Rote Liste gefährdeter Arten so lang wie noch nie
WWF-Artenschutz-Expertin Anne Hanschke sagt: „Unsere Gesundheit, Wirtschaft, ja unsere gesamte Existenz hängt von der Natur ab. Man muss sich dieses System wie ein Turm aus Bauklötzen vorstellen – jeder Stein ist eine Tier- oder Pflanzenart. Nur wenn dieser Turm des Lebens stehen bleibt, können wir Menschen gesund und sicher leben. Aber je mehr Steine aus dem Turm herausgeschlagen werden, sprich je mehr Arten aussterben, umso instabiler wird er. Die neue Rote Liste zeigt, wie sehr der Turm des Lebens wackelt. Nur wenn wir die Natur besser schützen, können wir verhindern, dass dieser Turm zusammenbricht“. Die Chance dazu bietet sich auf der Weltnaturkonferenz diesen Dezember in Montreal. Dort wird ein neues Abkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt verhandelt. Ziel davon ist es, das Artensterben bis 2030 zu stoppen. Der WWF fordert die Bundesregierung auf, sich in Montreal für ein ambitioniertes Abkommen einzusetzen und die internationale Biodiversitätsfinanzierung bis 2025 auf zwei Milliarden Euro im Jahr zu erhöhen.
Tiger
Trotz intensiver Schutzmaßnahmen gilt der Tiger weiter als stark gefährdet. Besiedelte die größte Raubkatze der Welt einst fast ganz Asien, ist ihr Verbreitungsgebiet seit 1994 (1,9 Millionen km²) noch einmal um mehr als die Hälfte gesunken (Stand 2020: 885.877 km²). Die großen Raubkatzen sind vor allem durch Wilderei, Lebensraumverlust und schrumpfende Bestände ihrer Beutetiere wie Wildschweine und Wildrinder bedroht. Diese konkurrieren mit den Nutztieren der Menschen um wertvolle Ressourcen und werden gejagt. Vor allem wegen der massiven Schlingfallenwilderei, die sowohl Beutetiere als auch Tiger trifft, gibt es in Vietnam, Laos und Kambodscha sogar gar keine Tiger mehr. Anne Hanschke sagt: „Im chinesischen Jahr des Tigers zeigt die Rote Liste, dass für den Tiger noch lange keine Entwarnung gegeben werden kann. Damit es wieder mehr von den Großkatzen gibt, müssen die Tigerverbreitungsstaaten weiterhin die Tigerbestände schützen, den Konsum von Tiger(-teilen) und ihren Beutetieren stoppen und das Verbreitungsgebiet der Raubkatzen ausweiten. Dabei stehen besonders die Länder Südostasiens in der Verantwortung mit politischem Willen die Schutz- und Monitoringbemühungen zu verstärken.“
Zwischen 3.726 und 5.578 Tiger sollen laut IUCN noch in freier Wildbahn leben.
Wandernder Monarchfalter
Der Wandernde Monarchfalter wurde von der IUCN als stark gefährdet eingestuft. Die Unterart des Monarchfalters wurde zum ersten Mal untersucht. Die Wanderung der orangenen Schmetterlinge von Kanada und den USA nach Mexiko und Kalifornien ist ein Naturphänomen in Gefahr: Vor allem der westliche Bestand steht vor dem Aus. Von geschätzten 10 Millionen Schmetterlingen in den 1980ern verbleiben dort nur noch um die 1.900. „Der fortschreitende Rückgang des Monarchfalters ist alarmierend. Wenn wir seinen Lebensraum nicht konsequenter schützen, den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden in der Landwirtschaft einschränken und die Klimakrise aufhalten, hat es sich mit dem hübschen Falter bald ausgeflattert”, erklärt Hanschke.
Störe und Löffelstöre
Neben Asien und Amerika ist auch Europa Schauplatz des Artensterbens. Sieben der acht in Europa vorkommenden Störarten sind vom Aussterben bedroht, die achte gilt nun als stark gefährdet. Den Glatt-Stör, dessen letzte Bestände in Europa in der Donau schwammen, hat die IUCN dort für ausgestorben erklärt. Um die Störartigen steht es überall auf der Welt dramatisch. Alle überlebenden 26 Arten sind laut der aktualisierten Roten Liste akut gefährdet, fast 2/3 davon sogar direkt vom Aussterben bedroht. Der chinesische Schwertstör gilt nun offiziell als ausgestorben, der Jangtse-Stör ist in der Natur ausgestorben. Um Störe und andere Wanderfische zu schützen, fordert der WWF freifließende Flüsse weltweit zu schützen. Zudem muss der illegale Handel mit Störfleisch und Kaviar beendet werden. Hoffnung macht jedoch die Wiederansiedlung des Europäischen Störs in der Elbe und des Baltischen Störs in der Oder. Ihre Zukunft hängt auch davon ab, ob diese beiden Flüsse Ausbauplänen zum Opfer fallen.
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