Gesundheit & Medizin

Schon vor dem Teenager-Alter an sexuelle Gesundheit denken

Die Impfung gegen humane Papillomviren (HPV), die Gebärmutterhals- oder Analkrebs und Kopf-Hals-Tumore verursachen, gibt es seit mehr als 15 Jahren. Sie ist wirksam, verträglich und für Mädchen und Jungen von 9-14 Jahren empfohlen. Die Impfquote ist hierzulande jedoch zu niedrig: Nur etwa die Hälfte aller Mädchen und etwa sechs Prozent der Jungen sind gegen HPV geimpft. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) befasst sich als Fachgesellschaft auch mit den sexuell übertragbaren Erkrankungen. Anlässlich des „Welttages der sexuellen Gesundheit“ am 4. September ruft sie dazu auf, das HPV-Impfangebot stärker bei Kindern und Eltern bekannt zu machen. Auch Besuche bei der Hautärztin oder dem Hautarzt können genutzt werden, um sich gegen HPV impfen zu lassen.

Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) gehören zu den häufigsten sexuell übertragenen Infektionen. Während ein großer Teil transient erfolgt, also vorübergehend ist und eventuell „nur“ zu gutartigen Warzen im Anal- und Genitalbereich führt, gibt es auch sogenannte Hochrisiko-HPV-Typen. Dazu gehören HPV16 und HPV18, die zu Krebsvorstufen führen. Aus den Genitalwarzen können sich nach einigen Jahren invasive Karzinome bilden. In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 4400 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, 1600 sterben daran; die Zahl der Analkrebs-Patientinnen und -Patienten liegt bei jährlich etwa 2500. Gebärmutterhals- oder Analkrebs werden fast komplett durch HPV verursacht, aber auch Vaginal-, Peniskarzinome und Karzinome der Mund-, Rachen- und Nasenschleimhaut sind zu einem nicht unbeträchtlichen Teil HPV-assoziiert.

„Als im Jahr 2006 der erste Impfstoff gegen HPV in Europa zugelassen wurde, waren die Erwartungen groß“, sagt Professor Dr. med. Peter Elsner, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut erfolgte 2007 und nahm zunächst die Mädchen in den Blick. „Die aktuellen Impfquoten sind nicht zufriedenstellend“, so Elsner. Eine vollständige HPV-Impfserie hatten 2019 nur 47,2 Prozent der 15-jährigen Mädchen; unter den 18-jährigen Mädchen waren es 52,0 Prozent. Die Impfung der Jungen wird erst seit 2018 empfohlen und von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Aufgrund der recht spät erfolgten Empfehlungserweiterung sind die Zahlen bei den Jungen noch sehr niedrig: In jeder Altersstufe der 9- bis 18-jährigen Jungen haben nicht mehr als 6 Prozent die HPV-Impfung abgeschlossen. „Um das Ziel der Weltgesundheitsorganisation zu erreichen, Gebärmutterhalskrebs zu eliminieren, ist das zu wenig. Die HPV-Impfquote muss dafür bei 90 Prozent liegen“, sagt Elsner.

„Neue Impfungen zu implementieren, dauert häufig etwas. Uns überraschte allerdings, wie wenig junge Menschen in Bezug auf HPV als Ursache für gravierende sexuell-übertragbare Erkrankungen und über die Schutzimpfung wissen“, erklärt Privatdozent Dr. med. Markus Reinholz, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der LMU München. Der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten führte zusammen mit einer Gruppe weiterer Dermatologinnen und Dermatologen von September 2018 bis Februar 2019 eine prospektive Querschnittsstudie durch, an der mehr als 3800 Schülerinnen und Schüler teilnahmen. Verwendet wurde ein Fragebogen. Ziel der Studie war es, das Bewusstsein und den Wissensstand junger Menschen über sexuell-übertragbare Erkrankungen (auch sexually transmitted infections (STIs) genannt) und im Besonderen zu HPV zu ermitteln. Es überraschte die Forschenden, dass die Schülerinnen und Schüler über HPV im Vergleich zu anderen STIs wie HIV oder Hepatitis sehr wenig wissen. Zwischen 18 und 28 Prozent der Befragten kennen HPV, noch etwas weniger haben von Genitalwarzen gehört. „Wir haben große Informationslücken aufgedeckt. Eine intensive und langfristige Aufklärungsarbeit ist nötig“, bilanziert Reinholz. Die Studienautorinnen und -autoren fordern mehr Informationen im Schulunterricht (idealerweise vor der Jugenduntersuchung 1, die im Alter von 12 bis 14 Jahren angeboten wird), bei Arztbesuchen und durch gezielte Aufklärungs-Kampagnen. Ähnliches schlagen die Expertinnen und Experten in der S3-Leitlinie „Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien“ (2020) vor, die sich in Bezug auf die Implementierung der HPV-Impfung ebenfalls intensiv Gedanken gemacht haben. Von der Idee einer Impfpflicht, über strukturierte Impfprogramme in den Schulen, mehrsprachige Informationsangebote bis hin zu Unterrichtseinheiten zur Vorbereitung der J1-Untersuchung mit Informationen zur HPV-Impfung, zu HPV-assoziierten Erkrankungen und zu sicherem Geschlechtsverkehr allgemein. Die Fächer Dermatologie und Venerologie, letzteres ist die Lehre von den sexuell übertragbaren Erkrankungen, sieht Elsner hier in einer besonderen Verpflichtung: „Die durch HPV hervorgerufenen Krebserkrankungen können durch die HPV-Impfung verhindert werden. Als dermatologische Fachgesellschaft rufen wir Eltern, Kinder und Jugendliche dazu auf, die HPV-Impfung wahrzunehmen.“ Hautärztinnen und Hautärzte sollten, so der DDG-Medienbeauftragte, das Thema bei ihren jungen Patientinnen und Patienten oder aber bei Eltern aktiv ansprechen und eine HPV-Impfung anbieten.

