Energie- / Umwelttechnik

Jahrestag Ahrtal-Hochwasser: WWF fordert angesichts häufiger erwarteter Extremwetterlagen mehr natürlichen Wasserrückhalt in der Landschaft

Ein Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal vom 14./15. Juli 2021 warnt der WWF vor mangelnden Konsequenzen im Hochwasserschutz. „Wir brauchen beim Hochwasserschutz auch einen anderen Umgang mit der Landschaft“, mahnt Tobias Schäfer, Experte für Gewässerschutz beim WWF Deutschland. Der WWF fordert dringend mehr Anstrengungen des Bundes und der Länder, sich für einen ökologischen Hochwasserschutz einzusetzen. Der Rückhalt von Wasser in der Landschaft kann gerade in den Mittelgebirgen dazu beitragen, Hochwassergefahren zu mindern. Ähnlich wie beim Konzept der „Schwammstadt“ für bebaute Gebiete muss auch die Landschaft wieder in Lage versetzt werden, bei Starkregen überschüssiges Wasser aufnehmen. Feuchtgebiete, Auen von Bächen und Flüssen, aber auch Boden und Vegetation haben eine solche Schwammfunktion, die es zu reaktivieren gilt.

„Beim Hochwasserschutz haben wir uns in Deutschland zu oft allein auf harte technische Strukturen verlassen. Doch ein ökologischer Lösungsansatz kann mehr: Natürlicher Rückhalt von Wasser in der Landschaft wirkt wie ein Puffer und trägt dazu bei, Überschwemmungen, aber auch Austrocknung der Landschaft zu vermindern“, so Schäfer weiter. In vielen europäischen Flüssen zeigt sich heutzutage: Die Beschleunigung des Abflusses aus der Landschaft, die Verringerung des Wasserrückhaltevermögens von Böden und der Verlust von Überschwemmungsgebieten in Flussauen verringern die Wasserspeicherkapazität in den Einzugsgebieten. Infolgedessen fließt das Wasser schneller ab, was in den angrenzenden Regionen in Extremsituationen die Überflutungsrisiken steigen lässt.

Eine vom WWF Niederlande in Auftrag gegebene Studie des Büros Stroming zu Flussregionen in den Mittelgebirgen des Rhein-Einzugsgebietes konnte zeigen, dass die Landnutzung im oberen Einzugsgebiet entscheidend dazu beitragen kann, Überschwemmungen zu vermindern. Beispielsweise durch Entfernung von Entwässerungskanälen und die Wiederherstellung von Feuchtgebieten lässt sich der Abfluss wesentlich verlangsamen. Bei der natürlichen “Schwamm-Methode” wird das Wasser bereits in einem sehr frühen Stadium, nämlich bevor es den Wasserlauf erreicht, zurückgehalten. Bei technischen Methoden wird es hingegen erst dann gespeichert, wenn es bereits Teil des Hauptflusses ist. Bis zu 8% der lokalen Einzugsgebiete der Rheinzuflüsse innerhalb der deutschen Mittelgebirge könnten potenziell für den natürlichen Wasserrückhalt genutzt werden, so die Studie. Der WWF sieht auch für die Ahr großes Potenzial für diese Art natürlichen Hochwasserschutz.

In weiteren Forschungsvorhaben muss jetzt geklärt werden, inwieweit solche Ansätze auch bei Extremereignissen wirken. Bereits erwiesen ist jedoch, dass solche naturbasierten Lösungen die Risiken bei einem mittleren Hochwasser erheblich verringern können.

Hintergrund:

Laut Büro der Vereinten Nationen für Katastrophenvorsorge (UNDRR) gab es 1995 bis 2004 pro Jahr weltweit durchschnittlich 127 Überschwemmungen im Jahr. 2005 bis 2014 wuchs diese Zahl auf durchschnittlich 171 pro Jahr an. 2021 lag sie bereits bei 223. Die erfassten weltweiten wirtschaftlichen Schäden durch Überschwemmungen lagen laut UNDRR 2021 bei 74,4 Milliarden US-Dollar. Hochwasserschäden liegen damit auf Platz 2 nach Unwettern/Stürmen. Das Ahrtalhochwasser im vergangenen Jahr hat Schäden im Wert von 46 Mrd. €, davon 33 Mrd. € in Deutschland verursacht. Es war zusätzlich zum enormen menschlichen Leid die bislang teuerste Naturkatastrophe in Deutschland und Europa.

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