Sport

Tausche Kiel gegen Reifen

Das Zusammenspiel der Gemeinsamen Internationalen Deutschen Jugendmeisterschaften (GIDJM/10. bis 16. August) und des Revivals der ehemaligen olympischen Bootsklassen von 1972 (15. bis 21. August) in Kiel verbindet die Zukunft mit der Vergangenheit. Und für viele ehemalige Olympia-Teilnehmer von 1972 kommt zu einem Wiedersehen nach 50 Jahren. Einige Olympia-Veteranen sind fünf Jahrzehnte später wieder in Kiel – als Aktive, Betreuer, Rallye-Teilnehmer oder Zuschauer.

Norbert Wagner startet im Jubiläumsjahr im Oldtimer auf vier Rädern statt in der Soling. Der heute 86-Jährige nimmt am 8. August (Start zwischen 8 und 10.30 Uhr) an der Olympia-Rallye teil. Dazu hat er mit seinem Co-Piloten Peter Sauer seinen Jaguar (Baujahr 1965) auf Vordermann gebracht. Bei der Rallye Heidelberg Historic im Juli bestand der Oldtimer seine Generalprobe für Kiel, wo Wagner mit der Startnummer 215 in der 3. Startgruppe antritt. Und der Ehrgeiz ist auch auf vier Rädern geblieben. Einen Platz unter den ersten 30 von 300 Startern sei das Ziel. Unter den Teilnehmern sind insgesamt zehn Rallye-Teilnehmer von 1972, darunter auch der zweifache FIA-Fahrerweltmeister Walter Röhrl, der gleich vier seiner Rallye-Autos an den Start bringt. Fahrzeuge, mit denen er vier Mal die Rallye Monte Carlo gewann und zwei Mal Weltmeister geworden ist.

Das Oldtimer-Fieber bei Norbert Wagner hat sein Bruder Eckart entfacht. „Er hat mich 1998 gebeten, als zweiter Mann Prag-Monaco mitzufahren. Und wir haben gleich gewonnen. Es folgte ein Jahr später das Oldtimer-Rennen auf dem Nürburgring mit dem nächsten Sieg. Dann hat er mich nicht mehr rausgelassen, da es die ersten großen Siege waren“, erinnert sich der 86-Jährige. Gute Vorbereitung sei der Grundstock zum Erfolg. Das habe ihn sein Vater schon beim Segeln gelehrt, so Wagner. 

Und diesen Rat hat Norbert Wagner auch befolgt. So wurde vor 50 Jahren in Kiel sein großer Segel-Traum wahr. „Es war mein größter Triumph, als ich 1972 die Ausscheidungsregatten vor Kiel gewonnen habe und im Soling bei den Spielen für Deutschland starten durfte“, so Wagner, der in Kiel geboren wurde und heute in Bayern lebt. Zusammen mit Hans-Joachim Berndt und Friedrich May startete er in der Soling und belegte Platz elf bei 26 Startern. „Punktgleich mit dem damaligen Prinz Harald von Norwegen. Da war ich schon stolz“, erinnert sich Wagner, der unter anderem 33mal bei der Kieler Woche am Start war. Über Pirat und FD führte der Weg in die Soling.  
 
Zahlreiche Trophäen füllen die Schränke in seinem Haus in Feldafing-Garatshausen. An die 400 Wettfahrten hat Wagner gewonnen und Preise en masse gehamstert. Adenauer-Preis, Ludwig-Erhard-Preis, Travemünder-Woche-Preise und, und, und. Sie stehen für viele Regatta-Siege, denen Erfolge als Trainer folgten. 2015 führte er die Segel-Bundesliga-Mannschaft des Deutschen Touring Yacht-Clubs zum Titelgewinn. Es folgten eine weitere Deutsche Meisterschaft, zwei Vizemeisterschaften und der Titel in der Champions League.

2004 führte Norbert Wagner seine Nichte Kristin, Tochter seines 2002 verstorbenen Bruders Eckart, zu den Olympischen Spielen nach Athen. „Über die Erfolge als Trainer freue ich mich genauso wie über die eigenen als Aktiver“, erklärt Wagner, der aus einer Segler-Dynastie kommt. Breits sein Vater Johannes hatte sich als Weltmeister für die Olympischen Spiele 1940 qualifiziert. Der Weltkrieg verhinderte den Start.

Bruder Eckart Wagner (Gründer von North Sails Europe und einst Präsident von North Sails) war 1972 Ersatzmann im Star und hatte vorher bereits an Olympischen Spielen teilgenommen: 1960 (7. im Star in Italien), 1964 (5. im 5.5er vor Tokio) und 1968 (12. im Star vor Mexiko). Dritter im Bunde der Brüder ist der erfolgreiche Schwertzugvogel-Segler Torsten Wagner, der bis heute im Elternhaus in Kiel lebt.

Heute segelt Norbert Wagner gerne mit seiner Ehefrau Eva im Mittelmeer. Seine Soling, die er vorher verkauft hatte, liegt allerdings 300 Meter tief auf dem Grund des Gardasees.

