32. Deutscher Hautkrebskongress: Neue dermato-onkologische Strategien zum Erkennen und Behandeln von Melanom und anderen Hautkrebsarten
Das Melanom wird ein großes Thema beim Deutschen Hautkrebskongress sein. Der „schwarze Hautkrebs“ ist gefürchtet, auch wenn es aufgrund bahnbrechender medizinischer Fortschritte in den letzten Jahrzehnten immer häufiger Heilungserfolge und Langzeit-Überleben gibt. Welche weiteren Fortschritte werden vorgestellt – z.B. mit Blick auf Therapien und Nebenwirkungs-strategien, adjuvante Therapie, neue Behandlungsoptionen beim fortgeschrittenen Melanom?
Prof. Gutzmer: Das maligne Melanom wird wieder ein wesentlicher Schwerpunkt beim diesjährigen Deutschen Hautkrebskongress sein. Das liegt zum einen daran, dass es sich um den zahlenmäßig häufigsten metastasierenden Hautkrebs handelt, zum anderen aber auch daran, dass es hier bahnbrechende Fortschritte gibt. Diese Fortschritte führen zum einen dazu, dass wir in den fortgeschrittenen Stadien mehr Langzeitüberleber haben. Gleichzeitig haben wir dann aber auch langfristig mehr Nebenwirkungen, die wir jetzt zum Teil erst kennenlernen. Die Managementstrategien dieser Nebenwirkungen in der Diagnostik und Therapie werden einen wesentlichen Schwerpunkt des Treffens darstellen. Darüber hinaus die adjuvante medikamentöse Therapie in Hochrisikostadien. Hier wird es um die richtige Indikationsstellung und das Abwägen von Nutzen und Risiko gehen. Beim fortgeschrittenen Melanom werden die aktuell verfügbaren Behandlungsoptionen intensiv diskutiert aber auch neue Strategien. Hier ist ganz wesentlich das Studientreffen zu Beginn des Hautkrebskongresses, in dem aktive oder bis vor kurzem aktive Studien dargestellt werden.
Welche besonderen Schwerpunkte haben Sie beim diesjährigen Deutschen Hautkrebskongress gesetzt? Welche besonderen Highlights erwarten die Kongressteilnehmer?
Prof. Gutzmer: Da sind natürlich eine Reihe verschiedener Schwerpunkte zu nennen: zum einen die Keynote Lectures, in denen Herr Prof. Friedl aus Nijmegen über ein grundlagenwissenschaftliches Thema (Lymphozyteninteraktion bei den Immuntherapien) referieren, Paolo Ascierto aus Neapel als weltweit meist zitierter Melanomforscher die klinische Zukunft der Melanomtherapie beleuchten wird und Maarten Vermeer aus Leiden den aktuellen Stand bei den kutanen Lymphomen darstellen wird. Daneben haben wir aber auch zahlreiche Symposiumsvorschläge und Einreichung von freien Vorträgen gehabt, so dass die ADO-Mitglieder große Programmteile selbst gestaltet haben. Diese spiegeln die ganze Bandbreite der Hautkrebsdiagnostik und –therapie wider und auch die aktuellen Forschungsprojekte in den jeweiligen deutschsprachigen Hautkliniken. Und schließlich richtet sich der Deutsche Hautkrebskongress mehr und mehr nicht nur an ärztliche Berufsgruppen, sondern auch an nicht ärztliche medizinische Berufsgruppen, ganz konkret an onkologische Fachpflege und an Studienassistenten. Daneben gibt es ein Nachwuchs-Retreat für Studierende, die sich für das Thema Hautkrebs interessieren sowie ein Patientenforum für Patienten und Betroffene. Somit wird zunehmend das gesamt Spektrum der Interessierten über die Patienten bzw. der Angehörige, über ärztliche und nicht ärztliche Berufsgruppen mit speziellen Sitzungsangeboten auf dem Kongress angesprochen.
„Seltene Tumorentitäten“ sind ein großes Kongressthema, auch wird die neue ADO-Leitlinie „Atypisches Fibroxanthom/Pleomorphes Dermales Sarkom“ diskutiert. Welche seltenen Tumorentitäten sind klinisch häufig schwer zu diagnostizieren?
Prof. Gutzmer: Seltene Tumorentitäten wie kutane Sarkome wachsen als unspezifischer hautfarbener oder rötlicher Knoten. Daher sollte bei unklarem Wachstum einer Hautveränderung eine Probebiopsie erfolgen, die dann die Diagnose ermöglicht. Wenn dann die Diagnose gestellt wurde, ist das optimale Vorgehen den behandelnden Ärzten aber häufig nicht ganz klar, da es sich eben um seltene Tumorentitäten handelt. Daher ist es umso wichtiger, die Evidenz in Form von Leitlinien zusammenzufassen und für die behandelnden Ärzte komprimiert aufzuarbeiten. Das ist in der neuen S2K-Leitlinie für atypische Fibroxanthome und pleomorphe dermale Sarkome geschehen, so dass wir durch diese Entwicklung hoffen, die Versorgung von Hautkrebspatienten auch mit nicht so häufigen Tumorentitäten zu verbessern und zu standardisieren analog zum aktuellen Wissensstand.
Trotz immenser Fortschritte in Diagnostik und Therapie – nicht immer kann Hautkrebs erfolgreich behandelt werden. Immer noch sterben viele Menschen an einem metastasierten Hautkrebs. Gibt es neue wirkungsvolle Substanzkombinationen aus der Grundlagenforschung?
