Bildung & Karriere

Mehr als 300.000 Arbeitslose durch hohe Gaspreise

Energie wird immer teurer – auch mittelfristig. Verdoppelt sich der Gaspreis im Herbst, steigt die Inflation im kommenden Jahr um bis zu vier Prozentpunkte, zeigen neue Simulationen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Bis Ende kommenden Jahres könnten dadurch 337.000 Menschen ihren Job verlieren.

Die Inflation ist auf einem Rekordhoch, das tägliche Leben wird für viele Deutsche immer teurer. Energiepreise stiegen im Juli erneut um über 35 Prozent, Nahrungsmittelpreise um fast 15 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat 2021. Dank staatlicher Maßnahmen wie dem 9-Euro-Ticket hat sich die Inflation zwar bei 7,5 Prozent stabilisiert, aber diese wirken nur temporär und eine Fortsetzung hätte ihren Preis. Die zukünftigen Aussichten sind also düster: Unternehmen und Verbraucher müssen sich auf eine weitere Preiswelle einstellen. Öl und Gas sind knapp und sie werden voraussichtlich im Herbst und Winter nochmals deutlich teurer. Das dürfte spürbare Effekte auf die Inflation haben, zeigen IW-Simulationsrechnungen: Steigt der Gaspreis vom zweiten zum dritten Quartal 2022 um 50 Prozent, klettert die Inflationsrate um weitere 0,9 Prozentpunkte im Jahresdurchschnitt und um weitere 1,3 Prozentpunkte in 2023. Verdoppelt sich der Gaspreis – was bei den derzeitigen Preissteigerungen realistisch erscheint – wächst die Inflation um einen Prozentpunkt im Jahresschnitt 2022 und um fast vier Prozentpunkte im nächsten Jahr. 

70 Milliarden Euro BIP-Verlust

Auch am Arbeitsmarkt sind dramatische Entwicklungen realistisch: Eine Verdoppelung des Gaspreises zum dritten Quartal würde im laufenden Jahr zu einer Erhöhung der Arbeitslosenquote um 0,1 Prozent führen, das entspricht 30.000 Menschen. Im Jahr 2023 würden sogar 307.000 Deutsche aufgrund der hohen Gaspreise ihren Job verlieren. IW-Ökonom Thomas Obst hat darüber hinaus Effekte auf das Bruttoinlandsprodukt berechnet: Bei einer Gaspreis-Verdoppelung schrumpft es in diesem Jahr um 0,2 Prozent und in 2023 um zwei Prozent, das entspricht 70 Milliarden Euro Verlust.

Rezessionsrisiko steigt, Energie bleibt teuer

Klar ist: Energie bleibt mittelfristig teuer, die Versorgung ist unbeständig. Die hohen Kosten müssen Unternehmer auf Verbraucher umwälzen, wenn sie auch künftig wirtschaften wollen. „Nicht einberechnet sind Auswirkungen von Produktionsausfällen, die dann einträten, wenn das Gas komplett ausbliebe“, sagt Studienautor Thomas Obst. „Das würde zusätzliche hohe Preisschocks in den Wertschöpfungsketten auslösen.“ Insgesamt steigt das Rezessionsrisiko, in Deutschland wie im gesamten Euroraum. „Die meisten Ökonomen rechnen noch mit einem Aufschwung in 2023. Es kann aber sein, dass daraus nichts wird. Entscheidend wird sein, wie wir mit der Drosselung der Gaslieferungen aus Russland zurechtkommen“. Unternehmen sind gefordert, neue Wege zu finden, um auch in dieser schwierigen Zeit wettbewerbsfähig zu bleiben. 

Zur Methodik: Die Modellsimulationen wurden mithilfe des Global Economic Models von Oxford Economics berechnet, das internationale Verbindungen zwischen Lieferketten und Branchen greifbar macht. Für die erste Simulationsstufe wurde angenommen, dass der Gaspreis ab Oktober um 50 Prozent und der Ölpreis um zehn Prozent steigt. Beide normalisieren sich in 2023. Die zweite Stufe basiert auf der Annahme, dass sich der Gaspreis ab Oktober verdoppelt, der Ölpreis um 30 Prozent steigt. Beide bleiben in 2023 auf diesem Niveau. Als Indikatoren für die zukünftige Preisentwicklung wurden die sogenannten Future Contracts für Öl und Gas an den Terminbörsen betrachtet. 

Das IW verzichtet auf die Modellierung eines Gasembargos, was als umfangreicher Strukturbruch mit methodischen Grenzen verbunden ist. Die Simulation bezieht sich auf die Fragestellung der wirtschaftlichen Auswirkungen anhaltend hoher Energiepreise, die eine Verteuerung bei den Energiepreisen aufgrund gedrosselter Lieferungen und großer Unsicherheit annimmt, aber nicht von einem kompletten Mengenstopp ausgeht. Die Rahmenbedingungen bleiben im Vergleich weitestgehend stabil, es ist im Zeitverlauf möglich, russische Energieträger nach und nach zu ersetzen.  

Zur Studie

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