Von Mobbing bis Selbstverletzung: Professor Dr. Franz Resch widmete sein Berufsleben jungen Menschen in psychischen Krisen
„Innovationsarbeit leistete Professor Resch auch in der Lehre, erarbeitete unter anderem die psychiatrischen Lehrinhalte für den Reformstudiengang HeiCuMed und engagierte sich von 2004 bis 2014 als Studiendekan", so Professor Dr. Hans-Georg Kräusslich, Dekan der Medizinischen Fakultät. „Mit neuen Lehrangeboten weckte er das Interesse der Studierenden, so dass seine Klinik nie unter Nachwuchsproblemen litt. Dafür gebührt ihm großer Dank." Prof. Resch entwickelte mit seinem Team unter anderem das „Psychokit", bei dem Studierende mit geschulten jugendlichen Schauspielpatienten Diagnose und Therapie üben können, sowie – daran angelehnt – neue, praxisorientierte Prüfungskonzepte, die sogenannte Psycho-OSCE, bei der die Studierenden ihr Wissen an verschiedenen praktischen Prüfungsstationen zeigen können.
Bis zur Neubesetzung der Stelle des Ärztlichen Direktors wird die Klinik von Dr. Eginhard Koch, Prof. Reschs langjährigem Stellvertreter, kommissarisch geleitet.
Vorreiterrolle mit Ambulanz für Risikoverhalten und interdisziplinärem Frühbehandlungszentrum
Internationales Renommee erwarb sich die Klinik unter Reschs Leitung mit wissenschaftlichen Arbeiten zu selbstverletzendem Verhalten bei Jugendlichen – darunter große europäische Studien zu selbstverletzendem Verhalten wie der SEYLE-Studie – sowie Borderline-Syndrom und Psychosen der Adoleszenz, der Zeitspanne des Erwachsenwerdens. „Selbstschädigendes und Risikoverhalten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen war in den 1990er Jahren noch ein Einzelfallthema, heute findet es glücklicherweise größere Beachtung", konstatiert Resch. So zeigte die SEYLE-Studie, deren deutsches Studienzentrum Heidelberg war, dass rund ein Drittel der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler bereits Erfahrung mit Selbstverletzung hatten.
In der Konsequenz wurde 2013 an der Klinik die Spezialambulanz für Risikoverhalten und Selbstschädigung (AtR!Sk) zur Einschätzung, Diagnostik und Behandlung von riskantem und selbstschädigendem Verhalten bei Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren eingerichtet – ein bis dato bundesweit einmaliges niederschwelliges Angebot für betroffene Familien. Schule machte außerdem das bereits 2003 von Resch ins Leben gerufene „Frühbehandlungszentrum für junge Menschen in Krisen", damals ebenfalls ein Novum in Deutschland: Dabei handelt es sich um ein Kooperationsmodell zwischen Kinder- und Erwachsenenpsychiatrie, das den Wechsel von der einen Zuständigkeit in die andere, verbunden mit einem Therapeutenwechsel, abfängt. „Dieser „Bruch der Kulturen" ist entwicklungspsychologisch unhaltbar. Eine optimale Behandlung junger Menschen mit psychischen Erkrankungen benötigt in diesem sensiblen Alter die Expertise beider Fachrichtungen in einem gemeinsamen Behandlungskonzept", so Prof. Resch.
„Beide Modelle sind klinisch fest verankert und sehr erfolgreich: In der AtRisk-Ambulanz werden jährlich rund 200 junge Menschen beraten und betreut, im Frühbehandlungszentrum mit Tagesklinik und Station circa 50 pro Jahr. Insgesamt behandelt das 40-köpfige Team der Klinik jährlich mehr als 200 junge Patientinnen und Patienten stationär und teilstationär, dazu kommen mehr als 2.000 ambulante Patientenkontakte. Mit ihren modernen Behandlungsangeboten ist die Klinik sehr gut aufgestellt", sagt Katrin Erk, Kaufmännische Direktorin des UKHD.
Bei der Wahl seiner Schwerpunkte habe er immer „a Noasen", sprich einen guten Riecher gehabt, sagt Resch. Denn mit wichtigen Themen wie Psychosen bei Jugendlichen, Selbstverletzung und interdisziplinäre Betreuung sei sein Team den Trends in der klinischen Forschung seines Fachgebiets immer zuvorgekommen. Das habe einen Vorsprung an Expertise mit sich gebracht. Sein Rat an angehende Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiater ist daher: „Man darf sich nicht beirren lassen, wenn man an die Relevanz eines Themas glaubt. Das wird letztlich Erfolg bringen, auch wenn Fördermittel und Anerkennung zunächst woanders hinfließen." Seinen Ruhestand sieht Resch eher als eine „Akzentverschiebung": In den nächsten Jahren wird er sich in der Weiterbildung therapeutischer Teams engagieren, überwiegend in Österreich und der Schweiz.
Zur Person
Franz Resch, geboren 1953 in Wien, studierte in Wien Humanmedizin, wo er auch promovierte und 1991 mit Arbeiten zum Thema "Therapie der Adoleszenten-Psychosen" in Psychiatrie und Neurologie des Kindes- und Jugendalters habilitiert wurde. 1993 folgte er dem Ruf nach Heidelberg. Für sein Engagement in der Lehre wurde er 2014 mit der Fakultätsmedaille der Medizinischen Fakultät Heidelberg ausgezeichnet. Er ist Mitglied mehrerer österreichischer, deutscher und internationaler Fachgesellschaften, war von 1999 bis 2013 Präsident der Deutschen Liga für das Kind in Familie und Gesellschaft, von 2001 bis 2003 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, engagierte sich unter anderem in der Sachverständigenkommission beim Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen für Nervenheilkunde (IMPP), in der Akademie für Hochschulmedizin des Medizinischen Fakultätentages sowie im Fachbeirat des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM).
Weitere Informationen im Internet
Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich circa 84.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000 Patienten ambulant behandelt.
Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum-heidelberg.de
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