin durch eine anteilige DRG zu vergüten.
Eine regelhafte Anpassung des Personalkostenblocks im Zeitverlauf an die aktuelle Tarifentwicklung müsse gewährleistet sein.
Ein erster Einstieg in eine solche Vorhaltefinanzierung wurde bereits mit den Pauschalen für die Notfallversorgung gemacht. Diese sind mit der Anerkennung der Notfallstufen des G-BA beim jeweiligen Krankenhaus verknüpft und sollen dem hohen Anteil an Vorhaltekosten in den Notaufnahmen unterstützend Rechnung tragen. „Daran kann man anknüpfen“, so Gemmel, „wenn man Vergütung an Strukturen koppeln möchte.“. Auch krankenhausplanerische Tatbestände könnten als Voraussetzung für pauschale Finanzierungskomponenten herangezogen werden.
Eine Krankenhausreform ist eine große Chance für einen ernsthaften Bürokratieabbau. Fast die Hälfte der Arbeitszeit verbringen Ärzte, Ärztinnen und Pflegekräfte mit patientenfernen Tätigkeiten, viele davon nur aus Gründen der Erlössicherung in den Abrechnungsprüfungen, Qualitätskontrollen und Strukturprüfungen des Medizinischen Dienstes. „Eine Reform des Finanzierungssystems bietet die einmalige Chance, einen Großteil dieser Kontroll- und Misstrauensbürokratie über Bord zu werfen und das medizinische und pflegerische Fachpersonal wieder für die Arbeit an den Patienten freizubekommen, eine einfache Maßnahme gegen den Fachkräftemangel“, so Gemmel.
Auf eine tragfähige Lösung warten die Krankenhäuser seit langem in der Investitionsfinanzierung der Länder. Jahr für Jahr verbleibt den Krankenhäusern eine Eigenbeteiligung, in jedem Land unterschiedlich hoch, bundesweit von 3,2 Mrd. € pro Jahr, in Hamburg von 65 Mio. € pro Jahr. Dies können Krankenhäuser nur durch Querfinanzierung aus den ohnehin schon defizitären Betriebserlösen leisten. Ohne eine Lösung für eine verlässliche Investitionsfinanzierung in betriebswirtschaftlich notwendiger Höhe von ca. 8 % des Umsatzes wird eine Krankenhausreform nicht langfristig erfolgreich sein können. Möglicherweise kann diese Lücke nur durch eine zusätzliche Finanzierungsquelle in einer zwischen Bund und Ländern geteilten Verantwortung geschlossen werden.
Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft (HKG) ist der Dachverband der Krankenhausträger in Hamburg. Sie vertritt die Interessen von 35 öffentlichen, freigemeinnützigen und privaten Krankenhäusern in Hamburg und Umgebung. Jährlich versorgen Hamburgs Kliniken allein stationär mehr als 500.000 Patientinnen und Patienten, davon ein Drittel aus den angrenzenden Bundesländern. Mit mehr als 32.500 Beschäftigten sind die Hamburger Krankenhäuser – zusammengenommen – einer der größten Arbeitgeber der Stadt.
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