Bauschutt ist kein Abfallprodukt
Das lichtdurchflutete Gebäude der Umweltstation Würzburg trägt etwas Besonderes in sich: eine marode Autobahnbrücke aus der Nähe von Helmstadt. Für den Neubau der Umweltstation wurde der Beton der abgerissenen Brücke zerkleinert, sortiert, gewaschen und zur Herstellung von Frischbeton genutzt. Damit ist die Umweltbildungseinrichtung bayernweit das erste öffentliche Gebäude, das zu drei Vierteln aus Recyclingbeton besteht.
Dieses erfolgreiche Beispiel zeigt, wie sich Wertstoffe in Mehrwertstoffe verwandeln lassen und dass Kreislaufwirtschaft auch im ressourcenintensiven Bausektor möglich ist. Zwar ist das Thema nicht neu, denn historische Bauwerke wie zum Beispiel der Aachener Dom sind mit der Verwertung von Steinen römischer Bauten langlebige Beweise dafür, dass Recycling und Kreislaufwirtschaft bereits im Mittelalter funktionierten. Der zukünftige Umgang mit Baustoffen fordert jedoch ein ganzheitliches Umdenken, beispielsweise durch selektiven Rückbau von Gebäuden und Wiederverwendung der gewonnenen Teile.
Schonung von Primärrohstoffen
Die Baubranche gilt als eine der tragenden Säulen in Bayerns Wirtschaft. Gleichzeitig führt der Bauboom zu Rohstoffknappheit und Entsorgungsengpässen für Bauschutt. Laut Bayerischem Landesamt für Umwelt verursachen Straßenaufbruch, Bodenaushub und Steine sowohl in Deutschland als auch in Bayern den größten Abfallstrom. In Bayern fielen im Jahr 2018 rund 53,2 Mio. Tonnen zu entsorgende Abfälle aus Bauund Abbruchmaßnahmen an. Diese Menge unterstreicht, wie bedeutsam ein effizienter Umgang mit Rohstoffen ist.
Für die Zukunft des Bauens ist es daher unerlässlich, ganzheitliche Gebäudekonzepte zu entwickeln, damit Materialien beim Abriss getrennt und in neuen Objekten verbaut werden können. So kann mit jedem Recyclingbaustoff Primärrohstoff geschont und Deponieraum gespart werden. Auch schließen Recyclingmaterialien Stoffkreisläufe, da sie aus Restmassen wie Asphalt, Beton oder Ziegel bestehen und als Füllmasse oder Straßenbaumaterial verwendet werden können.
Effiziente Nutzung von Restmaterialien
Diese Restmassen könnten nach Angaben von Prof. Dr. Angelika Mettke effizienter genutzt werden. Die Leiterin der Fachgruppe für Bauliches Recycling an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg ist Expertin für die Aufbereitung des Abbruchmaterials und die richtige Mischung von Recyclingbeton. Gemeinsam mit namhaften Spezialisten unterstützte sie das Projekt der Würzburger Umweltstation. Ihr Wissen teilte sie auch in einem Web-Seminar, das der Umweltcluster Bayern zusammen mit der IHK Aschaffenburg, der IHK Würzburg-Schweinfurt und mit Unterstützung des BIHK e.V. organisierte. Mit aktuellen Beispielen referierte sie über den selektiven Rückbau von Gebäuden und die Wiederverwendung der dabei gewonnenen Betonteile.
Dr. Angelika Mettke wurde 2016 mit dem deutschen Umweltpreis für ihre Arbeit im Bereich Baustoff-Recycling ausgezeichnet – ein Bereich, der nach ihrer Einschätzung noch nicht den richtigen Stellenwert besitzt. „Ein klares Ziel ist der Einsatz von Sekundärbauteilen“, erklärte sie im Web-Seminar. „Dafür sprechen neben der Rohbaukostenreduzierung eine verbesserte Auslastung der Langlebigkeit der Betonbauteile und die Substitution von Primärrohstoffen – und damit verbunden die Reduzierung des Energieaufwandes für Neuproduktionen. Aktuell ist jedoch der Markt für Altbetonbauteile in Deutschland noch nicht ausreichend entwickelt. Auch halten fehlende Förderanreize oder aufwendige Genehmigungs- und Zulassungsverfahren viele Projekte von der Wiederverwendung von Bauteilen ab. Daran muss sich etwas ändern.“
Umdenken in der Bauindustrie
Dass nachhaltiges Bauen die Bauindustrie bewegt, zeigte auch nachdrücklich die Umwelttechnologiemesse IFAT 2022 in München. Die Messeschwerpunkte lagen unter anderem auf Nachhaltigkeit im Straßenbau, Sanierung von Kontaminationen im Untergrund sowie Gebäudeabbruch und -rückbau. Gezieltes Expertenwissen wurde auch im Rahmen des Thementages Baustoffrecycling geteilt. Hier organisierte der Umweltcluster Bayern zusammen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz einen Vertiefungsworkshop zum Einsatz von Sekundärbaustoffen in Bayern und weiteren ARGE ALP Regionen. Workshop-Themen wie „Klimaschutz durch Beton- und Asphaltrecycling“ oder „Zertifizierung von Sekundärbaustoffen durch Qualitätssiegel“ belegten mit Praxisbeispielen und Diskussionsrunden die großen Herausforderungen in der Bauindustrie.
