VKU-Chef Ingbert Liebing: „Der Kompromiss verheddert sich in Komplexität“
VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing: „Der EU-Emissionshandel ist ein zielgerichtetes und kosteneffizientes Klimaschutz-Instrument. Deswegen ist es richtig, ihn schrittweise auf diejenigen Sektoren mit dem größten verbliebenen Klimaschutzpotenzial, auf den Gebäude- und Verkehrssektor, auszuweiten. Doch der Kompromiss verheddert sich in Komplexität. Hier muss nachgebessert werden. Besser wäre es beispielsweise, die bestehenden nationalen Verwaltungsstrukturen weiter nutzen zu können, statt neue, parallele Strukturen zu schaffen. Offen bleibt auch, wie die Emissionen im privaten Gebäudesektor adressiert werden können, die seit Jahren kaum gesunken sind. Dazu fehlen bisher überzeugende, alternative Konzepte.“
Ein Beispiel für die Komplexität: Zunächst sollen nur gewerbliche Gebäude und der gewerbliche Verkehr einbezogen werden. 2029 sollen dann Privathaushalte und privater Verkehr folgen. „Für Stadtwerke und kommunale Versorger vor Ort ist eine solche Unterscheidung zwischen gewerblichen und privaten Akteuren kaum umsetzbar“, so Liebing, „und versursacht für die Energielieferanten einen unnötigen Zusatzaufwand, um Energielieferungen für solche Gebäude zu bepreisen, die gewerblichen und privaten Wohnraum vereinen. Diese praktischen Fragen zur Umsetzung betreffen ja keine Ausnahmen, sondern klassische Wohnviertel in unseren Städten.“
Besonders kritisch sieht Liebing die Nicht-Weitergabe von CO2-Kosten: „Der Wunsch, die Weitergabe der CO2-Kosten an private Endverbraucher auf die Hälfte zu deckeln, ist gerade in Zeiten steigender Energiepreise zwar nachvollziehbar. Doch EU-Kommission und Europäisches Parlament geben keine Antwort darauf, wer die restlichen 50 Prozent tragen soll – ganz abgesehen davon, wie so eine volle Lenkungswirkung zum Verzicht auf fossile Energieträger erzielt werden soll, zumal der Krieg in der Ukraine uns allen zeigt, welche folgenschweren gesamtwirtschaftlichen Risiken eine Abhängigkeit von fossilen Energieträgern mit sich bringt. Wir müssen schneller werden beim Umstieg auf erneuerbare Energien und klimaneutrale Gase und Energieeffizienzmaßnahmen stärker anreizen.”
Das Parlament schlägt zudem eine Prüfung vor, inwiefern auch die Abfallverbrennung ab 2026 in den Emissionshandel miteinbezogen werden kann. Dafür sollten aus Sicht der kommunalen Abfallwirtschaft auf jeden Fall zwei Bedingungen gelten: erstens eine gründliche Analyse der abfallwirtschaftlichen Folgen und zweitens die Gleichbehandlung aller Behandlungsverfahren. Sonst würden Siedlungsabfälle wieder vermehrt auf Deponien landen. Das wäre klimaschädlicher als die Verbrennung und ist hierzulande deswegen seit 2005 verboten. Auch ist nun die Bundesregierung gefordert: Denn dieser EU-Vorschlag und ein zusätzlicher, nationaler Emissionshandel für Abfälle sind nicht vereinbar – weder bei Preisregulierung noch Zertifikaten. Ein solcher nationaler Alleingang würde nur Müllexporte befeuern und muss daher unterbleiben.
Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit rund 283.000 Beschäftigten wurden 2019 Umsatzerlöse von 123 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 13 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 62 Prozent, Gas 67 Prozent, Trinkwasser 91 Prozent, Wärme 79 Prozent, Abwasser 45 Prozent. Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen durch getrennte Sammlung entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 67 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 203 Unternehmen investieren pro Jahr über 700 Millionen Euro. Beim Breitbandausbau setzen 92 Prozent der Unternehmen auf Glasfaser bis mindestens ins Gebäude. Wir halten Deutschland am Laufen – klimaneutral, leistungsstark, lebenswert. Unser Beitrag für heute und morgen: #Daseinsvorsorge. Unsere Positionen: 2030plus.vku.de.
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