Verbraucher:innen akzeptieren höhere Preise für nachhaltige Elektrogeräte – wenn sie das eigene Budget entlasten
Die Waschmaschine stottert, das TV-Bild flackert – höchste Zeit für Ersatz. Doch nach welchen Kriterien gehen Verbraucher:innen vor, wenn sie neue Haushaltsgeräte oder Unterhaltungselektronik anschaffen? Geht es nur um den Preis oder beeinflusst auch die Nachhaltigkeit der Produkte die Kaufentscheidung? Die internationale Strategieberatung Oliver Wyman und die gfu Consumer & Home Electronics GmbH sind dieser Frage in einer gemeinsamen Studie nachgegangen. Die zentrale Erkenntnis: Konsument:innen akzeptieren höhere Ausgaben für umweltfreundlichere Geräte besonders dann, wenn diese das Haushaltsbudget nach dem Kauf durch einen geringeren Verbrauch von Strom oder Wasser entlasten.
Der stärkste Anreiz für die Akzeptanz von Mehrkosten beim Erwerb der sogenannten weißen und braunen Ware ist laut der Erhebung das Energiesparen. Demnach sind Konsument:innen bereit, für eine um zwei Stufen höhere Energieeffizienzklasse durchschnittlich 36 Prozent mehr auszugeben als für ein ansonsten identisches Gerät. Für eine energieeffizientere Waschmaschine würden sie sogar bis zu 160 Euro, bzw. 47 Prozent, mehr zahlen, verglichen mit einem durchschnittlichen Basispreis von 340 Euro. Für die Herstellergarantie, dass ein Gerät repariert werden kann und nötige Ersatzteile zur Verfügung stehen, akzeptieren Verbraucher:innen einen Preisaufschlag von 25 Prozent.
„Die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher:innen ist vor allem dann höher, wenn sie auch selbst einen finanziellen Vorteil haben. Gerade für eine Waschmaschine oder einen Kühlschrank sind Verbraucher:innen durchaus bereit, 200 Euro mehr auszugeben, wenn sie dafür ein Gerät der Energieeffizienzklasse C statt E erhalten“, erläutert Dr. Martin Schulte, Partner und Konsumgüterexperte bei Oliver Wyman. Angesichts zunehmend höherer Energiekosten wächst der Vorteil für sparsame Technik. „Die steigenden Energiepreise sorgen dafür, dass sich zusätzliche Ausgaben für energieeffizientere Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik deutlich schneller amortisieren“, so Dr. Schulte weiter.
Energieintensive Geräte im Fokus
Besonders hoch ist die zusätzliche Zahlungsbereitschaft bei energieintensiven Geräten – allen voran bei Waschmaschinen und Kühlschränken. Mit deutlichem Abstand folgen Fernseher. Bei Staubsaugern hingegen steigert vor allem die Möglichkeit einer Reparatur die Zahlungsbereitschaft. „Immer mehr Verbraucher:innen erwarten eine höhere Langlebigkeit von Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräten“, erläutert Dr. Sara Warneke, Geschäftsführerin der gfu. „Hersteller sind im Vorteil, wenn sie Reparaturdienste anbieten und Ersatzteile auch langfristig verfügbar machen.“ Wenig zusätzliche Zahlungsbereitschaft offenbarte die Befragung bei Attributen, die keine direkten finanziellen Vorteile für Verbraucher:innen versprechen. Die zusätzliche Zahlungsbereitschaft für CO2-neutrale oder sozialverträgliche Produktion, genau wie für eine bessere Recyclingfähigkeit, liegt demnach lediglich bei etwa 10 Prozent.
Schwer tun sich die Konsument:innen bei der Frage, wie viel Geld sie durch den Wechsel in eine höhere Energieeffizienzklasse sparen. Ein Kühlschrank der Klasse C beispielsweise verringert die Energiekosten im Vergleich zum Gerät der Klasse E im Schnitt um 32 Euro pro Jahr. Die Schätzungen der in der Studie befragten Personen bewegten sich dagegen vor allem zwischen elf und 25 Euro. „Vielen Menschen ist offenbar nicht klar, wie stark energieeffiziente Geräte das Haushaltsbudget entlasten können“, sagt Dr. Warneke. „Für die Nachhaltigkeits-Vorreiter unter den Herstellern ist das ein guter Ansatzpunkt zur Ansprache von Verbraucherinnen und Verbrauchern.“ Als aufgeschlossenste Zielgruppe erwiesen sich hier Personen über 35 Jahre mit einem monatlichen Nettoeinkommen von mehr als 3.000 Euro. „Die Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Technik nimmt mit wachsendem Alter und verfügbarem Einkommen zu“, erläutert Dr. Warneke.
