Herausforderung Klimawandel
Baden–Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der selbst passionierter Wanderer und Schirmherr des 121. Deutschen Wandertages ist, sagte heute in Fellbach: „Beim Wandern bekommt man bekanntlich einiges geboten – den weiten Blick und auch die kleinen Details am Wegesrand wie Pflanzen, Insekten oder anderes Getier. Das alles macht ein gelungenes Naturerlebnis aus!“ Wandernde hätten einen besonders wachen Sinn für das Artensterben, so der Ministerpräsident: „40 Prozent aller wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in Baden-Württemberg sind gefährdet, um uns herum ist es stiller geworden. Unsere biologische Vielfalt ist massiv bedroht. Uns bleiben nur noch wenige Jahre, um die Klimaerhitzung zu bremsen und um unsere biologische Vielfalt zu retten.“ Der Klimawandel werde die Kulturlandschaften verändern. Das Wandern in diesen Landschaften werde nicht mehr so sein, wie gewohnt. Kretschmann „Deswegen bedanke ich mich für das große ehrenamtliche Engagement unserer Wandervereine und -verbände. Für ihre wichtigen Maßnahmen zum Landschaftsschutz, ihre Umwelt- und Naturschutzaktionen und ihre vielen Bildungs- und Kulturangebote.“
Der Deutsche Wandertag gilt als Europas größtes Treffen rund um und für das Wandern. Während der Veranstaltung gibt es einerseits Wanderungen, Führungen und Vorträge, andererseits finden hier Fachtagungen und Workshops, Schulwander-Wettbewerbe und die Jahreshauptversammlung des Deutschen Wanderverbands statt.
Dr. Hans-Ulrich Rauchfuß, Präsident des Deutschen Wanderverbandes (DWV) sieht im Erhalt der biologischen Vielfalt und dem Klimawandel die großen Herausforderungen für die kommenden Jahre. Die nachhaltige Sicherung naturnaher Wanderwege sowie die Gestaltung des ÖPNV müsse seitens der Politik eine höhere Priorität bekommen. „Vor dem Hintergrund des Klimawandels besteht für die politischen Entscheidungsträger*innen großer Handlungsbedarf hinsichtlich des Fußverkehrs und des Ausbaus des öffentlichen Personen-Nahverkehrs“, so der Präsident.
Deutlich sichtbar sei der Klimawandel schon jetzt am schlechten Zustand des Waldes und der gesamten Infrastruktur für das Wandern. Zerstörte Wege und Wegweisungen sowie unbrauchbare Rastplätze seien nur Beispiele. Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern sei eine gute Zusammenarbeit aller Akteure nötig. Der DWV bringe sich hier ein, doch das Bürgerschaftliche Engagement brauche auch gesellschaftliche Anerkennung. Um weiter unterstützen zu können, so der Präsident, sei eine nachhaltig gesicherte Finanzierung der Arbeit des DWV inklusive der Unterstützung von ehrenamtlichem Engagement die Voraussetzung. Rauchfuß: „Die Wanderwege-Infrastruktur gilt je nach Perspektive als Besucherlenkung oder als Sportstätte. Die vielfach von Wandervereinen markierten und gepflegten Wege werden von Jogger*innen, Mountainbiker*innen und vielen anderen Draußensportler*innen genutzt.“ Vor dem Hintergrund sei es höchste Zeit, dass die Politik ein für das Querschnittsthema Wandern und Wege zuständiges Bundesministerium benenne. Entscheidend sei auch eine institutionelle Förderung.
Prof. Dr. Ulrich Schraml, Direktor der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, sprach in Fellbach über die Wälder, die zu den wichtigsten Erholungs- und Erfahrungsräumen in Deutschland zählten. „Gerade in der Pandemie haben wir wieder gelernt, wie wichtig zugängliche und attraktive Wälder sind“ so der Direktor. Zugleich seien die Wälder zu Sinnbildern der Klimakrise geworden. Ihre sichtbare Veränderung im Klimawandel mahnt zu tatkräftigem Engagement, um gerade auch ihre soziale Bedeutung zu bewahren. Schraml: „Die eingeleiteten Veränderungsprozesse werden Jahrzehnte dauern und brauchen daher starke Partnerschaften. Mit den Wanderverbänden hat die Forstwirtschaft in Deutschland und gerade auch in Baden-Württemberg solche Partner.“ Das gelte vor Ort, wenn Wanderinfrastruktur entwickelt und gepflegt werde ebenso, wie im politischen Raum, „wo wir heute gemeinsam Impulse für eine konfliktfreie Nutzung von Wäldern für Erholung und Sport setzen“.
Dr. Andre Baumann (MDL), Staatssekretär im Baden–Württembergischen Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft sprach in Fellbach über die Rolle der Wandervereine in Zeiten des Klimawandels, der längst in Deutschland angekommen sei. Die Wandervereine seien nun verstärkt gefragt, sich etwa an der Standortauswahl von Windrädern oder Photovoltaikparks zu beteiligen. „Denn darum werden wir nicht herumkommen“, so der Staatssekretär. Die Expertise der Wandervereine würde auch bei der Pflege und Vernetzung von Ökosystemen sowie in der Bildungsarbeit etwa durch Wanderführer*innen benötigt. Baumann forderte die Vereine zudem dazu auf, während ihren Veranstaltungen wo immer möglich regionale Produkte zu nutzen.
Während der Mitgliederversammlung des DWV am vergangenen Freitag wurde der DWV-Vorstand neu gewählt. Bis zum Jahr 2026 wird der wiedergewählte DWV-Präsident Rauchfuß von einem starken Präsidium unterstützt. Es besteht aus den DWV-Vizepräsidenten Werner Mohr und Thomas Gemke sowie DWV-Vizepräsidentin Heidrun Hiemer und Schatzmeisterin Ellen Kitter. Außerdem wurde die „Resolution für eine klimafreundliche und soziale Verkehrswende“ von den DWV- Mitgliedern verabschiedet. Darin fordert der DWV Bund und Länder auf, ein Mobilitäts- und Klimaticket einzuführen und gleichzeitig die Verkehrsanbindung im ländlichen Raum zu verbessern, um den Individualverkehr zu reduzieren.
Ausrichter des 121. Deutschen Wandertages waren der Schwäbische Albvereins und die Stadt Fellbach sowie 21 weitere Remstalkommunen. Laut Rauchfuß besuchten die Veranstaltung vom 3. bis 7. August rund 20.000 Gäste. Rauchfuß: „Schon Wochen vor dem Wandertag waren die Unterkünfte in Fellbach ausgebucht.“ Es gab allein rund 200 unterschiedliche geführte Wanderungen des Schwäbischen Albvereins sowie weitere rund 200 kommunale Angebote. Dazu kamen Konzerte und jede Menge Informationen sowie Workshops rund um das Thema Wandern.
Der 122. Deutsche Wandertag wird vom 19. bis 22. September 2024 im Eichsfeld am Grünen Band in Thüringen stattfinden. Wandertagshauptstadt ist dann Heilbad Heiligenstadt. Der Deutsche Wanderverband veranstaltet den Deutschen Wandertag zusammen mit einem DWV-Mitgliedsverein im Netzwerk von regionalen Partnern.
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