Prof. Gutzmer: Aktuell befindet sich eine neue Substanzkombination, Nivolumab + Relatlimab, in der Zulassung. Hier konnte durch Studiendaten gezeigt werden, dass die Kombination Nivolumab + Relatlimab eine bessere Effizienz bei moderat erhöhten Nebenwirkungen in der Erstlinienbehandlung von Melanompatienten hat im Vergleich zu Nivolumab alleine. Das ist ein Beispiel, wie die Entwicklung vorangeht. Zahlreiche andere Kombinationen wurden in den letzten Jahren getestet, hatten aber nicht die erwartete Steigerung an Effektivität. Die Entwicklung geht allerdings weiter mit weiteren Kombinationsstudien, zum Beispiel aus verschiedenen Immuntherapeutika gegen mehrere Checkpoints oder aus Kombinationen von zielgerichteter Therapie und Immuntherapie. Diese erwarteten Entwicklungen werden einen großen Raum auf dem Deutschen Hautkrebskongress einnehmen; so ist ja auch die Keynote-Lecture von Paolo Ascierto diesem Thema gewidmet.
Ist der Einbruch von Vorsorgeuntersuchungen/ Hautkrebsscreening während der Corona-Pandemie weiter bemerkbar? Hat sich die Situation insgesamt verschlechtert?
Prof. Gutzmer: Natürlich hat es während der Corona-Pandemie auch für Hautkrebspatienten Einschränkungen gegeben, insbesondere was die Vorsorgeuntersuchungen und die Nachsorge angegangen ist. Wir selbst haben eine Erhebung unter den deutschen Hauttumorzentren gemacht, in der wir zeigen konnten, dass im Vergleich zu den Vorjahren im ersten Corona-Frühjahr 2021 die Stadien bei Erstdiagnose geringgradig höher waren. Allerdings war der Unterschied nicht signifikant und das Ergebnis somit nicht eindeutig. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, inwieweit Corona hier wirklich zu Problemen geführt hat. Hier sind sicherlich weitere Untersuchungen nötig, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie besser nachweisen zu können. Aus der klinischen Erfahrung kann man jedoch sagen, dass natürlich Kontrollen zur Vor- und Nachsorge angesichts der Corona-Einschränkungen nicht im gewohnten Ausmaß durchgeführt werden konnten.
- Gibt es Themen beim diesjährigen Hautkrebskongress, die Ihnen besonders am Herzen liegen?
Ich freue mich besonders auf die Sitzung „Kontroversen in der Dermato-Onkologie“, wo ausgewiesene Dermato-Onkologen sich über Themen austauschen, in denen keine einheitliche Empfehlung gegeben werden kann. Dazu gehört die adjuvante Therapie im Stadium II, wo es um die Abwägung von Nutzen und Risiko geht. Dazu gehören die intraläsionalen Therapien, bei denen Substanzen in Hautläsionen gespritzt werden. Hier profitiert zwar eine Untergruppe von Patienten, allerdings waren die letzten Studiendaten zu diesem Therapieansatz überwiegend negativ. Und schließlich die Frage der Tumorvakzinierung, also der Impfung gegen Eiweißstoffe, die auf den Tumorzellen vorkommen. Auch hier gibt es über die Jahre viele Ansätze, die aber in klinischen Studien nur sehr wenige erfolgreich waren. Insofern ist die Frage, wie und ob dieser Ansatz weiterverfolgt werden sollte. Das ist aber nur eine von vielen spannenden Sitzungen, die uns auf dem Deutschen Hautkrebskongress erwarten. Angesichts der Fülle der Sitzungen und der spannenden Themen fällt es mir persönlich schwer, hier die richtige Auswahl zu treffen, da man ja aufgrund der parallelen Programmstruktur nicht an allen Sitzungen teilnehmen kann.
Wir bedanken uns herzlich für das Interview!
Alle Informationen und das wissenschaftliche Programm mit Vorträgen, Sitzungen, Workshops und umfangreichem Industrieprogramm sind auf der Kongress-Homepage www.ado-kongress.de abrufbar. Pressevertreter sind sehr herzlich zum Deutschen Hautkrebskongress eingeladen! Wir unterstützen Sie gern mit der Vermittlung von Interviewpartnern.
Akkreditierungen bitte über die Homepage oder direkt über den Pressekontakt.
Hintergrund:
Hautkrebs ist immer noch die häufigste Krebserkrankung in Deutschland mit der größten Steigerungsrate – trotz der immensen medizinischen Fortschritte der letzten Jahre. Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich in den letzten zehn Jahren auf jährlich rund 240.000 verdoppelt. Dafür werden UV-bedingte Hautschäden aufgrund intensiver Sonnenexposition in der Kindheit und Jugend mit verantwortlich gemacht. An erster Stelle steht das Basalzellkarzinom (Weißer Hautkrebs) mit jährlich rund 140.000 Fällen, gefolgt vom kutanen Plattenepithelkarzinom mit rund 70.000 Neuerkrankungen und dem malignen Melanom (Schwarzer Hautkrebs) mit rund 28.000 Fällen.
Die ADO (Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie der DKG und der DDG) organisiert Fortbildungen, Forschungsprojekte und klinische Studien, um die Qualität der dermato-onkologischen Patientenversorgung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu verbessern und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu fördern. Die Ein wichtiger Fokus liegt auf der Erarbeitung diagnostischer und therapeutischer Leitlinien zu verschiedenen Hautkrebsarten wie zum malignen Melanom, Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom, Merkelzellkarzinom, Kaposi-Sarkom und zu kutanen Lymphomen.
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