Wolfgang Sawazki: „Aus dem perfekten Stagflationssturm droht ein Orkan zu werden“
- Eine sich verschärfende Akkumulation von Risiken beschädigt nachhaltig das „Geschäftsmodell Deutschland“
- Bedeutung der Inflations- und Zinswende wird unterschätzt
- Eine abgestimmte europäische Lösung könnte die Wende bringen
Wird die aktuelle Dramatik der Situation von der Politik unterschätzt bzw. heruntergespielt? Dr. Wolfgang Sawazki, Vorstand von SALytic Invest, blickt mit Sorgen auf die Konjunktur, gesellschaftspolitische Verwerfungen und den Kapitalerhalt von Anlegern. Seine These: Durch die aktuelle Kumulation dreier Zeitenwenden hat eine dramatische Abwärtsspirale begonnen – es sei denn, die Politik steuert gegen. Seine Argumentation:
„Wir sehen aktuell die Konjunktur und die Kapitalmärkte in West-/Osteuropa vor einem GAU, auf den verschiedene Einflüsse gleichzeitig einwirken: Zinswende, Krieg, Energieembargos, gestörte Lieferketten und China als stotternder Motor der Weltwirtschaft hinterlassen mehr als nur eine „schwierige Zeit“. Schlimmstenfalls sehen wir eine nachhaltige enorme Schwächung des Industriestandorts Deutschlands mit einer Deindustrialisierung. Während die Politik noch von einem schweren Winter spricht, wäre es wohl ehrlicher, eine Dekade mit nachhaltigen Abwärtsrisiken zu erwarten. Diese Krisen haben strukturelle Effekte, die enorm unterschätzt werden, denn eine Rohstoff-/Energiekrise und ein Eiserner Vorhang zu Russland wirken sich nicht nur kurzfristig aus, sondern verändern nachhaltig das „Geschäftsmodell Deutschland“. Sinkende Konsum- und Geschäftsklimazahlen sind nur Verboten einer substanziellen Abwärtsspirale.
Im Ukrainekrieg drohen wesentliche Elemente der bisherigen europäischen Sanktionspolitik wie die Embargos für Rohstoffe und Energie anders als der Ausschluss aus dem Swift-Abkommens und dem Exportverbot von High Tech-Komponenten fulminant zu scheitern. Während Russland die niedrigeren Öl- und Gasausfuhren mit höheren Preisen kompensieren und die Handelsströme etwa für Kohle und Öl/Benzin leicht ändern kann, sind die Konsequenzen für Europa und auch Afrika erheblich. Daher bedarf es einer mit den USA und der Ukraine abgestimmten europäischen Lösung, die Europa weniger schadet. Sonst wird sich die Abwärtsspirale immer schneller drehen und nicht nur einen „kalten Winter“, sondern auch erhebliche Produktions- sowie Beschäftigungseinbußen zur Folge haben. Damit erleidet Deutschland und weite Teile Osteuropas hohe Wohlstandsverluste und die europäischen Asset-Preise (Immobilien, Aktien, Euro, Anleihen…) fallen weiter. Letztlich geht damit auch der finanzielle Handlungsspielraum zum Wiederaufbau der Ukraine verloren.
Anders als in allen anderen vorherigen Krisen, werden diesmal die Notenbanken nicht zur Hilfe eilen können, da sie in restriktiver Form die hohe – durch den Ukraine-Krieg angeheizte – Inflation bekämpfen müssen. Auch wird der Staat nicht mehr – wie in der COVID-Krise – alle Unternehmen retten können, da die Verschuldung enorm angestiegen ist.
Eine Erholung der Konjunktur ist nur möglich, wenn China als Lokomotive der Weltwirtschaft deutlich Fahrt aufnimmt und die Rohstoff-/ Energiepreise u.a. im Zuge eines Waffenstillstands in der Ukraine deutlich sinken. Dann fällt die Inflation, was es den Notenbanken ermöglicht, ihren Straffungskurs zu moderieren. Umgekehrt würde eine Verschärfung des Ukraine-Krieges mit weiteren Umdrehungen an der Sanktionsschraube oder eine komplette Einstellung der russischen Gaslieferungen einen zusätzlichen Konjunkturschock verursachen. Dann wird aus dem Sturm ein fataler Orkan.“
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*Stand: 31.12.2021
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