Hellabrunn im Dienste der Wissenschaft: Weshalb Schildkröten langsamer altern
In einer neuen Studie, die im Fachjournal Science publiziert wurde, analysierten Wissenschaftler/-innen Daten aus Zoos und Aquarien zu 52 Land- und Wasserschildkröten-Arten. Die verwendeten Daten stammten aus einer Datenbank namens Species360 Zoological Information Management System (ZIMS), die der Münchner Tierpark Hellabrunn ebenso wie zahlreiche weitere Zoos rund um den Globus zur Dokumentation seiner Tierbestände nutzt. Die Analyse ergab, dass Schildkröten von den üblichen evolutionären Theorien anderer Tierarten abweichen und ihre Alterung unter verbesserten Umweltbedingungen reduzieren können.
Evolutionäre Theorien bezüglich Alterungsprozessen prognostizieren, dass alle lebenden Organismen mit zunehmendem Alter schwächer werden und sich ihr Zustand zunehmend verschlechtert – diesen Prozess nennt man Seneszenz – und sie letztendlich sterben. Jetzt konnten Wissenschaftler/-innen der Species360 Conservation Science Alliance und der University of Southern Denmark anhand der Daten aus dem Münchner Tierpark Hellabrunn und weiteren Zoos zeigen, dass bestimmte Schildkrötenarten eine verlangsamte oder sogar fast gar keine Seneszenz zeigen können, wenn ihre Lebensbedingungen sich verbessern.
Von 52 untersuchten Schildkrötenarten zeigten 75% eine extrem langsame Seneszenz und 80% eine langsamere Seneszenz als der moderne Mensch. Dies bedeutet nicht, dass sie unsterblich sind. Das Risiko zu sterben besteht weiterhin, nimmt aber nicht mit dem Alter zu. Auch Schildkröten werden also letztendlich an unausweichlichen Ursachen wie zum Beispiel Krankheiten sterben. Laut Prof. Dalia Conde, Co- Autorin der Studie, Species360 Director of Science und Head of the Species360 Conservation Science Alliance können manche Arten unter den verbesserten Lebensbedingungen der Zoos und Aquarien ihre Alterungsrate im Vergleich zur Natur reduzieren. Zusätzlich erklärte sie, dass moderne zoologische Organisationen eine wichtige Rolle in der Arterhaltung, Bildung und Forschung spielen, wobei diese Studie den immensen Wert der in Zoos und Aquarien geführten wissenschaftlichen Aufzeichnungen über ihre Tierbestände aufzeigt.
Rasem Baban, Vorstand und Tierparkdirektor in Hellabrunn hat selbst den Aufsichtsratsvorsitz der gemeinnützigen Organisation Species360 inne und erklärt: „Als wissenschaftlich geführter Zoo nutzt der Münchner Tierpark Hellabrunn die Datenbank ZIMS, um detaillierte Aufzeichnungen der eigenen Tierbestände zu führen. Als Halter von Schildkröten, z.B. Aldabra-Riesenschildkröten, Madagaskar-Strahlenschildkröten und Ägyptischen Landschildkröten, hat der Münchner Tierpark Hellabrunn aktiv Daten gesammelt, durch ZIMS geteilt und so direkt zu dieser Studie beigetragen.“
Über Species360:
Species360 ist eine weltweite gemeinnützige Organisation, die die internationale Zusammenarbeit von 240 Forschungspartnern im Sammeln, Teilen und Analysieren von Information über die Tierwelt und Artenschutz unterstützt. Sie erhält das ZIMS, welches von über 1.200 Zoos, Aquarien, Universitäten und Regierungsmitgliedern in 101 Ländern auf der ganzen Welt genutzt wird. Die in ZIMS gesammelten Daten zu mehr als 22.000 Arten sind ein wichtiges Hilfsmittel bei der Entwicklung von Leitfäden für Haltung, Tierschutz, Populationsmanagement, veterinärmedizinischer Betreuung und Arterhaltung. Außerdem werden diese Daten genutzt um wissenschaftliche Kenntnisse zu erlangen und bei zukünftigen Entscheidungen im Tier- und Naturschutz eingesetzt.
Podcast-Tipp:
Am kommenden Freitag, den 02.09.2022 publiziert Hellabrunn Episode Nr. 67 von „Mia san Tier – dem Zoopodcast aus Hellabrunn“. Hierin geht es um die Beteiligung Hellabrunns an ausgewählten Forschungsprojekten und die wichtige Rolle der Organisation Species360, mit der Hellabrunn sehr eng zusammenarbeitet. Der Podcast ist abrufbar auf der Homepage des Tierparks sowie allen gängigen Podcast-Plattformen wie Spotify, Apple Podcast, Google Podcast oder Deezer.
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