Sollte Gold nicht glänzen?
Sicherer Hafen?
„Wenn es jemals Rahmenbedingungen gab, die einen Anstieg des Goldpreises begünstigen sollten, dann ist es die schwierige Situation im ersten Halbjahr 2022“, analysiert Grüner. In diesem Umfeld könne Gold als vielfach gepriesener „sicherer Hafen“ Schutz vor steigenden Preisen, fallenden Aktienmärkten, einer Rezession und dem allgemeinen Chaos bieten. Aber stimmt das?
Im ersten Monat des Jahres, als die globalen Aktienmärkte in US-Dollar gerechnet um 5,2 Prozent fielen, habe Gold weitgehend seitwärts tendiert und sei nur um 0,6 Prozent zurückgegangen. Im Februar, als die militärischen Spannungen zunahmen und schließlich am 24. Februar die russische Invasion erfolgte, habe der Goldpreis dynamisch zugelegt. „Am 8. März, inmitten hoher Kriegs- und Inflationsängste, notierte der Goldpreis in US-Dollar im Jahresverlauf bei einem Plus von 12,9 Prozent“, erläutert Grüner. „Zu diesem Zeitpunkt waren die weltweiten Aktienkurse um 13,2 Prozent zurückgegangen, was den Anschein erweckte, dass die ‚Absicherung‘ durch das gelbe Edelmetall gut funktionieren würde.“
Leider das typische Muster
Zwangsläufig seien in der Finanzpresse zahlreiche Kommentare zu lesen gewesen, in denen Gold und auch andere Rohstoffe als Absicherung angepriesen wurden. Zügig seien neue ETFs aufgelegt worden, um Kleinanlegern einen Zugang zum „sicheren Hafen“ in turbulenten Zeiten zu schaffen. In einer Umfrage der Bank of America unter globalen Fondsmanagern gaben die Befragten Anfang April an, dass sie die Übergewichtung für Rohstoffe noch niemals zuvor so hoch gewählt haben. „Beim Investieren ist es jedoch sehr oft ein Fehler, der Herde zu folgen und Entscheidungen auf der Grundlage allgemein bekannter Informationen zu treffen“, so Grüner. „Ist der Zeitpunkt erreicht, zu dem sich allgemeine Investment-Tipps zu einem heißen Thema ausbreiten, ist es in der Regel längst zu spät.“
Im März 2022 sei es nach diesem typischen Muster gelaufen. Der Goldpreis sei vom 8. März bis zum 19. Juli um 17,5 Prozent in US-Dollar gesunken – ungefähr doppelt so stark wie die globalen Aktienkurse. Auch breit gefasste Rohstoffindizes wie beispielsweise für Industriemetalle hätten herbe Verluste erlitten. Gold verfüge nicht über außergewöhnliche, fast magische Eigenschaften – Gold sei letztendlich auch nur ein Rohstoff.
Seit dem 8. März seien die Inflationsraten in zahlreichen wichtigen Industrieländern dramatisch angestiegen. „Von einem wirksamen Inflationsschutz sollte man erwarten, dass er insbesondere in diesem Zeitraum profitieren kann, gerade wenn die Verbraucherpreisindizes in den USA, Großbritannien und der Eurozone für Entsetzen sorgen“, meint Grüner. Gold habe diese Erwartungshaltung nicht erfüllt, und das alles sei auch nicht wirklich neu. Der Status von Gold als Inflationsabsicherung sei auch im historischen Kontext größtenteils ein Mythos.
Fazit
„In diesem Jahr hat sich einmal mehr gezeigt, dass der Goldpreis die Eigenschaften nicht erfüllt, die sich viele Anleger wünschen würden“, resümiert Grüner. „Gold ist nicht negativ mit Aktien und Anleihen korreliert, der Inflationsschutz ist nicht gegeben und die Argumente pro Gold gilt es sorgfältig zu überprüfen – gerade auch weil der Goldpreis historisch betrachtet noch volatiler ist als die Aktienmärkte.“
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