Liebing: Nach Ausrufung der Alarmstufe weitere Maßnahmen nötig
- – Instrumente zur Krisenbewältigung gegenwärtig noch nicht ausreichend
- – Preisweitergabe in bestehender Form hätte enorme Auswirkungen auf Endkunden. Anpassungen und eine zusätzliche Absicherung auf der Importstufe geboten
- – Stadtwerke brauchen Schutz gegen wirtschaftliche Turbulenzen, um Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten
VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing zur heutigen Ausrufung der Alarmstufe nach dem Notfallplan Gas:
„Die Vorgänge der letzten Wochen belegen erneut: Russland setzt das Gas als Waffe ein. Dass das Bundeswirtschaftsministerium heute die Alarmstufe ausgerufen hat, unterstreicht: Die Lage ist sehr ernst.
Richtig ist, dass zeitgleich mit der Ausrufung der Alarmstufe nicht auch sofort die im EnSiG geregelte sogenannte Preisweitergabe aktiviert wurde. Die Preisweitergabe wie bisher vorgesehen muss dringend angepasst werden. Würde diese wie im gerade beschlossenen Gesetz jetzt aktiviert werden, hätte dies drastische Auswirkungen auf die Verbraucher. Zudem könnten die dadurch entstehenden Belastungen je nach Anteil russischen Gases in den Lieferverträgen für einzelne Kunden extrem unterschiedlich hoch ausfallen.
Aus Sicht der Kommunalwirtschaft muss der Instrumentenkasten zur Bewältigung der Herausforderungen jetzt dringend erweitert werden. Denn besser als die bloße Preisweitergabe wäre wie vom VKU wiederholt gefordert eine Abschirmung der bestehenden Preise schon auf der Importstufe. Damit würden die betroffenen Händler und Versorgungsunternehmen in die Lage versetzt, ihre Lieferverpflichtungen zu den vereinbarten Konditionen aufrecht zu erhalten. Dies verhindert einen Dominoeffekt in den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen und vermeidet eine unterschiedliche Betroffenheit von Endkunden. Je nachdem wie die Kosten dieser Abschirmung refinanziert werden – z. B. in einer Mischung aus Umlage und staatlichem Zuschuss – lassen sich so auch Auswirkungen an die Endkunden erheblich abmildern. Und je früher gegengesteuert wird, umso geringer wird der Aufwand für Unterstützungsmaßnahmen bei den Endkunden.
Unabhängig davon brauchen wir jetzt dringend Regelungen zur Abschirmung und Liquiditätssicherung sowie ein Insolvenzmoratorium auch für kommunale Unternehmen. Mit der Aktivierung der Preisweitergabe kämen für die Stadtwerke zu den bereits bestehenden, weitere enorme Unsicherheiten hinzu: Im Fall einer bloßen Preisweitergabe drohen bis zum rechtssicheren Vollzug enorme Liquiditätsrisiken. Zudem ist mit erheblichen Zahlungsausfällen bei den Endkunden zu rechnen. Darüber hinaus fehlt bei der Preisweitergabe nach §24 EnSiG eine analoge und praktikable Regelung für Fernwärme und Gasverstromung, notfalls aber mindestens wirtschaftliche Hilfen für die Betreiber.“
Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit rund 283.000 Beschäftigten wurden 2019 Umsatzerlöse von 123 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 13 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 62 Prozent, Gas 67 Prozent, Trinkwasser 91 Prozent, Wärme 79 Prozent, Abwasser 45 Prozent. Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen durch getrennte Sammlung entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 67 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 203 Unternehmen investieren pro Jahr über 700 Millionen Euro. Beim Breitbandausbau setzen 92 Prozent der Unternehmen auf Glasfaser bis mindestens ins Gebäude. Wir halten Deutschland am Laufen – klimaneutral, leistungsstark, lebenswert. Unser Beitrag für heute und morgen: #Daseinsvorsorge. Unsere Positionen: 2030plus.vku.de.
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