Die Immunisierung gegen Infektionskrankheiten gehört von jeher bei vielen Dermatologinnen und Dermatologen zum Alltag. Um das Wissen zu Impfmanagement, bestimmte Indikationen, rechtliche Fragen etc. aufzufrischen, empfiehlt Elsner den Kolleginnen und Kollegen das Zertifikat „Impfen für Dermatologen“, das bei der Deutschen Dermatologischen Akademie (DDA) erworben werden kann.

Literatur:

Rummel M, Clanner-Engelshofen BM, Nellessen T, Zippel S, Schuster B, French LE, Reinholz M. Kenntnisse bayerischer Schüler zu sexuell übertragbaren Infektionen: eine Querschnittsstudie. J Dtsch Dermatol Ges 2022; 20(2): 169-176. https://doi.org/10.1111/ddg.14653_g

S3-Leitlinie „Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien“ – Langfassung – AWMF-Register Nr.: 082-002, 2020.

Zum Welttag der sexuellen Gesundheit:

Jedes Jahr findet am 4. September der „Welttag der sexuellen Gesundheit“ (World Sexual Health Day)

statt. Ins Leben gerufen wurde der Aktionstag von der World Association for Sexual Health (WAS). Ziel der Initiative ist es, sexuelle Gesundheit, Wohlbefinden und Rechte für alle zu fördern. https://worldsexualhealth.net/world-sexual-health-day/

7 Fakten zu HPV und HPV-Impfung:

  • Das Humane Papillomvirus (HPV) wird sexuell übertragen und hat karzinogene Auswirkungen, darunter auch Gebärmutterhals- oder Analkrebs.
  • Ziel der HPV-Impfung ist die Reduktion der Krankheitslast durch HPV-assoziierte Tumoren.
  • Die HPV-Impfung für Mädchen (im Alter von 9 bis 14 Jahren) wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut seit 2007 empfohlen. Seit 2018 empfiehlt die STIKO sie auch für Jungen in diesem Alter. Die Impfung kann in bestimmten Situationen auch später nachgeholt werden, sollte aber vor der ersten Aufnahme sexueller Kontakte erfolgen.
  • Derzeit wird keine Auffrischimpfung der Impfung empfohlen.
  • Die Wirksamkeit und die Verträglichkeit gelten als gut.
  • Impfschema: 2 Dosen im Abstand von mindestens 5 Monaten (bei kürzerem Abstand sind 3 Dosen notwendig)

Quelle: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/HPV/HPV.html

Faktenblatt vom RKI zur HPV-Impfung:

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Faktenblaetter/HPV.pdf?__blob=publicationFile

Über Deutsche Dermatologische Gesellschaft

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) e. V. ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der deutschsprachigen Dermatologinnen und Dermatologen. Als eine gemeinnützige Organisation mit mehr als 3.800 Mitgliedern fördert sie Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Dermatologie und ihrer Teilgebiete. Die DDG setzt sich für die Förderung der klinischen und praktischen Dermatologie, Allergologie und Venerologie sowie ihrer konservativen und operativen Teilgebiete ein. Mit der Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen und Kongressen engagiert sie sich in der Fort- und Weiterbildung, sie entwickelt Leitlinien und unterstützt Forschungsvorhaben durch Anschubfinanzierungen und Förderungen. Darüber hinaus vergibt die DDG zusammen mit der Deutschen Stiftung für Dermatologie Forschungsgelder und Stipendien an vielversprechende Nachwuchsmedizinstudierende und an namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

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