Gebrauchtgeräte liegen im Trend
Ebenfalls abgefragt hat die Studie die generelle Einstellung zu Fragen der Umwelt- und Sozialverträglichkeit. Fast zwei Drittel der Teilnehmer:innen bezeichneten ihren Lebensstil als nachhaltig. „Die Studie zeigt eine Diskrepanz zwischen der allgemeinen Selbstwahrnehmung in puncto Nachhaltigkeit und der Bereitschaft, dafür auch im Alltag einen finanziellen Einsatz zu leisten“, sagt Konsumgüterexperte Dr. Schulte. Besonders leicht fällt den Verbraucher:innen ein nachhaltiges Verhalten, wenn sie schon bei der Anschaffung Geld sparen können. Laut Studie gewinnen generalüberholte Geräte – auch „refurbished“ genannt – an Beliebtheit. Beim Kauf eines Smartphones zieht die Hälfte der Befragten solche Gebrauchtgeräte in Betracht, knapp ein Drittel hat sie bereits erworben. Doch auch bei Waschmaschinen oder Kaffeemaschinen wächst das Interesse. „Die zentrale Motivation für die Anschaffung von Refurbished-Geräten ist, dass sie günstiger sind“, sagt Dr. Schulte. „Nachhaltigkeits-Erwägungen spielen eine untergeordnete, aber dennoch bedeutsame Rolle.“
Inflation gefährdet Interesse an Nachhaltigkeit
Zur Gefahr für die Hersteller nachhaltigerer und damit teurerer Geräte könnte eine anhaltend hohe Inflation werden. In der Studie gab die weit überwiegende Mehrheit der Befragten an, dass der Anstieg der Teuerungsrate bereits Auswirkungen auf ihr verfügbares Einkommen hat. Rund ein Drittel von ihnen würde sich deshalb beim nächsten Elektrogerätekauf für ein günstigeres Modell entscheiden. Allerdings zeigte sich, dass zugleich knapp jede:r sechste Teilnehmende bereit ist, mehr für eine höhere Modellklasse auszugeben. „Hier gibt die Betrachtung der langfristig niedrigeren Nutzungskosten gegenüber kurzfristigen Einsparungen beim Kauf den Ausschlag“, erläutert Dr. Schulte. „Die Industrie kann mehr Verbraucher:innen von nachhaltigen Geräten überzeugen, wenn sie diese finanziellen Vorteile stärker in den Fokus rücken.“
Über die Studie
Oliver Wyman und gfu Consumer & Home Electronics GmbH haben im Juni 2022 für die Studie „Der wahre Wert von Grün“ 1.300 Konsument:innen in Deutschland zu vier Produktkategorien im Bereich Haushaltselektronik („weiße und braune Ware“) befragt. In der aufwendigen Conjoint-Analyse mussten sich die Probandinnen und Probanden je Produktkategorie in 13 Gegenüberstellungen jeweils zwischen drei verschiedenen Produktkonfigurationen entscheiden. Diese variierten ausschließlich bei den untersuchten Nachhaltigkeitsmerkmalen und dem Preis. Mittels eines statistischen Verfahrens wurde für jedes Nachhaltigkeitsmerkmal die zusätzliche Zahlungsbereitschaft individuell ermittelt. Ein entscheidender Vorteil der Methodik ist, dass die Probanden ein gutes Gefühl für Zielkonflikte zwischen Merkmal und Preis bekommen. Dies ermöglicht eine realistische Annäherung an Preisschwellen.
Über Oliver Wyman
Oliver Wyman ist eine international führende Strategieberatung mit weltweit über 5.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in mehr als 70 Büros in 30 Ländern. Wir verbinden ausgeprägte Branchenexpertise mit hoher Methodenkompetenz bei Digitalisierung, Strategieentwicklung, Risikomanagement, Operations und Transformation. Wir schaffen einen Mehrwert für den Kunden, der seine Investitionen um ein Vielfaches übertrifft. Oliver Wyman ist ein Unternehmen von Marsh McLennan (NYSE: MMC). Unsere Finanzstärke ist die Basis für Stabilität, Wachstum und Innovationskraft. Weitere Informationen finden Sie unter www.oliverwyman.de. Folgen Sie Oliver Wyman auf LinkedIn, Twitter, Facebook und Instagram.
Die als Gesellschaft zur Förderung der Unterhaltungselektronik gegründete gfu passt den Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten regelmäßig den sich stetig verändernden Märkten an. Heute agiert sie als Branchenorganisation unter dem Namen gfu Consumer & Home Electronics GmbH. Führende Marken der Consumer Electronics- und Hausgeräte-Branchen sind die Gesellschafter der gfu. Sie ist Veranstalterin der weltweit führenden Branchenmesse IFA in Berlin und bietet damit eine bedeutende Plattform auf der Industrie und Handel, Medien und Konsument:innen, Start-Ups und Vordenker:innen sowie Politik und Verbände zusammentreffen. Die gfu informiert regelmäßig über Trends und Entwicklungen der Branchen und darüber hinaus. Dazu führt sie Studien durch, betreibt Marktforschung und kommuniziert die Ergebnisse. Sie veranstaltet zudem Panel-Diskussionen und Symposien.
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