Den Oldtimer haben Wagner/Sauer bereits eine Woche vor dem Start nach Kiel gebracht. Bis zur Parade-Aufstellung auf dem Wilhelmsplatz am 7. August stand dieser sicher und trocken bei Bruder Torsten in der Tiefgarage. Zeit für einen Besuch der Segelregatten bleibt nicht, denn von Kiel geht es mit dem Oldtimer gleich weiter nach Wolfsburg. Dennoch freut sich Wagner auf die Besuche in Kiel und den Besuch bei seinem Bruder. „In den Corona-Jahren habe ich mich zurückgezogen, denn meine Frau und ich wollten keinen Kontakt zum Virus“, erklärt er. Die Erinnerungen an seine Geburtsstadt sind stets lebendig – ob an die Zeit als Aktiver oder Trainer oder natürlich an 1972 und das Duell mit Prinz Harald von Norwegen.

Auch an den damaligen Vorwurf des Profitums der Segler von 1972 erinnert sich Wagner genau. „Aber schließlich wurden wir als Handwerker eingestuft. Segeln war das Hobby, Segelmachen das Handwerk“, erklärt Wagner. Immerhin hatten 30 Nationen dieses Handwerk seinerzeit anerkannt und segelten 1972 mit Segeln von North Sails.

Eigentlich war das Handwerk gar nichts für Norbert Wagner. „Eckart hatte mich gefragt, und ich habe sechs Wochen bei ihm in Bayern gearbeitet. Danach habe ich abgesagt“, erinnert er sich heute. Doch der Bruder ließ nicht locker, und so folgte der damalige Einkaufschef der Lindenau-Werft in Kiel-Friedrichsort schließlich dem Ruf seines Bruders Eckart an den Starnberger See.  Bereut hat er es nicht, die Leidenschaft fürs Segeln ist bis heute geblieben – neben der Liebe zu Oldtimern.

Und dann gibt es schließlich doch noch eine kleine Stippvisite der Rallye-Starter im Olympia-Hafen von 1972: Am 6. August machen rund 50 Oldtimer vom Wilhelmsplatz einen Abstecher nach Schilksee und fahren durch die Bootshalle Süd zum Fototermin zum Hafenmeistergebäude mit dem olympischen Feuer. Von 14 bis 17 Uhr werden die Fahrzeuge im Hafen sein und erinnern an die Rallye vor 50 Jahren in Schilksee. Dann allerdings ist Nobert Wagner noch nicht dabei.

Original Olympiageschirr von 1972:
Anlässlich des 50-jährigen Revivals kann man sich ein Stück Olympia Flair von 1972 nach Hause holen. Im Welcome Center Kieler Förde bietet Kiel-Marketing gemeinsam mit der Stadt Kiel das Originalgeschirr von damals in verschiedenen Kombinationen an. Bei dem Geschirr handelt es sich um die hochwertige Porzellanmarke Thomas aus dem Hause Rosenthal. Die vorliegende Komposition der grünen Spirale auf weißem Geschirr basiert auf dem offiziellen Emblem für die XX. Olympischen Spiele. Das Geschirr ist im Welcome Center am Stresemannplatz als gedeckter Tisch dekoriert oder kann bequem von zuhause online unter www.kiel-souvenirs.de mit dem Suchbegriff Olympia bestellt werden.

Der Olympia Geschirr Essteller bspw. kostet 7,90 Euro, ein Kaffeegedeck mit Mittelteller, Kaffee- und Untertasse gibt es für 29,95 Euro

Der Regatta-Plan: 

GIDJM

Klassen: Optimist, ILCA 4, ILCA 6, Europe, Teeny, 29er, 420er, Pirat, Open Windfoil Youth.

  • Mittwoch, 10. August, und Donnerstag, 11. August: Vermessung.
  • Freitag, 12. August, bis Dienstag, 16. August: Wettfahrten 

50 Jahre Olympia vor Kiel-Schilksee:

Klassen: Drachen (Ranglisten-Regatta/ 8 Wettfahrten), Flying Dutchman (IDM/ 7 Wettfahrten), Star (North European Championship/ 6 Wettfahrten), Tempest (WM/ 9 Wettfahrten).

  • Montag, 15. August: Vermessung:  Tempest
  • Dienstag, 16. August: Practice Race: Tempest
  • Mittwoch, 17. August: Vermessung: Star; Wettfahrten: Tempest
  • Donnerstag, 18. August: Wettfahrten: Tempest, Star, Drachen
  • Freitag, 19. August: Wettfahrten: Tempest, Star, Drachen, Flying Dutchman
  • Samstag, 20. August: Wettfahrten: Tempest, Star, Drachen, Flying Dutchman
  • Sonntag, 21. August: Wettfahrten: Tempest, Star, Drachen, Flying Dutchman – danach: Siegerehrungen

Streicher:
FD-IDM: ab fünf Wettfahrten ein Streicher;
Tempest-WM: ab fünf Wettfahrten ein Streicher, ab acht Wettfahrten zwei Streicher;
Drachen, Star: ab drei Wettfahrten ein Streicher.

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