Nachhaltigkeitsverordnung: Verlängerung der Übergangsfrist lange überfällige Entscheidung – Energieknappheit erfordert weitere Erleichterung bei bürokratischen Hürden
„Für hunderte Biogasanlagen und Holzheizkraftwerke schafft die Verlängerung der Übergangsfrist für die Auditierungen endlich die Möglichkeit, sich fristgerecht zertifizieren zu lassen, ohne die EEG-Vergütung zu verlieren. Angesichts des Engpasses an verfügbaren Auditoren ist die Verlängerung eine lange überfällige Entscheidung. Das Hauptstadtbüro Bioenergie rät aber dringend an, die Einführung der Nachhaltigkeitszertifizierung – wie im europäischen Emissionshandel auch – komplett um ein Jahr zu verschieben, um die erforderlichen Umstellungen der Biomasselieferungen und die Zertifizierung entlang der gesamten Lieferkette durchführen zu können. Unabhängig von dem nun später möglichen Termin für die Auditierung müssen weitreichende Vorgaben der BioSt-NachV bereits seit Beginn des Jahres eingehalten werden.
Die insgesamt zu kurze Einführungsfrist von drei Wochen Ende letzten Jahres führt zudem zu ungeklärten Fragen in der praktischen Umsetzung der Verordnung. Viele Fragen sind auch deswegen offen, da die Umsetzungsverordnung zu den freiwilligen Zertifizierungssystemen von der EU erst in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde und zu den Nachhaltigkeitsanforderungen im Forstbereich aber noch immer aussteht.
Besonders im Abfallbereich besteht noch Informations- und Klärungsbedarf seitens der Bundesregierung, welche zusätzlichen Anforderungen aus Nachhaltigkeitssicht zu den bestehenden umfassenden Dokumentations- und Kontrollpflichten des Abfallrechts einzuhalten sind. Dies führt dazu, dass die Vorkette nicht bereit war und teilweise nach wie vor nicht bereit ist, sich zertifizieren zu lassen.
Ebenso problematisch sind die nicht kompatiblen Bilanzzeiträume des Gashandels (EEG, KWKG) mit den Vorgaben der BioSt-NachV. Aufgrund bestehender Lieferverträge, die nicht innerhalb von drei Wochen verändert werden konnten, ist ein Ausgleich der Massenbilanz im ersten Quartal nicht möglich, was der Nachhaltigkeitszertifizierung widerspricht. Üblicherweise erfolgt der Ausgleich im Gashandel über ein Kalenderjahr. Insbesondere betroffen sind hier auch Kommunen, die Biomethan zur Energieversorgung einsetzen.
Weiterhin nicht geklärt ist der Umgang mit eingelagerter Biomasse, für die rückwirkend keine Nachhaltigkeitsnachweise mehr erstellt werden können. Deshalb fordern wir, dass der Starttermin der BioSt-NachV auf den 01.01.2023 verschoben wird, um diese Biomasse rechtssicher in diesem Jahr einsetzen zu können. Angesichts der Energie- und Gasknappheit kann es nicht sein, dass ein bürokratisches Monster die Produktion erneuerbarer Energie durch Rechtsunsicherheit behindert.“ Das HBB hat in seiner Stellungnahme zur Änderung der BioSt-NachV kritisiert, dass die Zertifizierung für die vorgelagerte Biomassekette nur mit zusätzlichen Kosten verbunden sei, ohne eigene wirtschaftliche Anreize zur Zertifizierung. Dementsprechend und aufgrund der umfangreichen Dokumentations- und Kontrollpflichten des Abfallrechtes, hat das HBB eine eigenständige und vereinfachte Regelung für Abfälle eingefordert.
Weiteren Nachbesserungsbedarf sieht Rostek bezüglich des Kontrollaudits nach einem halben Jahr: „Wir verstehen nicht, weshalb die Bundesregierung in Anbetracht des Auditorenmangels weiter an dem EU-rechtlich nicht erforderlichen Kontrollaudit ein halbes Jahr nach Erstzertifizierung festhält. Die Aussetzung des Kontrollaudits würde schnell und wirkungsvoll Auditoren für Erstzertifizierungen freistellen, ohne Nachhaltigkeitsrisiko der bereits zertifizierten Unternehmen. Auch wenn mit der jetzigen Fristverlängerung etwas Zeit verschafft wurde, bedeutet die Umsetzung der BioSt-NachV für die Bioenergiebranche immer noch einen Kraftakt und es ist längst nicht sicher, dass in den nächsten sechs Monaten alle von der BioSt-NachV betroffenen Bioenergieanlagen sowie deren Vorketten einen Audittermin bekommen, geschweige denn die neu betroffenen Nachweisverpflichteten im EU-Emissionshandel.“ warnt die Leiterin des HBB.
Die von der Bundesregierung geänderte BioSt-Nachv sieht vor, dass die betroffenen Biogasanlagen über 2 MW Gesamtfeuerungswärmeleistung und Holzheizkraftwerke über 20 MW Gesamtfeuerungswärmeleistung sowie deren Lieferanten und Verarbeiter von Biomassen bei einem nachweislichen Mangel an Auditoren gegenüber der Bundesanstalt für Landwirtschaft (BLE) mittels Eigenerklärung eine Verlängerung der Frist für die Nachhaltigkeitszertifizierung beantragen können. Die Verordnung steht im Bundesgesetzblatt zum Download zur Verfügung. Die von der EU-Kommission für die Nachhaltigkeitszertifizierung anerkannten Systeme sind auf der Website der EU-Kommission einsehbar, darunter das deutsche System SURE: https://sure-system.org/de/
Über die Bioenergieverbände
Im „Hauptstadtbüro Bioenergie“ bündeln vier Verbände ihre Kompetenzen und Ressourcen im Bereich Energiepolitik: der Bundesverband Bioenergie e.V. (BBE), der Deutsche Bauernverband e.V. (DBV), der Fachverband Biogas e.V. (FvB) und der Fachverband Holzenergie (FVH). Gemeinsam bilden sie die gesamte Bioenergiebranche ab von Land- und Forstwirten, Anlagen- und Maschinenbauern, Energieversorgern bis hin zu Betreibern und Planern. Das Hauptstadtbüro Bioenergie verleiht den vielen unterschiedlichen Akteuren und verschiedenen Technologien der Bioenergiewirtschaft eine gemeinsame starke Stimme gegenüber der Politik. Insbesondere in den Sektoren Strom und Wärme setzt es sich technologieübergreifend für die energiepolitischen Belange seiner Trägerverbände ein. Im Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern kann das Hauptstadtbüro Bioenergie auf ein breites Unterstützernetzwerk zurückgreifen und kooperiert insbesondere mit dem Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE)
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