Sekundärbaustoffe als Baumaterial der Zukunft
„Unsere Kerndisziplinen Abfallentsorgung & Recycling sowie Boden- & Altlastensanierung schließen auch nachhaltiges Bauen durch Wiederverwendung und Baustoffrecycling ein“, erklärt Alfred Mayr, Geschäftsführer des Umweltcluster Bayern. „Sekundärbaustoffe sind wichtiges Baumaterial der Zukunft. Derzeit werden jedoch Bauabfälle in Deutschland unzureichend recycelt. Auch werden die meisten Recyclingmaterialien nur als Füllmasse im Straßenbau eingesetzt, was viel zu wenig ist. Demgegenüber stehen steigende Abfallmengen und sinkende Deponiekapazitäten. Aus diesen Gründen brauchen wir ein Umdenken im gesamten Bauwesen. Ein abbruchreifes Gebäude darf nicht mehr als Abfallprodukt betrachtet werden, sondern als wertvolle Ressourcenquelle. Der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes von der Planung über den Bau, die anschließende Nutzungsphase und vor allem der Rückbau stehen dabei im Fokus.“
Kooperieren, Vernetzen und Innovationen vorantreiben
Zwei entscheidende Hebel beeinflussen die Zukunft der Bauindustrie maßgeblich: die Betrachtung der gesamten Gebäude-Lebensdauer und die Digitalisierung der damit verbundenen Prozesse. Für die Zukunft der Bauindustrie bedeutet dies auch einen höheren Einsatz schadstofffreier Produkte in Verbindung mit intelligenter Circular Economy. Auch die Vernetzung der beteiligten Branchen und die Verzahnung von Expertenwissen sind elementar, um entlang der Wertschöpfungsketten neue Geschäftsmodelle für die Kreislaufwirtschaft des Bauwesens zu finden.
Für den Umweltcluster Bayern ist diese Vernetzung das Kernelement seiner Tätigkeit. Mit seinem Expertennetzwerk aus Unternehmen, Universitäten, Hochschulen, Forschungsinstituten und kommunalen Betrieben hat er sich zur bundesweit gefragten Informationsplattform entwickelt. Mit internationalen Aktivitäten fördert er die Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Marktchancen seiner Mitglieder. Durch Kooperieren, Vernetzen und das gezielte Vorantreiben von Innovationen unterstützt er die notwendige Transformation in diesem Bereich.
Pitch
Der Augsburger Trägerverein Umwelttechnologie-Cluster Bayern e.V. stärkt die bayerische Wirtschaft durch die Vernetzung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Mit Projekten und Arbeitskreisen verbindet der Umweltcluster Bayern die Kompetenzen seiner Mitglieder und entwickelt daraus umwelttechnologische Lösungen.
Kurzprofil
Der Trägerverein Umwelttechnologie-Cluster Bayern e.V. mit Sitz in Augsburg hat sich seit dem Gründungsjahr 2006 zum Branchennetzwerk der bayerischen Umweltwirtschaft entwickelt. Seine Arbeit konzentriert sich auf Transfer, Bildung und Verstärkung von Kooperation. Seine zentrale Aufgabe ist die Vernetzung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Der Umweltcluster Bayern verbindet die Kompetenzen seiner Mitglieder entlang der Wertschöpfungskette und entwickelt daraus umwelttechnologische Lösungen. Sein Prädikat "Umweltcluster Leuchtturmprojekt" zeichnet jedes Jahr ein Projekt aus, das einen vorbildlichen Beitrag zur Entwicklung der Umwelttechnologie in Bayern leistet.
Langprofil
Der Trägerverein Umwelttechnologie-Cluster Bayern e.V. mit Sitz in Augsburg hat sich seit dem Gründungsjahr 2006 zum Branchennetzwerk der bayerischen Umweltwirtschaft entwickelt. In enger Zusammenarbeit mit Politik, Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft konzentriert sich seine Arbeit auf Transfer, Bildung und Verstärkung von Kooperation. Seine zentrale Aufgabe ist die Vernetzung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Ziele der Vernetzung sind die Stärkung und der Ausbau der bayerischen Wirtschaft und des Mittelstandes. Mit umwelttechnologischen Projekten und Arbeitskreisen verbindet der Umweltcluster Bayern die Kompetenzen seiner Mitglieder und entwickelt Lösungen zur Abfallvermeidung, Substitution durch biobasierte Alternativen und zirkuläres Wirtschaften.
Seit 2008 fördert der Umweltcluster Bayern visionäre Technologien. Sein Prädikat "Umweltcluster Leuchtturmprojekt" zeigt Entwicklungsrichtungen und zeugt von unternehmerischem Mut und visionärem Denken. Das Gütesiegel zeichnet jedes Jahr ein Projekt aus, das einen vorbildlichen Beitrag zur Entwicklung der Umwelttechnologie in Bayern leistet und dadurch zur Verbesserung der Klima- und Umweltsituation beiträgt.
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