Zwischen Inflation und Investition
Mit Beginn der Corona-Pandemie haben viele Käufer schon vermutet, dass die Inflation steigen könnte. Seit dem ersten Quartal 2021 konnten wir beobachten, dass Kapitalanleger Wohnungen kauften, um ihr Geld in Sachwerte zu investieren. Der Trend hält weiter an. Denn Kaufen ist in den allermeisten Szenarien günstiger als Mieten – gerade in Zeiten eines negativen Realzinses. Bei einer Inflation von sieben Prozent und Bauzinsen von drei Prozent ergibt das für den Darlehensnehmer einen negativen Realzins von vier Prozent. So etwas ist neu im Immobilienmarkt.
Steigende Zinsen
Steigende Zinsen sind grundsätzlich eine gute Sache. Sie halten die Preissteigerung im Zaum und belohnen Sparer. Nicht so gut sind sie allerdings für Immobilienkäufer. Sogenannte Schwellenhaushalte, die sich 2021 noch eine Immobilie leisten konnten, sind dazu jetzt nicht mehr in der Lage. Das merken wir auch bei den Kaufanfragen für Einfamilienhäuser. 2021 erreichten uns pro Objekt etwa 50 Anfragen, heute haben sich die Anfragen etwa halbiert. Auch der Verkaufsprozess dauert nun deutlich länger als im vergangenen Jahr. Die Banken in Deutschland werten Immobilien von jeher konservativ ein und bilden somit eine Art Barriere gegen die Bildung von Blasen. Inzwischen verlangen sie jedoch mehr Eigenkapital als vor der Krise und achten noch mehr auf die Bonität von Kreditnehmern.
Steigende Zinsen sorgen also für weniger Käufer auf dem Markt, also weniger Nachfrage. Die Preise für Mehrfamilienhäuser und Renditeobjekte sind teilweise um bis zu 15 Prozent gefallen. Bei selbstgenutzten Wohnungen oder Häusern beobachten wir jedoch stabile, zum Teil sogar leicht steigende Preise. Viele Käufer investieren nun lieber in das eigene Zuhause, etwa mit einer energetischen Sanierung, anstatt eine Immobilie zur Kapitalanlage zu erwerben. Generell müssen wir aktuell mit einem weiteren Anstieg der Zinsen rechnen. Erst wenn die Energiepreise sinken, wird sich auch die Inflation beruhigen und auch die Zinsen sollten dann nicht weiter nach oben angepasst werden.
Baukosten sinken perspektivisch
Nicht nur der Preis für Grund und Boden, sondern auch die Kosten für Handwerkerleistungen und Material steigen weiter – ebenso wie die gesetzlichen Anforderungen für das Bauen. Handwerker können sich meist vor Aufträgen kaum retten, doch das Material ist knapp. Aufgrund der geopolitischen Lage wird es hier kurzfristig kaum Besserung geben, dafür werden wir aber trotzdem mittelfristig erleben, dass die Baupreise sinken.
Für einen Neubau müssen wir heute mit Kosten von etwa 3.000 Euro pro Quadratmeter rechnen, für ein Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche sind also rund 450.000 Euro nötig, plus Bauland und Nebenkosten. Doch monatliche Raten von weit über 2.500 Euro sind für die meisten Käufer kaum noch darstellbar.
Im mittleren Segment erleben wir deshalb gerade viele Stornierungen von Bauträgern und Projektentwicklern. Neue Projekte werden praktisch nicht mehr realisiert. Das führt wiederum dazu, dass viele Aufträge für Handwerker wegfallen und weniger Material bestellt wird – die Nachfrage nach Land und die Preise werden somit auch sinken. Wir erwarten also den typischen Kreislauf aus Angebot und Nachfrage, der mittelfristig Entspannung bei den Baukosten bringen dürfte.
Zurück zur Normalität
Wir haben im Moment, im Sommer 2022, einen sehr starken Verkäufermarkt. Pro Kauf- oder Mietobjekt gibt es noch immer deutlich mehr Nachfrager als Anbieter. Auch wenn die geopolitische Situation den Immobilienmarkt ordentlich durchschüttelt, werden wir in absehbarer Zeit zur Normalität zurückkehren. Alles steht und fällt derzeit mit den Energiepreisen. Sinken diese, bekommen wir auch die Inflation in Griff. Einen Grund zur Panik sehe ich jedenfalls nicht, wer kann, der sollte genau jetzt kaufen, denn zur Miete zu wohnen, wird mittel- bis langfristig sehr viel teurer als jetzt zu bauen oder zu kaufen.
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