Der Traum der grünen Fortbewegung
Zugegebenermaßen ist dieses Bild weit entfernt von der aktuellen Realität und kommt mit einer ordentlichen Portion State of the Art-Charakter daher. Doch so unwahrscheinlich sie auch klingen mag, unmöglich ist diese Utopie nicht. Schon in ein paar Jahrzehnten könnte ein großer Teil des Energiebedarfs durch ein schier unerschöpfliches Element gedeckt sein und diese Fiktion ein Stück weit Realität werden. Die Rede ist vom Wasserstoff. Möglich wird die Energieerzeugung durch das denkbar einfache Prinzip der Brennstoffzelle. Ähnlich wie in einer Batterie wird chemische Energie erzeugt und in elektrische umgewandelt. Zwischen den Ausgangsstoffen Wasserstoff und Sauerstoff kommt es per Redoxreaktion zum Elektronenaustausch, was einen Stromfluss provoziert und lediglich Wasser als sauberes Reaktionsprodukt anfallen lässt. Dabei ist diese Art der Energieerzeugung alles andere als neu.
Wahrgewordene Fantasie?
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts fantasierte der Autor Julius Verne in seinem Buch „Die geheimnisvolle Insel“ über eine Energieerzeugung, die lediglich auf den Elementen des Wassers basiert. „Das Wasser ist die Kohle der Zukunft“, heißt es darin. Zwar wurde die Brennstoffzelle schon 1839 durch den deutschen Chemiker Christian Friedrich Schönbein erfunden und die Möglichkeit einer neuen Stromerzeugung ersichtlich, allerdings fand diese Entdeckung folglich noch keine weitere Beachtung. Weit entfernt war man damals von Hochtechnologien, moderner Mobilität oder einer drohenden Klimakatastrophe.
Zurück in der Neuzeit hat sich das Blatt gewendet. Dass alternative Energieerzeugungsmuster und eine Mobilitätswende unausweichlich werden, zeigt sich längst am präsenten Jargon politischer Debatten und einem sich auftuenden Branchenzweig mit allerhand Innovationsaufwand. Zwar werden derzeit noch rund 80 Prozent des globalen Energiebedarfs aus alten, negativ konnotierten Quellen gedeckt, doch die Zeichen stehen auf Abschied oder eher gesagt, Veränderung. Es sind die großen Probleme unserer Zeit, welche sich über die letzten Jahrhunderte anbahnten und nun zu Handlungen zwingen – sei es die Klimaveränderung oder der übermäßige Ressourcenverbrauch. Wieder einmal, wenn man so möchte, steht die Menschheit vor einem Wendepunkt. Dabei auf eine alternative Energiegewinnung aus Wasserstoff zu setzen, klingt zunächst mehr als plausibel.
Viele Vorteile eines Gases und Problematiken der Wende
Quasi unerschöpflich sind die Vorkommen an Wasserstoff. Drei Viertel der Galaxie bestehen aus dem Element und auch auf der Erde macht es das häufigste aller Atome aus. Brennstoffzellen arbeiten im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren geräuschlos und emissionsfrei. Das durch die Reaktion anfallende Wasser belastet die Umwelt nicht weiter und kann einen weitläufigen Kreislauf schließen. Gegenüber der E-Mobilität punktet das Gas im Versprechen um höhere Reichweiten und kürzere Stopps an der Tanksäule. Auch der Transport von Wasserstoff kann über weite Distanzen wesentlich einfacher gehandhabt werden, als der von anderen Energieträgern. Um einen Umstieg erfolgreich zu gestalten muss allerdings noch viel Arbeit investiert werden. Vor allem, wenn die Rede von einer geeigneten Infrastruktur und grünen Produktion ist.
Einerseits wäre da nämlich das Problem der Erzeugung. Noch ist die Technologie nicht auf dem nötigen Stand, um großflächig ein sauberes, „grünes“ Gas zu produzieren. Während Herstellungsverfahren wie die energieaufwändige und CO2-reiche Dampfreformierung eher kontraproduktiv erscheinen, benötigt auch die Elektrolyse zur Spaltung von Wasser große Mengen an Energie. Noch reicht die Verbreitung der erneuerbaren Quellen in Deutschland nicht aus, um dies nachhaltig zu bewerkstelligen. Zwar unterstrichen einzelne Projekte, dass sich Wasserstoff durchaus klimaneutral erzeugen lässt, bislang blieb die Produktion aber mit hohen Kosten verbunden. Für Investoren war das bisweilen abschreckend genug. Und auch in puncto Infrastruktur liegt noch viel Arbeit zugrunde. In Deutschland bieten derzeit 95 Tankstellen (Stand Juni 2022) Wasserstoff an, demgegenüber stehen rund 14.500 konventionelle Tankmöglichkeiten. Des Weiteren müssen sowohl Produktionsanlagen als auch Verteilwege künftig großflächig und deutlich ausgebaut werden. Immerhin ließen sich dazu bestehende Leitungssysteme, wie sie etwa zur Erdgasversorgung bereitstehen, zunutze machen.
Fundamentaler Wandel in Deutschland
Trotz aller Startschwierigkeiten: Dass Wasserstoff als wesentlicher Faktor der Energie- und Mobilitätswende fungieren dürfte, lässt kaum noch Zweifel zu. Nicht zuletzt unterstreicht das die Zahl an staatlichen Subventionen, Bewegungen in der Forschung und die Entstehung neuer Wasserstoffzentren über die vergangenen Jahre. Auch politische Debatten zur Energiewende kommen kaum mehr ohne das Wort Wasserstoff aus. Selten gab es im Programm der großen Parteien einen solch markanten gemeinsamen Nenner.
Längst hat auch der Bundestag eine nationale Wasserstoffstrategie formuliert. Rund 700 Millionen Euro Fördermittel sollen der Forschung bis 2025 zustehen, die schon jetzt an Großvorhaben wie klimafreundlichen Offshore-Produktionsanlagen plant. Die Möglichkeiten der Energieerzeugung beschränken sich dabei nicht nur auf die Mobilität. Sowohl sämtliche Industriezweige – sei es die chemische Industrie oder Grundstoffproduktion – als auch Kraftwerke zur Strom- und Wärmeerzeugung könnten künftig vom beliebten Gas profitieren und den Weg in eine grüne Zukunft entscheidend mitgestalten. Die emissionsintensive Stahlproduktion würde beispielsweise nur auf diesem Wege klimaneutral werden. Dass Brennstoffzellen auch in Extremsituation zuverlässig arbeiten, beweisen längst Einsätze in U-Booten oder der Raumfahrt. Im Bezug auf die Kostenfrage dürfte es künftig einfacher werden, mehr H2-Systeme zu etablieren und die Mobilitätswende entsprechend voranzubringen. So schätzt der Branchenverband Hydrogen Council, dass Wasserstofftankstellen noch in diesem Jahrzehnt günstiger werden als E-Ladesäulen. Gleiches gilt für die Produktion von Brennstoffzellen. Sollten es Industrie und Forschung in naher Zukunft schaffen, die Weichen für mehr H2-Technologien und dessen Verteilung zu stellen, könnte – so sind sich Experten sicher – grüner Wasserstoff „Made in Germany“ eine deutsche Kernkompetenz werden.
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